In Tschechien dürfen Menschen ihren Bezirk nur noch in Ausnahmefällen verlassen. Hilfe kommt nun aus Sachsen, Bayern und Thüringen.
„Guten Morgen, Tschechische Polizei. Wir führen hier an der Landkreisgrenze eine Kontrolle durch. Wohin wollen Sie, bitte?“ So und ähnlich läuft es seit Montagfrüh an Kontrollstellen auf den Straßen in ganz Tschechien ab. Anna G. muss aus ihrem mährischen Wohnort zur Arbeit in den Nachbarkreis und hat sich zum Beleg ihren Arbeitsvertrag mitgenommen. Der Andrang vor der Kontrollstelle hat die 30-Jährige genervt: „Ich habe hier eine Stunde im Stau gestanden. Hoffentlich spielt sich das ein bisschen ein.“ Die Sorge von Anna G. und vieler anderer ist nicht unberechtigt. Die starke Einschränkung der Mobilität soll zunächst einmal drei Wochen dauern.
Die Regierung in Prag ist sich des Ärgers bewusst, den sie bei vielen Leuten auslöst. Doch sie steht unter absolutem Zugzwang. Tschechien gehört zu den Ländern mit der höchsten Corona-Inzidenz weltweit. Mehr als 7.000 Betten in den Kliniken sind belegt, die Zahl der schweren Fälle hat genau an diesem Jahrestag der ersten in Tschechien registrierten Infektionen einen neuen Höchststand erreicht. „Wir müssen handeln, wenn wir der Welt kein zweites Bergamo zeigen wollen“, mahnte Premier Andrej Babiš.
Tausende Kräfte sollen kontrollieren
Tausende Angehörige der Polizei, der Armee und des Zolls sind für die Kontrollen zuständig. Quasi jeder, der eine Uniform trägt – sieht man von Feuerwehrleuten ab. Die Industrie ist der einzige Bereich, der von den neuen Einschränkungen des Lebens ausgenommen ist, die den sonstigen Alltag von jetzt ab bestimmen. Forderungen der Gewerkschaften nach der zeitweisen Stilllegung von Betrieben verhallten ungehört.
Die Betriebe sind jedoch verpflichtet worden, ihre Belegschaft mindestens einmal in der Woche auf COVID-19 zu testen. Firmen, die sich dem widersetzen, drohen empfindliche Geldstrafen oder sogar die Schließung. Für die Mitarbeiter sind die Tests derzeit noch freiwillig. Doch die könnten binnen der drei Wochen auch noch verpflichtend werden. Gerade Arbeitsstätten hatten sich als Hotspots erwiesen. Einer Umfrage zufolge fuhren bis zu 46 Prozent der Tschechen, die Anzeichen einer Infektion spürten, weiter zur Arbeit, weil sie finanzielle Einbußen in drohender Quarantäne fürchteten. Die Tests sollen dem ein Ende bereiten.
Außerhalb der Betriebe ändert sich das Bild seit Montag vor allem, weil in bebauten Gebieten, also vor allem in den Städten, die Leute wieder zumindest OP-Masken tragen. Innerhalb von Gebäuden und in den öffentlichen Verkehrsmitteln müssen es die wirksamsten FFP2-Masken sein, die es jedoch nach wie vor nicht ausreichend zu kaufen gibt. Doch es gibt eh kaum Gründe, aus dem Haus zu gehen. Einkaufen kann man nur das Nötigste in Lebensmittelgeschäften, Apotheken und ausgesuchten Spezialläden, beispielsweise für Tierfutter. Die nächtliche Ausgangssperre gilt weiter zwischen 21 und 5 Uhr. Gassi gehen ist in diesem Zeitraum nur in einem Umkreis von 500 Metern von der Wohnung entfernt erlaubt. Zugesperrt sind auch Schulen und Kindergärten. Restaurants dürfen aus Fenstern Essen verkaufen.
Deutschland spendet 15.000 Impfdosen
Die Regierung zeigt sich mittlerweile dankbar auch für ausländische Hilfe. Sachsen, Bayern und Thüringen spenden 15.000 Impfgaben, wie die Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) und Markus Söder (CSU) am Montag bei der Vorstellung eines gemeinsamen Plans zur Corona-Bekämpfung bestätigten. Söder sprach vom „Herz Europas“, das derzeit besonders leide. Wenn Tschechien seine Pendler impfen würde, käme das auch den deutschen Nachbarn zugute. Kretschmer sagte, man dürfe in dieser Zeit „nicht vergessen, auch für andere da zu sein“.
Unterdessen hat sich der Bürgermeister von Eger (Cheb), Antonín Jalovec, schriftlich bei seinem Tharandter Kollegen Silvio Ziesemer für dessen Solidaritätserklärung mit seiner von Corona geschundenen Stadt bedankt. Ziesemer hatte nach einem sächsische.de-Artikel über die Lage in der westböhmischen Stadt dem Bürgermeister von Eger ein Schreiben geschickt, in dem er die Verbundenheit Sachsens mit den tschechischen Nachbarn betont hatte.
Jalovec würdigte den Brief aus Deutschland als „wunderschönen Ausdruck von Menschlichkeit und der Zusammengehörigkeit in Europa“ und als „wirksame Medizin gegen Skepsis und Apathie“ in Tschechien. Das Schreiben habe bei vielen Tschechen Dankbarkeit ausgelöst. Der Bürgermeister von Eger äußerte abschließend die Hoffnung, in wieder „normalen Zeiten“ seinem Amtskollegen auch persönlich danken und ihm – „wie das früher üblich war“ – auch wieder die Hand schütteln zu können.