Am 27. Juni jährt sich die Hinrichtung der tschechoslowakischen Politikerin Milada Horáková, die in einem politischen Schauprozess wegen Hochverrat verurteilt wurde, zum 70. Mal. In Prag und ganz Tschechien wird an die Widerstandskämpferin erinnert, unter anderem wird Horákovás damalige Rede vor dem Gericht in der Prager Metro übertragen.
Milada Horáková wurde 1901 in Prag geboren und war eine tschechoslowakische Abgeordnete der gemäßigten Tschechoslowakischen Volkssozialistischen Partei (Československá strana národně socialistická, kurz: ČSNS), Widerstandskämpferin und Frauenrechtlerin. Sie beteiligte sich ab 1939 vor allem am Widerstand gegen die nationalsozialistische Besetzung der Tschechoslowakei, wurde bereits nach kurzer Zeit von der Gestapo verhaftet, verbrachte zwei Jahre im Gefängnis Pankrác und wurde auch im KZ Theresienstadt festgehalten. Ihr Weg führte sie weiter nach Leipzig, wo sie Zwangsarbeit in einer Munitionsfabrik leisten musste. Schließlich wurde sie in Dresden von den Nazis zum Tode verurteilt, aber 1945 von der US Army befreit. Nach ihrer Befreiung agierte sie gegen die Kommunistische Partei und trat für politischen Pluralismus ein. Am 27. Juni 1950 wurde sie als Regimekritikerin in einem Schauprozess wegen „Hochverrat“ und „umstürzlerischem Verhalten“ während der politischen Prozesse in der Tschechoslowakei zum Tode verurteilt und hingerichtet. Laut Historikern sei ihre Hinrichtung per Strangulation besonders grausam gewesen, da erst nach fünfzehn Minuten der Tod eintrat. Viele bekannte Persönlichkeiten, darunter Albert Einstein oder Eleanor Roosevelt setzten sich vergebens für ihre Begnadigung ein. Horáková trat zeitlebens für politischen Pluralismus ein, der ihrer Meinung nach essentiell war, um Freiheit und Individualismus zu schützen.
Rehabilitierung ab den späten 1960er
Im Jahr 1968, in der Endphase des Prager Frühlings, hob das höchste Gericht der ČSSR das Urteil postum auf. Ihr Fall wurde durch die Staatsanwaltschaft erneut geprüft. Erst über zwanzig Jahre später nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wurde Horáková vollständig rehabilitiert. Ihre Anklägerin Ludmila Brožová-Polednov wurde später vom Obersten Gericht in Prag zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt, wobei sie nach knapp zwei Jahren in Haft begnadigt wurde. Postum wurde Horáková der Tomáš-Garrigue-Masaryk-Orden 1. Klasse verlieren, der zu einer der höchsten staatlichen Auszeichnungen zählt. Erst dieses Jahr erhielt sie von der slowakischen Staatspräsidentin Zuzana Čaputová den Orden des Weißen Doppelkreuzes 1. Klasse. An ihrer Hinrichtungsstätte im Gefängnis Pankratz (Pankrác) im Süden von Prag wurde ein Denkmal mit ihrer Büste errichtet. Außerdem gibt es eine Filmbiografie über sie mit dem Titel „Milada“, die 2017 den Böhmischen Löwen (Český lev), einen tschechischen Filmpreis, erhielt. Heute gilt sie als Märtyrerin für die Freiheit.
Gedenkaktion zum 70. Jahrestag
An mehreren Dutzend Gebäuden in Prag sind Banner mit Horaková zu sehen, z.B. auch am Nationalmuseum. Die Banner tragen die Aufschrift „Getötet von Kommunisten“ („Zavražděna komunisty“). Foto: Stephanie Bergwinkl
Anlässlich des 70. Jahrestags ihrer Hinrichtung hat die Organisation Dekomunizace eine Initiative gestartet, die unter anderem von der Hauptstadt Prag, darunter auch dem Bürgermeister Zdeněk Hřib unterstützt wird. „Es ist unsere Pflicht, an ihre Geschichte zu erinnern und sie vor denen zu verteidigen, für die die Wahrheit bis heute unangenehm ist“, so der Bürgermeister. Zur Erinnerung an das Ereignis wird am heutigen Freitag (26. Juni), dem Tag vor ihrer Hinrichtung, mehrmals täglich eine Audiocollage authentischer Aufzeichnungen aus dem Prozess gegen Horáková über Lautsprecher und Anzeigen in der Prager Metro sowie die städtischen Sirenen ausgestrahlt. Daneben finden viele weitere Aktionen zu ihrem Gedenken statt. Die Hauptstraße in Prag 7, die nach Horáková benannt ist, wird mit Porträts geschmückt sein. Zudem werden Banner mit ihrem Porträt und der Aufschrift „Von Kommunisten ermordet“ („Zavražděna komunisty“) an dutzenden Gebäuden in Prag wie dem Nationalmuseum (Národní muzeum) oder an der Juristischen Fakultät der Karlsuniversität, wo Horáková studierte, aufgehängt. Jeder Bürger, jede Institution, jede Schule oder jedes Rathaus im ganz Tschechien kann sich an der Gedenkaktion beteiligen, in dem sie an den Tagen vor und nach dem 27. Juni eine schwarze Fahne hissen.
Mehr Informationen zur Gedenkveranstaltung finden Sie auf der Webseite der Aktion.