Es ist nicht unüblich, dass Tiere in Therapien eingesetzt werden. Vor allem Schulen, aber auch Gefängnisse nutzen den Umgang mit Tieren, denn dieser bietet die Möglichkeit, Verantwortung neu zu lernen. Vor wenigen Jahren kam dann ein neuer Trend dazu: Häftlinge in Deutschland und Tschechien kümmern sich jetzt um Bienen.

 

Drei bis vier Millionen Bienen sind in Nordrhein-Westfalen von Insassen der Justizvollzugsanstalten (JVA) zu versorgen. Vier Gefängnisse, Remscheid, Castrop-Rauxel, Gelsenkirchen und Schwerte haben sich dort zusammengetan und betreuen gemeinsam 68 Bienenvölker. Diese produzieren jährlich bis zu einer Tonne Honig. Das Remscheider Gefängnis hat sogar den Ehrgeiz, eines Tages ein offiziell anerkannter Imkereibetrieb zu werden. Jedoch nur Gefangene mit Freigang können sich um die bedrohte Tierart kümmern, weil die Bienenstöcke außerhalb des Gefängnisgeländes liegen.

Auch in anderen Teilen Deutschlands hat sich dieses Projekt etabliert. Das Imkern soll den Insassen der Haftanstalten bei der Resozialisierung helfen. Durch die regelmäßige Pflege, die Bienenvölker erfordern, entwickelt sich bei den Häftlingen ein Gefühl von Verantwortung und Fürsorge. Es lehrt die Gefangenen auch geduldiger und damit ruhiger zu werden. Zudem vermittelt diese Aufgabe sowohl theoretisches Wissen als auch die praktischen Fähigkeiten des Imkerns. In einigen deutschen Gefängnissen kann man sich sogar zum Imker ausbilden lassen. Auch die sozialen Kompetenzen, Zusammenarbeit und Vertrauen zwischen den Insassen und manchmal auch zwischen Häftlingen und JVA-Mitarbeitern, werden gefördert.

Zu den Aufgaben gehört es, die Bienenhäuser herzustellen, Wachsplatten zu fertigen, die Bienen zu pflegen, den Honig zu ernten und zu schleudern. Manche JVAs verkaufen die Bienenhäuser. Auch der Honig findet seinen Weg auf den Markt unter kreativen Namen wie „Knastgold“ oder „Zellengold“.

Seit einigen Jahren hat dieser Trend auch in der Tschechischen Republik Einzug gehalten. Unter Titeln wie „Imkern im Gefängnis“ laufen Projekte in mehreren tschechischen Justizvollzugsanstalten, unter anderem in Pardubitz (Pardubice) und Leitmeritz (Litoměřice). Zu Beginn der Projekte besaßen die Gefängnisse jeweils drei bis vier Bienenvölker, um die sich einige Häftlinge kümmern, nun sind es in einigen Gefängnissen schon neun. Unter den tschechischen Insassen herrschte großes Interesse an dem Projekt. Die Häftlinge berichten unter anderem davon, dass sie nun endlich einmal hinauskämen, was besser sei als nichts zu tun, einige fühlten sich sogar in ihre Kindheit zurückversetzt.

Bei dem Projekt geht jedoch nicht nur um das Imkern selbst: Bereits die Vorbereitung auf die Bienen, wie im Fall der Haftanstalt in Pardubitz, soll den Häftlingen helfen. Hier bereiteten die Teilnehmer des Projekts schon ein halbes Jahr vor Ankunft der Bienen deren zukünftige Heimat vor, bauten den Garten aus und säten blütenreiche Pflanzen. Die tschechischen Gefängnisse erhalten oft die Unterstützung erfahrener Imker, da es sich bei den Häftlingen nicht selten um Laien im Bereich der Bienenhaltung handelt. Diese bekommen jedoch, wie im Fall von Leitmeritz, die Möglichkeit, an thematischen Fortbildungsseminaren teilzunehmen.

Das Imkern hat auch noch einen angenehmen Nebeneffekt: Bienen dienen schließlich auch als Bestäuber und sind somit ein Zugewinn für die gesamte Region. Den geimkerten Honig nutzen in Tschechien zumeist die Küchen der Justizvollzugsanstalten, manchmal wird der Honig aber auch an andere Einrichtungen gespendet und wieder woanders dient er für die Häftlinge als Erinnerung an die produktiv verbrachte Zeit in Haft.

Auch andere Tiere sollen Gefängnisinsassen helfen, sich wieder zu resozialisieren. In einem Berliner Gefängnis gibt es Katzen, in Bayern gehen Insassen mit Hunden Gassi. Andere deutsche Justizvollzugsanstalten setzen auf Ziegen, Hühner und Schweine. Vor allem in Jugendgefängnissen kommt diese Therapiemaßnahme zum Einsatz. In der Schweiz gibt es sogar exotischere Tiere wie Alpakas und Kamele, um die sich Insassen kümmern dürfen.


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