Autor Jan Šebelka hat ein Buch über Gustav Ginzel, den Besitzer des Misthauses in Klein Iser geschrieben, das bald auch auf Deutsch erscheint. Mit ihm sprach das LandesEcho.
Vor fünf Jahren kam in Reichenberg (Liberec) ein Buch über Gustav Ginzel heraus. Darin erzählt der Reichenberger Journalist und Schriftsteller Jan Šebelka dessen Lebensgeschichte anhand von Erinnerungen von Freunden und Menschen, die den sudetendeutschen Bergsteiger, Globetrotter und besonderen Bewohner des Misthauses in Klein Iser (Jizerka) kannten. Der Band war sehr erfolgreich. Nach zwei Jahren musste der Verfasser eine neue erweiterte Ausgabe herausbringen und nun wird Šebelkas ursprüngliche Idee, das Buch auch in deutscher Sprache auf herauszugeben, verwirklicht.
LE Schon bei der ersten Präsentation des Buches, sprachen Sie davon, dass Sie es gerne auch den deutschen Lesern anbieten wollen. Warum?
Man schätzt, dass 90 Prozent der Gäste des weltberühmten Misthauses Deutsche waren. Ich selbst bin überzeugt, dass Gustav Ginzel für die deutsch-tschechischen Beziehungen viel mehr als verschiedene andere Vereine und damalige offizielle Stellen getan hat. Wenn ein Buch der deutschen Übersetzung wert ist, dann gerade dieser Band.
Bald erscheint das Buch „Gustav Ginzel. Ein Sonderling, der die Welt verschönerte“ von Jan Šebelka auch in deutscher Sprache. Foto: Haus der deutsch-tschechischen Verständigung in Reinowitz
LE Wie kamen sie auf die Idee, ein Buch über den Sonderling Gustav Ginzel zu schreiben? Wer hat ihn als erstes einen Sonderling genannt?
Die Benennung geht auf den Schriftsteller Miloslav Nevrlý zurück, Autor des geachteten „Buches über das Isergebirge“ („Kniha o Jizerských horách“). Zu dem Einfall, ein Buch über Ginzel zu schreiben, brachte mich mein ältester Enkel. Nach seinem Besuch in Klein Iser fragte ich ihn, ob ihm sein Vater auch das Misthaus gezeigt habe. Die Antwort war „nein“. Er wusste nichts über das Misthaus und hatte auch keine Ahnung, wer Gustav Ginzel war. Das war 2013, fünf Jahre nach Gustavs Tod! Damals kam ich zu der Entscheidung, dass es höchste Zeit ist, die Leute, die Gustav kannten, anzusprechen.
LE In dem Buch erinnern sich Dutzende Menschen an Ginzel. Wie gelang es Ihnen, alle diese Zeitzeugen zu finden und anzusprechen?
Es war wie eine Pyramide. Oben an der Spitze war Mila Nevrlý. Der gab mir ein paar Kontakte zu seinen Freunden. Als ich sie angesprochen habe, erinnerten diese sich an die nächsten, und so weiter… Jedenfalls sammle ich weiter und freue mich vor allem auf die Geschichten der deutschen Zeitzeugen.
LE Kannten Sie Gustav persönlich?
Als Journalist habe ich mich mit ihm mehrmals getroffen. Vor allem nach 1995, als ihm das Misthaus ausbrannte. Das war alles. Es war mein Handicap. Eine seiner Bekannten hat mir später verraten, dass die Freunde von Gustav geschockt waren, dass ich über ihn schreiben möchte. Sie hatten das Gefühl, dass ich, ein Fremder, ihnen den Gustav wegnehmen wollte. „Wer ist denn dieser Šebelka“, fragten sie. „Er möchte über unseren Gustav schreiben, ohne ihn persönlich zu kennen.“
LE Beim Sammeln von Erinnerungen, Fotos oder Gesprächen von Zeitzeugen mussten Sie den Gustav doch etwas kennenlernen. Was überraschte sie dabei?
Am Anfang meinte ich: Nun werde ich lauter lustige Geschichten sammeln. Ich wusste, dass er ein großer Lebenskünstler und auch ein bisschen Narr war. Ich meine, er war ein Sonderling, der nach dem Isergebirgs-Langlauf Würste, die die Teilnehmer des Wettbewerbes weggeworfen hatten, sammelte und viele andere wahnsinnige Dinge machte. Wer wäre sonst zum Beispiel auf einem Fahrrad in einen Misthaufen gesprungen? Aber sehr schnell kam ich bei meiner Arbeit darauf, dass Gustav ein gebildeter Mensch mit phänomenalem Gedächtnis und besonderer Orientierung im Terrain war. Er war eine vielfältige Persönlichkeit, ein besonderer Erzähler. In Dresden füllte er einmal einen Saal mit 1200 Personen. Wem ist so etwas gelungen? Seine Lebensgeschichte würde sich auch für einen Film eignen.
LE In Tschechien kam das Buch vor fünf Jahren heraus. Ist die Pause zwischen der deutschen und tschechischen Fassung nicht zu groß? Die Zeitzeugen werden immer weniger…
Stimmt. Viele von ihnen sind inzwischen schon nicht mehr da. Schneller haben wir aber keinen deutschen Verlag gefunden, dann mussten wir uns auf die eigene Initiative verlassen. Das Buch wird vom Haus der deutsch-tschechischen Verständigung in Gablonz herausgegeben, dessen Partner in dem Vorhaben ist die Sächsische Zeitung. Gefördert haben das Projekt der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds und der Bezirk Reichenberg. In dieser Hinsicht sind die fünf Jahre eine gar nicht so lange Zeit.
LE Wann kommt das Buch also heraus?
Anfang September. Endlich.
Das Gespräch führte Petra Laurin
Gustav Ginzel (1932-2008) war Geologe, Bergsteiger, Bergführer, Skiläufer, Höhlenforscher, Naturschützer, Buchautor, Lebenskünstler und Naturfotograf. Er kaufte ein verfallenes, als Stall genutztes Wohnhaus in Klein Iser, schwemmte mittels eines umgeleiteten Bächleins zentnerweise den Mist aus dem Gebäude und machte es so zum berühmten Misthaus.