Das Buch „Mit Baťa im Dschungel“ der Autorin Markéta Pilátová folgt der Spur von Jan Antonín Baťa (1898–1965), einem der erfolgreichsten tschechoslowakischen Unternehmer. Sie verläuft bis in den brasilianischen Urwald, wo er sich in den Kriegsjahren niederließ, um seine unternehmerischen Ideen fortzusetzen.
Das später weltbekannte Schuhimperium „Baťa“ nahm seinen Anfang 1894 in der mährischen Stadt Zlín. Gründer war Tomáš Baťa (1876–1932), der als Geschäftsmann und Bürgermeister zugleich später außer zwei modernen Schuhfabriken in Zlín auch Arbeitersiedlungen, Schulen, Krankenhäuser, Kulturzentren, wissenschaftliche Institutionen und Filmateliers bauen ließ. Nachdem er bei einem Flugzeugunglück ums Leben kam, trat sein Halbbruder, Jan Antonín Baťa, an seine Stelle. Nach der Okkupation der Tschechoslowakei musste dieser vor den Nazis fliehen. Seine Rückkehr in die Heimat verhinderte die kommunistische Machtergreifung von 1948. Obwohl er viele jüdische Mitarbeiter vor den Nazis retten konnte, wurde er von den Kommunisten als Volksverräter und Nazi-Kollaborateur verunglimpft. Aus verschiedensten Gründen stand er Jahrzehnte im Schatten seines älteren Halbbruders Tomáš. Dies zu ändern war die Motivation der Autorin für ihr Buch.
Freundschaft mit Dolores Baťa
Das Material für ihr Buch über Jan Antonín Baťa sammelte Pilátová bereits seit 2007, als sie zum ersten Mal nach Brasilien reiste, um Nachfahren tschechischer Emigranten zu unterrichten. Dabei lernte sie in der von Baťa gegründeten Stadt Batayporã die Enkelin von Baťa, Dolores Baťa Arambasic, kennen. Aus vielen gemeinsamen Gesprächen und jahrelanger Recherche im umfangreichen Familienarchiv setzte Pilátová ein vielstimmiges Romanmosaik zusammen. Darin lässt sie neben ihrem Protagonisten Jan Antonín auch weitere historische Figuren zu Wort kommen, darunter Baťas Töchter Ludmila und Edita, seinen Schwiegersohn Ljubodrag oder sogar seine brasilianische Schuhfabrik. In ihrer literarischen Fiktion geht die Autorin nicht chronologisch vor, sondern sie schildert Baťas turbulente Lebensgeschichte anhand von unterschiedlichen Erinnerungen, die mehrere Blickwinkel auf dieselben Ereignisse ermöglichen. Alle Kapitel werden aus der ich-Perspektive erzählt, wodurch man in die Gedankenwelt der einzelnen Sprecher schlüpfen kann.
Die Zeitreise beginnt an Baťas Sterbebett in Batatuba 1965, dann setzt sie im Zlín der 1930er ein und bringt den Leser auch in die 1980er Jahre, als Dolores die Heimat ihres Großvaters zum ersten Mal besuchte. Bei der Lektüre über das exotische Brasilien kann man Farben, Stimmen und Düfte auskosten, so wie sie in Brasilien einst Baťa und viele Jahrzehnte danach auch die Schriftstellerin selbst erlebt hatte. „Zurückzukehren, um zu erklären. Um den Gerüchten, Lügen, Verschwörungen, kleinen und großen Wahrheiten etwas Neues, diesmal Eigenes hinzuzufügen,“ erklärt Jan Antonín Baťa im Buch das Hauptanliegen der Autorin.
Deutsch als Kontrapunkt
Die deutsche Übersetzung des Buches, das der österreichische Verlag Wieser Mitte März 2020 ganz frisch auf den Buchmarkt brachte, sollte Markéta Pilátová auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse präsentieren. Doch das Literaturfest wurde wegen der Corona-Pandemie abgesagt. Markéta Pilátová hofft trotzdem, dass das Buch seine deutschen Leser erreicht. „Ich empfinde eine Riesenfreude über jedes Buch, das ins Deutsche übersetzt wird“, sagt Pilátová. Sie, die als Romanistin vor allem im spanischen und portugiesischen Sprachraum zu Hause ist, mag die deutsche Sprache und die deutschsprachigen Länder sehr. „Ich lerne auch Deutsch. In meinem Kopf bildet die Sprache einen hübschen Kontrapunkt zu Spanisch und Portugiesisch“, so Pilátová weiter. Sie hofft nun, dass ihre geplante Lesereise in Deutschland, Österreich und der Schweiz im Herbst stattfindet. „Bis dahin werde ich an meinem Deutsch feilen, damit ich mich mit meinen deutschsprachigen Lesern besser verständigen kann“, wünscht sich Pilátová.
Markéta Pilátová wurde 1973 in Kremsier (Kroměříž) geboren. Nachdem sie Romanistik und Geschichte an der Philosophischen Fakultät der Palacký-Universität Olmütz studierte, wirkte sie an Universitäten in der Tschechischen Republik und in Spanien. Sie unterrichtete Tschechisch in Brasilien und Argentinien und ist als Journalistin tätig. Neben Romanen schreibt sie Geschichtsbücher, Poesie und Kinderbücher. Auf Deutsch liegen fünf Titel vor: Wir müssen uns irgendwie ähnlich sein (2010), Mein Lieblingsbuch (2012), Tsunami-Blues (2016), Der Held von Madrid“ (2019), Mit Baťa im Dschungel (2020). Ihre Romane wurden in sechs Sprachen übersetzt.