Beim Brauch des Federnschleißens in Südmähren erzählen sich Jung und Alt bis spät in die Nacht Sagen von der wundersamen Raurinkel und einem Hasen, der vom Teufel geschickt wurde.
Früher gab es in den Wintermonaten in den bäuerlichen Haushalten das Federnschleißen. Ein schöner alter Brauch, der eine große Rolle spielte. Es war eine körperlich leichte Arbeit, die jedoch große Genauigkeit erforderte. Tage vor dem Arbeitsbeginn brachte man die Federn bereits ins Warme, damit sie sich leichter rupfen ließen. In der Stube, wo Nachbarinnen, Verwandte, Freundinnen, Großmütter oder Häuslerinnen als Helferinnen in größerer Gesellschaft zum Federnschleißen zusammenkamen, wurde der Kachelofen oder der Küchenherd ordentlich eingeheizt. Da saßen Alt und Jung bis tief in die Nacht hinein beisammen und während die fleißigen Finger mit den Federn beschäftigt waren, war auch das Mundwerk nicht müßig. Man plauderte über alles Mögliche, pflegte den Dorftratsch, sang Lieder, riss Witze – und erzählte sich Geschichten.
Besuch einer Unbekannten
Man erzählte sich, dass in einem Dorfe bei Znaim (Znojmo) auch einmal Bauern und Nachbarn in der Stube beim Federnschleißen beisammen saßen. Plötzlich ertönte ein feines Klopfen an der Tür, und die Bäuerin ging hinaus, um den späten Gast hereinzulassen. Draußen stand ein winziges, verhutzeltes Weiblein, das in einen viel zu großen, haarigen Pelz gewickelt war und mit einem dünnen Stimmchen fragte, ob es sich ein wenig wärmen dürfte. Den Menschen jener Gegend war die Gastfreundschaft noch so etwas wie ein Gesetz, das man nicht durch neugierige Fragen verletzen durfte. Also hieß die Bäuerin das Weiblein willkommen, wies ihm einen Platz am Tische an und fragte nicht nach woher und wohin.
Das Weiblein begann also gleich mit dem Federnschleißen, und schon nach kurzer Zeit hatte es mehr fertiggebracht als alle anderen zusammen. Da fragte die Bäuerin die alte Frau, ob sie nicht bei ihr als Magd einstehen wolle, und das Weiblein nickte nur und tat gleich, als sei es zu Hause. Von da an ging es aufwärts mit der Wirtschaft der Bauernleute. Das Korn neigte seine schweren Ähren auf den Feldern, das Vieh gedieh sichtlich und bekam ein wunderschönes, glänzendes Fell, und das Essen schmeckte, als habe ein Küchenmeister es mit fremden, raffinierten Kräutern gewürzt.
So ging es einige Jahre hindurch, und alle waren zufrieden. Aber eines Abends – es war wieder beim Federnschleißen – klopfte es leise an das Tor und eine feine Stimme wisperte: „Geh heim, Raurinkel, Stuzumuzerl ist gestorben!“ Da gab das alte Weiblein einen wehen, klagenden Ton von sich, der den Anwesenden wie ein blankes Messer ins Herz fuhr, stand von seinem Platze auf und ging still und wortlos hinaus, wie es gekommen war. Die Bauersleute haben danach nie wieder von ihrer seltsamen Magd gehört, aber der Wohlstand blieb ihnen treu und machte ihr Dasein sorgenfrei bis zu ihrem Tod.
Der Teufelshase aus Klein Olkowitz
Nicht nur lustige, auch gruselige Geschichten wurden beim Federnschleißen, bis spät nach Mitternacht erzählt: Zum Beispiel die Sage vom Teufelshasen. In Klein Olkowitz (Oleksovičky), einem Teil der Gemeinde Slup im Bezirk Znaim (Znojmo), droschen drei Männer Getreide. Bei der Jause tranken sie zu viel und hatten daher einen Rausch. Nun stach sie der Fürwitz. Sie hätten gerne gewusst, wie es dem Menschen beim Aufhängen sei. Da bot sich einer der Männer an, er werde sich auf einer Leiter aufhängen, die anderen sollten ihn aber bestimmt abschneiden, wenn er es ihnen sagen werde. Nachher werde er ihnen erzählen, was es in der Hölle Neues gebe.
Kaum hing der Mann an der Leiter, da hüpfte ein Hase auf drei Beinen durch die Scheuer. Die beiden Männer wollten ihn fangen und rannten dem Hasen nach. Merkwürdigerweise war er aber nicht einzuholen. Er lief vor den Männern bis zum Flüsschen Thaya (Dyje) und entschwand vor den Augen der Männer in einem Gebüsch. Nun erinnerten sie sich ihres Kameraden auf der Leiter. Schnell eilten sie zurück. Doch es war schon zu spät. Auf der Leiter pendelte der arme Drescher mit hervorgequollenen und verglasten Augen. Starr standen die Beiden vor Grause und Schrecken. Da scholl vom Flusse her ein entsetzlicher Juchschrei, dass die Tennensäulen zitterten und die Scheunenwände wackelten. Diesen Juchschrei hatte der Teufel vor Freude ausgestoßen, weil er eine arme Seele so leicht und so rasch in seine Krallen bekommen hatte.
Quelle: „Die schönsten Sagen aus dem Sudetenland“ von Margarete Kubelka
Zusammengetragen von Irene Kunc