Demonstration am 28. Oktober 1918 auf dem Wenzelsplatz in Prag
Demonstration am 28. Oktober 1918 auf dem Wenzelsplatz in Prag Credit: Wikimedia Commons

In Prag und anderen Städten Tschechiens wird heute an die Entstehung der unabhängigen Tschechoslowakei im Jahr 1918 erinnert. Damals fand sich die deutschsprachige Bevölkerung als Minderheit in dem neuen Staat wieder.

Heute, am 28. Oktober 2025, begeht die Tschechische Republik den 107. Jahrestag der Gründung der Tschechoslowakei. In der Hauptstadt Prag fand am Vormittag wie jedes Jahr ein feierlicher Gedenkakt auf dem Ehrenhof des Nationaldenkmals auf dem Vítkov-Berg statt.

Wie im letzten Jahr legten Präsident Petr Pavel, Premierminister Petr Fiala (ODS), Senatspräsident Miloš Vystrčil (ODS), Generalstabschef Karel Řehka und Verteidigungsministerin Jana Černochová (ODS), der Prager Oberbürgermeister Bohuslav Svoboda (ODS) und Erzbischof Jan Graubner Kränze am Grab des Unbekannten Soldaten nieder. An der Gedenkfeier nahmen auch Vertreter anderer politischer Parteien teil, darunter die stellvertretenden Vorsitzenden der ANO-Partei Alena Schillerová und Karel Havlíček. Der Akt wurde begleitet von Militärmusik, einer Salve und Flugvorführungen der Streitkräfte.

„Demokratie keine Selbstverständlichkeit“

„Eine unabhängige Tschechoslowakei wäre ohne die Unterstützung freier und demokratischer Länder wie den Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien, Frankreich und anderen nicht entstanden“, erinnerte Vystrčil, der die Gründung der Tschechoslowakei als Ausdruck nationaler Souveränität, Unabhängigkeit und des Selbstbestimmungsrechts der Nation bezeichnete. „Und ich denke, dass dies eine wichtige Botschaft für die Gegenwart ist. Wenn wir dieses Recht auf Selbstbestimmung und Souveränität bewahren wollen, müssen wir zusammenarbeiten“, fügte er hinzu.

Laut Premierminister Fiala seien Demokratie, Freiheit und Unabhängigkeit heutzutage keine Selbstverständlichkeit. „Wir erinnern uns an die Unabhängigkeit der Tschechoslowakei, wir erinnern uns an Werte wie die Möglichkeit, selbst über uns zu entscheiden, Freiheit und Demokratie. Und ich denke, wir müssen uns alle bewusst machen, dass dies Dinge sind, für die nicht nur unsere Vorfahren gekämpft und ihr Leben gelassen haben, sondern dass es auch unsere Verantwortung ist, sie zu pflegen und weiterzuentwickeln“, so Tschechiens Noch-Regierungschef.

Gedacht wurde auch des Staatsgründers und ersten Präsidenten der Tschechoslowakei Tomáš Garrigue Masaryk. An seinem Denkmal in Prag 6 legte Präsident Pavel am Vormittag einen Blumenkranz ab.

Zäsur für Deutsche in Böhmen, Mähren und Schlesien

Die Gründung der Tschechoslowakei bedeutete auch für die deutschsprachige Bevölkerung – damals etwa ein Viertel der Gesamtbevölkerung – einen historischen Einschnitt. Während sie in der Habsburgermonarchie eine dominierende politische Rolle spielte, musste sie sich fortan als nationale Minderheit in die junge Republik einfügen.

Zwar garantierte der neue Staat den deutschen Bürgern individuelle Minderheitenrechte etwa im Schul- und Kulturwesen, doch als kollektive, staatstragende Nation wurden sie nicht anerkannt. Konstituierend für die Tschechoslowakei waren allein Tschechen und Slowaken als Träger der Staatsidee. Aus Ablehnung gegen den neuen Staat hatten die Deutschen in Böhmen und Mähren die Nationalversammlung boykottiert und damit eine Chance verpasst, sich an der Gestaltung der Verfassung zu beteiligen.

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Später passte sich ein Großteil der deutschsprachigen Bevölkerung schrittweise den neuen politischen Realitäten an. Bereits Anfang der 1920er Jahre beteiligten sich deutsche Parteien aktiv am parlamentarischen Leben, stellten Abgeordnete und auch Minister. Besonders wichtig war das weit verzweigte Netz deutscher Schulen, kultureller Vereine und Verbände, das die sprachliche Identität sicherte und im internationalen Vergleich als gut ausgebaut galt.

Ambivalentes Verhältnis zum Staat

Dennoch blieb das Verhältnis zum Staat ambivalent. Viele Deutsche empfanden die Tatsache, dass sie als nationale Minderheit und nicht als mittragende Nation galten, als politische Degradierung. Die Landreformen und die bevorzugte Besetzung von Verwaltungsstellen mit Tschechen führten zusätzlich zu sozialen Spannungen. Bis Mitte der 1930er Jahre bewegten sich die politischen Loyalitäten der deutschsprachigen Parteien daher oft zwischen konstruktiver Mitarbeit auf der einen Seite und Forderungen nach größerer nationaler Selbstverwaltung auf der anderen.

Erst in der Weltwirtschaftskrise verschärfte sich die Lage entscheidend: Die Arbeitslosigkeit traf besonders stark die industriell geprägten Grenzregionen, in denen viele Deutsche lebten. Die wirtschaftliche Not bot wiederum einen Nährboden für radikalisierende politischen Kräfte – allen voran die Sudetendeutsche Partei, die ab 1935 zur stärksten Partei im deutschen Lager aufstieg und die Loyalität zur Republik zunehmend infrage stellte. 1938 schließlich folgten die vom nationalsozialistischen Deutschland provozierte Sudetenkrise und mit dem Münchner Abkommen die Annexion des Sudetenlands. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Großteil der deutschen Bevölkerung – über drei Millionen Menschen – aus der Tschechoslowakei vertrieben. Heute umfasst die deutsche Minderheit in der Tschechischen Republik noch etwa 25.000 Angehörige.

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