Vor einem Vierteljahr hatte der tschechische Kulturminister Antonín Staněk den international geschätzten Chef der Prager Nationalgalerie, Jiří Fajt, entlassen. Der habe sich angeblich im Amt bereichert, was bis heute unbewiesen ist. Mit seinem Schritt tat der Minister aber Präsident Miloš Zeman einen großen Gefallen, der Fajt nicht ausstehen kann.

 

Fajt hatte einst Zemans Amtsführung kritisiert. Im Gegenzug weigerte sich Zeman, den anerkannten Kulturpolitiker zum Professor zu ernennen. 

Als die Entlassung Fajts im Ausland Proteste hervorrief, beschlossen die Sozialdemokraten, ihren kritisierten Minister zurückzuziehen und durch einen neuen zu ersetzen. Sie nominierten mit dem stellvertretenden Parteichef Michal Šmarda einen Nachfolger. Premier Andrej Babiš bat Zeman, die Personalie abzusegnen. Normalerweise dauert ein solch rein protokollarischer Vorgang maximal drei Tage. In Tschechien geht dieser Akt jetzt freilich schon in den dritten Monat. 

Zeman wollte zunächst nicht einsehen, weshalb er einen „überaus erfolgreichen Minister“ abberufen solle, wo der doch „Korruption“ in der Nationalgalerie aufgespürt habe. Ein solcher Minister verdiene im Gegenteil einen Orden. Außerdem verfüge der potentielle Nachfolger Šmarda über keinerlei Erfahrung im Kulturbereich.

Der Verfassung nach hat der Präsident aber kein Recht, Personalvorschläge abzulehnen. Er hat sie vielmehr innerhalb kürzestmöglicher Zeit umzusetzen. Zeman verweist darauf, dass auch seine Vorgänger Václav Havel und Václav Klaus immer mal Bedenken über Ministeranwärter geäußert hätten. Das stimmt. Beide hatten aber am Ende immer die Vorgeschlagenen inthronisiert. 

Zeman sieht sich zudem in einer stärkeren Position als seine beiden Vorgänger. Anders als die sei er als erster Präsident nicht vom Parlament, sondern direkt vom Volk gewählt worden. Damit stünden ihm automatisch größere Vollmachten zu. Das wird von allen bestritten, vor allem von den Mitgliedern des Verfassungsgerichts. Sie, und nicht nur sie, beklagen, dass Zeman durch die Hintertür aus der parlamentarischen eine zumindest „halbe Präsidialdemokratie“ in Tschechien machen wolle.

Tschechiens Verfassung öffnet dafür einige Hintertürchen. Sie ist an die französische Verfassung angelehnt und gibt dem Präsidenten beispielsweise ein hohes Maß an Mitbestimmung in der Außenpolitik. Im Fall Zemans ist das ein Problem, weil dessen Vorliebe für Russland und China – von denen man viel lernen könne, wie er sagt – von der Regierung und vom Außenministerium in keiner Weise geteilt wird. 

Zurück zum aktuellen Fall: Seit Wochen beknien Babiš und der Chef der mit ihm koalierenden Sozialdemokraten, Jan Hamáček, den Präsidenten, endlich die Causa Kulturminister mit der Vereidigung des neuen Mannes zu beenden. Zeman aber weigert sich. Und die Gegenwehr ist lasch. Die Sozialdemokraten drohten zwar wiederholt, die Regierung wegen des Falls zu verlassen. Aber sie verlängern ihr „Ultimatum“ immer neu, weil sie Neuwahlen fürchten müssen. 

Regierungschef Babiš, eigentlich der mächtigste Mann in Prag, kuscht auch regelmäßig. Babiš ist auf Zeman angewiesen. Sollte er in Tschechien wegen des Vorwurfs des Betrugs mit EU-Subventionen verurteilt werden, könnte ihn nur der Präsident begnadigen. Und nur Zeman könnte ihn als einziger auch nach Wahlen wieder zum Premier ernennen. 

Ein Rückzug der Sozialdemokraten aus der Regierung würde Zeman auch gefallen. Er ist immer noch rachsüchtig gegenüber seiner einstigen Partei, weil die ihn 2003 (!) bei der Wahl zum Präsidenten gegen Václav Klaus hat durchfallen lassen. Zeman unterhält beste Beziehungen zur ausländerfeindlichen Partei des Tschecho-Japaners Tomio Okamura. Die würde sofort der Regierung beitreten. Dann wäre ein Regierungschef Babiš von der extremen Rechten und den alten Kommunisten abhängig – und noch mehr als bisher vom Wohlwollen Zemans. Dass er damit große Teile der Tschechen gegen sich aufbringen würde, würde Zeman erfreuen. Das entspricht seinem seltsamen Politikstil, den seine Fans lieben und der da lautet: „Viel Feind, viel Ehr“. 

Dass jetzt der Senat, die zweite Kammer des Parlaments, eine Verfassungsklage gegen Zeman eingereicht hat, stört ihn nicht. Im Abgeordnetenhaus, das weiß er, bekommt die Klage nicht die erforderliche Unterstützung. Damit kann der Präsident weiter seine Kreise ziehen und die Verfassung munter weiter unterminieren. Neuester Stand nach dem jüngsten Gespräch mit Babiš am Mittwoch: Den bisherigen Kulturminister würde er wohl Ende Juli abberufen. Aber über dessen Nachfolger müsse er noch bis Mitte August nachdenken. Tschechiens übrige Politiker könnten sich schönere Ferien vorstellen.


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