Nomen est omen. Die Ackermann-Gemeinde knüpft namentlich an eines der grundlegendsten Werke der mittelalterlichen deutschen Literatur an, den „Ackermann aus Böhmen“. Verfasst wurde es von Johannes von Saaz, tschechisch Janz z Žatce, und beschreibt ein leidenschaftliches Streitgespräch zwischen einem Ackermann mit dem Tod und eigentlich auch mit Gott, darüber, warum seine junge, schöne Frau nach der Geburt ihres Kindes sterben musste. Es geht um die Frage der Gerechtigkeit. Am Ende findet sich der Ackermann aber durch das Treffen mit Gott mit dem Schicksalsschlag ab und akzeptiert ihn.
Gerade die Akzeptanz der Vertreibung aus Tschechien sowie ihre Überwindung durch einen tief christlichen Glauben und Vergebung sind vielleicht Grundlage dessen, dass die Versöhnung zwischen Tschechen und Deutschen gerade in der christlichen Ackermann-Gemeinde weiter vorangeschritten ist, als in anderen Foren, wo sich vertriebene böhmische und mährische Deutsche, ihre Nachfahren und Tschechen begegnen. Weiter, als nur bei der Versöhnung, sondern schon bei der gemeinsamen Bemühung um eine einvernehmliche Zukunft, deren Basis unsere gemeinsame Europäische Union ist. Bei der tschechischen Katholischen Wochenzeitung erklärte dieses Ansinnen der heute schon deutsch-tschechischen Gemeinschaft der Ackermann-Gemeinde vor einigen Jahren einer der geistigen Väter der Erneuerung der Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen, Monsignore Anton Otte. „Ich habe den Eindruck, dass es genug Entschuldigungen und Bedauern gab – ich erinnere hierbei vor allem an den Briefwechsel zwischen der tschechischen und deutschen Bischofskonferenz und die folgende tschechisch-deutsche Erklärung, in der die Entschuldigung klar ausgesprochen wird,“ sagte Otte.
Im Zeichen Europas
Das große Treffen der deutschen und tschechischen Ackermann-Gemeinde im malerischen, bayerischen Landshut unter dem Motto „Europa 1989 – 2019. Mut zur Zukunft“, das Anfang des Monats stattfand, zeigte die Bereitschaft tschechischer und deutscher Christen, vor allem über die Zukunft zu sprechen. Darüber, wie man sicherstellt, dass die Europäische Union zu unserem wirklichen, gemeinsamen Zuhause wird, in dem Tschechen und Deutsche aus Tschechien und deren Nachfahren wieder das finden, was man eine gemeinsame, europäische Heimat nennen könnte.
In dem Dokument, dass von den einigen hundert Ackermann-Gemeinde-Mitgliedern in Landshut verabschiedet wurde, erinnert man daran, dass der aktuelle Zustand der EU nicht so gut ist, wie man sich das vor dreißig Jahren, als der Eiserne Vorhang fiel, vorgestellt hatte. „Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der kommunistischen Regime in Europa überwog der Glaube an eine gemeinsame Zukunft voller Frieden und Freiheit. Dieser Optimismus verfliegt jedoch zusehends. Darum rufen wir zu Mut und Hoffnung auf, da es sinnvoll ist, gemeinsam Europa zu erschaffen,“ wird in dem Dokument erklärt. Es wird auch aufgezeigt, was als wichtigste Bedrohung für die gemeinsame Zukunft angesehen werden muss. „Der Nationalismus verursacht nicht nur heute Spaltungen, sondern auch in der Vergangenheit. Im 20. Jahrhundert verursachte er zwei weltweite Katastophen. Der nationale Egoismus schwächt und lähmt Europa,“ warnt der Text. Zudem wird darauf hingewiesen, dass der christliche Glaube zu Solidarität und Mitgefühl aufruft. Also etwas, was gerade in der heutigen tschechischen Realität nicht gerade selbstverständlich ist, wie sich unter anderem während der Migrationskrise zeigte.
Glaube verbindet
Das Treffen hatte neben der geistigen und politischen auch eine große böhmisch-kulturelle Dimension, die bei den Veranstaltungen für die Öffentlichkeit sowohl Einwohner als auch Besucher des sommerlichen Landshuts freudig annahmen. An den vier Tagen des Treffens der Ackermann-Gemeinde schien es fast unwichtig, woher jemand nach Landshut angereist war, welcher Nationalität er war und welche seine Muttersprache ist. Viele böhmische Deutsche sprachen, oder bemühten sich zumindest, Tschechisch zu sprechen, von den anwesenden Tschechen ganz zu schweigen. Tschechisch und deutsch war dann auch die öffentliche Sonntagsmesse in der majestätischen St. Martin-Kirche.
Zeitweise hatte man den Eindruck, dass man sich irgendwo im tschechischen Grenzgebiet befand, in Brünn, Olmütz, oder dem Prager Stadtzentrum vor hundert Jahren, zu einer Zeit, als neben dem „Nebeneinander“ viel mehr das „Miteinander“ der Tschechen und böhmischen und mährischen Deutschen funktionierte. Denn das, was den tschechischen und sudetendeutschen Christen in der Ackermann-Gemeinde gelang, ist die wirkliche Vereinigung von Menschen zweier Nationen, zweier Sprachen, aber einer Kultur und jetzt auch hoffentlich in Zukunft auch eines Europas, einer Europäischen Union. Und auch eines Glaubens, wie mir eine Teilnehmerin sagte, was die überhaupt stärkste Verbindung der Ackermann-Gemeinde-Mitglieder ist. Und das half auch bei der Überwindung der schweren und tragischen Vergangenheit, die Tschechen und Deutschböhmen in den vergangenen hundert Jahren gemeinsam und getrennt voneinander durchlebten und es gab ihnen die Kraft, sich erneut für eine gemeinsame Zukunft einzusetzen. Nebenbei, es war der christliche Glaube, der den ursprünglichen Gründern der Gemeinschaft, die wir heute Europäische Union nennen, die nötige Kraft verliehen hatte.
Der Autor ist Redakteur der Tageszeitung Deník.
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