Die Verlängerung des Notstands bis Anfang Dezember ist so gut wie sicher. Doch was passiert, wenn die Infektionszahlen dann immer noch nicht stagnieren?
Es sind Herbstferien in Tschechien. Die zwei freien Tage zwischen Nationalfeiertag am Mittwoch und Wochenende wurden wegen der Coronapandemie noch um die zwei ersten Tage der Woche verlängert. Für die Schüler bedeutet das eine willkommene Pause von der digitalen Bestrahlung, sprich dem Sitzen vor dem Computer zu Hause.
Doch rein äußerlich ist davon nichts zu merken. Die Kinder wären auch ohne Corona jetzt nicht in der Schule. Und die Eltern sind nicht auf Arbeit, die meisten haben schon wieder auf Homeoffice umgestellt oder arbeiten gar nicht, weil sie die Kinder betreuen müssen.
Die letzte Nacht war zudem die erste, in der eine nächtliche Ausgangssperre herrschte. Zwischen 21 Uhr und 4.59 Uhr morgens hatte niemand mehr etwas auf der Straße zu suchen. Es sei denn, man nennt einen Hund sein eigen. Mit dem darf man auch in dieser Zeit Gassi gehen, wenn das erforderlich ist. Die Tschechen sind als Hundeliebhaber bekannt. Die Hundedichte ist hier höher als anderswo, gerade auch in den Städten. Eine richtige Ausgangssperre ist das also nicht.
Kein Einkaufen mehr am Sonntag
Härter in den Alltag greifen dagegen die Einschränkungen im Einzelhandel ein. Bisher waren Lebensmittelhändler, also Supermärkte sowie Drogerien, Apotheken und andere Läden mit täglichem Bedarf, von den Ladenschließungen ausgenommen. Doch seit dieser Woche dürfen die Märkte wie sonst üblich an Sonntagen nicht mehr öffnen. Und abends ist neuerdings schon 20 Uhr Schluss.
Schon jetzt ist abzusehen, dass die Regierung bei den Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus die Schrauben weiter anziehen wird. Am Dienstag endet der Notstand, die Regierung hat bereits angekündigt, im Parlament eine Verlängerung bis zum 3. Dezember zu beantragen. Den ersten Notstand kann die Regierung selbst verhängen, für jeden weiteren muss sie das Parlament um Zustimmung bitten. Auch Parteien der Opposition haben bereits angekündigt, einer Verlängerung zuzustimmen.
Mit der Verlängerung des Notstands geht die Frage einher, ob Tschechien auf einen vollständigen Lockdown zusteuert. Das würde auch einen mehrwöchigen Stillstand auch der Wirtschaft bedeuten. Noch gebe es dafür keine Mehrheit in der Regierung, schreibt die Tageszeitung Hospodářské noviny. Aber sollten sich die Infektionszahlen weiter so negativ entwickeln, sei auch dieser Schritt nicht ausgeschlossen, heißt es.
Grenzschließung ist kein Thema
Kein Thema ist dagegen eine Grenzschließung wie noch im Frühjahr. Ausländer dürfen ohnehin keine touristischen Reisen nach Tschechien mehr unternehmen. Im Grenzgebiet zu Bayern und Sachsen besteht noch die Möglichkeit, für 24 Stunden ohne Test auszureisen. Umgekehrt dürfen Deutsche für 48 Stunden einreisen. Doch auch hier gibt es bereits Einschränkungen. Bayern hat begonnen, Pendler zu testen. In Sachsen könnte der kleine Grenzverkehr auf wenige Ausnahmen beschränkt werden. Kontrolliert wird das aber bisher nicht, wie auch sonst in Tschechien die Einhaltung der Maßnahmen nur wenig kontrolliert wird.
Bis jetzt ist bei den Infektionszahlen keine Entwarnung abzusehen. Am Mittwoch wurden 12.977 neue Fälle gemeldet. Das war zwar deutlich weniger als am Dienstag, aber für einen Feiertag lagen die Zahlen höher als sonst an Samstagen oder Sonntagen. Seit Beginn der Pandemie haben sich in Tschechien fast 300.000 Menschen angesteckt. Derzeit sind 175.000 Menschen infiziert, davon werden 6.624 in Krankenhäusern behandelt. 2.675 Menschen sind seit Beginn der Krise gestorben.
Schon jetzt hat Bildungsminister Robert Plaga (ANO) angekündigt, ab Montag auch die sogenannten Spezialschulen zu schließen. Dort lernen lernbehinderte Kinder, aber häufig auch Kinder, die der Roma-Minderheit bzw. sozial schwachen Familien angehören. Bildungsexperten und soziale Organisationen fordern regelmäßig eine verstärkte Inklusion und Abschaffung der Schulen. Ein Übergang auch dieser Kinder in den Heimunterricht dürfte die schwierige Situation benachteiligter Kinder noch verschärfen.
Noch-Gesundheitsminister Roman Prymula musste ohnehin eingestehen, dass die versprochene Öffnung der Schulen zum 3. November nicht realistisch sei. Die Kinder bleiben also weitere Wochen zu Hause. Einzig Kindergärten sind noch geöffnet sowie ausgewählte Schulen, in denen Kinder von Mitarbeitern des Gesundheitswesens unterrichtet werden.
Neuer Gesundheitsminister
Roman Prymula selbst tritt heute ab. Staatspräsident Miloš Zeman will heute seinen Nachfolger, den Hematologen Jan Blatný zum neuen Gesundheitsminister ernennen. Blatný ist bereits der dritte Gesundheitsminister innerhalb weniger Wochen und von Hause aus kein Politiker. Das war seinem Vorgänger Roman Prymula schon zum Verhängnis geworden. Gleichzeitig hat Prymula eine weit stärkere Durchsetzungskraft, was schon mehrfach das Missfallen von Premierminister Andrej Babiš hervorgerufen hat. Da Prymula zugleich einen starken Rückhalt bei Präsident Miloš Zeman hat, dürfte der als Hardliner bei den Coronamaßnahmen bekannte Epidemiologe nicht ganz verschwinden, sondern in der zweiten Reihe weiter mitmischen.