Das Prager Theaterfestival in deutscher Sprache ist seit 28 Jahren ein absolutes Highlight für Theaterliebhaber in Tschechien. Insbesondere für jene, die das deutschsprachige Theater aus Deutschland, Luxemburg und der Schweiz schätzen. Das diesjährige Festival steht unter dem Motto „Selbst schuld“.
Die gegenwärtige politische und gesellschaftliche Lage in der Welt ist gekennzeichnet von Krisen und Kriegen. Diese angespannte Situation wird sich auch während des diesjährigen Theaterfestivals wieder finden, nicht zuletzt im Motto. Festivaldirektor Petr Štědroň erklärt dazu: „Erneut leben wir in einer Welt voller blutiger Kriege und Konflikte, fahren unsere Waffenarsenale hoch und sind taub – Worte dringen nicht mehr zu uns vor. Es geht nicht um Schuldzuweisungen, sondern darum, sich seine eigene Schuld einzugestehen und einen Ausweg zu suchen.“
Eine Reise nach Wien
Es ist eigentlich schon eine Tradition, dass der Prolog des Theaterfestivals der deutschen Sprache ein Theaterausflug darstellt. Diesmal sollte es ins Wiener Volkstheater gehen, wo sich die Freunde des Schauspiels eine Aufführung von „Ophelia’s Got Talent” verfolgten. Die Autorin des Theaterstücks, die österreichische Choreographin, Regisseurin und Performerin Florentina Holzinger thematisiert darin Fluktuation, Reflexion, Reproduktion, Heilung und Gewalt.
Doughnuts eröffnet das Theaterfestival in Prag
In Prag startet das Theaterfestival deutscher Sprache am 4. November mit einer Inszenierung von „Doughnuts“ durch das Thalia Theater Hamburg. Dieses Stück des japanischen Theaterkünstlers Toshiki Okada nimmt Bezug auf die Technik des japanischen Nō-Theaters. Die zentrale Idee des Theaterstücks ist es, durch das Bild eines Doughnuts die Welt der Hypermoderne darzustellen. Ein Doughnut hat einen äußeren Rand und in der Mitte ein Loch, eine Leerstelle. Dieses soll die Unsicherheit und Verwirrung auszudrücken, die mit der Hypermoderne und dem Verlust von traditionellen Gewissheiten einhergeht. Es symbolisiert die Idee, dass die moderne Welt immer komplexer und unvorhersehbarer wird, was zu einer Notwendigkeit führt, Werte und Denkweisen neu zu definieren und sich an die Außengeschwindigkeit anzupassen.
Feier eines bedeutenden Jubiläums
In diesem Jahr feiert das Theaterfestival auch ein ganz besonderes Jubiläum. Denn der Schriftsteller und Dramatiker und Gründer des deutschsprachigen Theaterfestivals in Prag, Pavel Kohout, feiert in diesem Jahr seinen 95. Geburtstag. Kohout ist weithin bekannt für seine beeindruckende literarische Karriere, in der er zahlreiche bedeutende Werke verfasste. Das Festival wird den Jubilar Pavel Kohout mit seiner tragikomischen Produktion „Sex“ am 10. November ehren. Diese Aufführung wird vom Laientheater ŽUMPA im Theater an den Weinbergen (Divadlo na Vinohradech) präsentiert. Wie Pavel Kohout selbst erklärt, schrieb er „Sex“ in einer Zeit großer Trostlosigkeit, mit dem Ziel, seine Freunde aufzumuntern.
Borchert und Nobelpreisträgerin Ernaux
Im Theater an den Weinbergen wird das Festival mit der Aufführung „Draußen“ aus der Werkstatt des Berliner Ensembles fortgesetzt. Dieses Stück, das, in den Worten seines Autors Wolfgang Borchert, „kein Theater spielen und kein Publikum sehen will“, taucht tief in die Gefühlswelt vieler deutscher Soldaten ein, die im Krieg die Hoffnung auf eine bessere Welt verloren haben.
An einem anderen Veranstaltungsort des Festivals, dem Theater unter der Palmovka (Divadlo Pod Palmovkou), wird das Volkstheater Wien an zwei aufeinanderfolgenden Abenden (am 14. und 15. November) auftreten. Das Stück „Die Scham“ der französischen Nobelpreisträgerin Annie Ernaux drückt das anhaltende Gefühl der eigenen Unwürdigkeit aus. Es handelt von einem Text, der sowohl Mut und Präzision zeigt als auch Zweifel thematisiert.
Auch wird es ein Stück des bekannten französischen Autors Édouard Luis geben. In seinem autobiographischen Werk „Im Herzen der Gewalt“ werden persönliche und gesellschaftliche Aspekte erforscht, die die Themengebiete des Erwachsenwerdens, des Begehrens, der Migration und Rassismus behandeln. Zu sehen sein wird das Stück am 25. und 26. November im Dox.
Der Josef-Balvin-Preis
Am 2. Dezember wird im Divadlo X der Josef-Balvín-Preis präsentiert, mit dem jährlich die herausragendste tschechische Inszenierung eines ursprünglich deutschsprachigen Textes ausgezeichnet wird. In diesem Jahr wird der Preis an die sogenannte Wartesaal-Trilogie von Lion Feuchtwanger verliehen, die aus den Stücken „Der Erfolg“, „Die Geschwister Oppermann“ und „Das Exil“ besteht.
Das Prager Theaterfestival deutscher Sprache wird am 3. Dezember in der La Fabrika mit einer gemeinsamen Produktion des Escher Theaters aus Luxemburg und des St. Pauli Theaters aus Hamburg seinen Abschluss finden. Die Inszenierung trägt den Titel „Im Schatten der Diktatur – Der Schauspieler René Deltgen“ und wurde vom luxemburgischen Regisseur Ulrich Waller geschaffen. Dieses Stück erzählt die Geschichte eines Theaterkünstlers und seine bemerkenswerte Karriere während der Zeit des Nazi-Regimes
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