Sie ist Kunstwerk und Geschichte zugleich: die Prager John-Lennon-Mauer. Nur wenige Schritte entfernt von der Karlsbrücke ist auch sie zu einer Besucherattraktion geworden. Doch durch touristische „Schmierereien“ verliert ihre ursprüngliche Bedeutung an Wert. Nun soll sich etwas ändern.
Die Geschichte nimmt ihren Anfang mit dem Ende von John Lennon. 1980 wurde der britische Musiker erschossen. In Erinnerung an ihn malte ein Unbekannter in der Nacht nach seinem Tod ein Porträt von ihm an eine Mauer auf der Prager Kleinseite. Diese steht gegenüber der französischen Botschaft und ist die Außenmauer des maltesischen Klosters „St. Maria unter der Kette“ („Panny Marie pod řetězem“). In der kommunistischen Tschechoslowakei war das ein Akt der Rebellion, denn westliche Musik war verpönt, von einer Erinnerungsmauer für einen westlichen Musiker ganz zu schweigen.
Zu Lennons Gesicht kamen Zitate aus seinen Songtexten, wie „All you need is love“, „Give Peace a chance“ oder der Ohrwurm „You may say I’m a dreamer, but I’m not the only one“ dazu. Auch politische Parolen oder das Peace-Zeichen schrieben und malten die Prager in diversen Farben an. Von der weißen Mauer war schnell nichts mehr zu sehen. 1988 kam es auf der Karlsbrücke sogar zu einer Auseinandersetzung von kommunistischen Sicherheitskräften mit Studenten, die sich zu deutlich auf der Mauer gegen die Regierung aussprachen.
Mit ihren Parolen gegen die Politik der Kommunisten ist die Mauer somit ein Stück Zeitgeschichte. Gewesen. Denn die Kommunisten ließen die Mauer übertünchen. Aber es dauerte nie lange und die Mauer sah wieder aus wie zuvor. 1998 wurde die Klostermauer wieder weiß gestrichen, aber auch diesmal gab es bald wieder Parolen, Songtexte und ein Bild von John Lennon. Zum letzten Mal kam 2014 neue weiße Farbe auf die Mauer. Von einer Studentengruppe, die dazu den Text „Wall is over“ sprühte. In Anspielung auf das Lied „Happy Christmas – War is over“ von Lennon. Nach und nach kommen neue Graffitis, Zeichnungen und Sprüche im „alten Geist“ hinzu.
Inzwischen hat die Mauer leider viel von ihrem friedensbewegenden Charme verloren. Viele Graffitis sind hinzugekommen, die nichts mehr mit der ursprünglichen Bedeutung zu tun haben und nur noch Schmierereien sind. Trotzdem warten geduldig Touristen vor der Mauer, bis genug Platz frei ist, um sich zu fotografieren. Andere gehen allerdings weiter und verewigen sich direkt mit ihrem Namen. Einige Agenturen gingen sogar soweit, den Touristen Stifte und Farben in die Hand zu drücken und sie so zum Bemalen der Mauer zu bewegen.
Die Bewohner der Moldauinsel Kampa äußerten sich besorgt über den Zustand der Mauer und beschwerten sich über die Zerstörung dieses historisch bedeutsamen Ortes. Das tschechische Fernsehen berichtete davon, dass die Touristen auch über die Mauer hinaus Immobilien oder Autos beschädigt hätten. Der Eigentümer der John-Lennon-Mauer, der Malteserorden, hat vor Kurzem beschlossen, dass sich das ändern soll.
Die John-Lennon-Wall soll renoviert werden, um wieder zu ihrem ursprünglichen Charakter zurückzufinden. Anstelle wilder Kritzeleien und missglückter Graffitis soll auf ihr nun eine Galerie von Streetart-Künstlern ihren Platz finden, das Besprühen der Mauer fortan nicht mehr erlaubt sein. Um sicher zu gehen, will man auch ein Kamerasystem installieren, welches die bei Touristen noch immer sehr beliebte Attraktion überwachen soll. Außerdem sollen die Besucher vor Ort bald über die Geschichte und Bedeutung der John-Lennon-Mauer informiert werden.
An den Touristenströmen, die an der Mauer vorbeiziehen und anstehen, um Fotos zu machen, werden diese Maßnahmen wohl nichts ändern. Dass nun aber das Erinnerungsfoto von der Mauer reichen muss und eine persönliche Verewigung nicht mehr möglich ist, zeigt einmal mehr: Prag und seine Bewohner fordern von ihren Touristen endlich einen respektvollen Umgang mit den Denkmälern und Sehenswürdigkeiten der Stadt.
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