Alle kennen Škoda als Auto, doch wer kennt Emil Škoda? 1869 kaufte er in Pilsen sein erstes Werk und schuf daraus einen europäischen Maschinenbau- und Rüstungskonzern. Im August jährte sich sein Todestag zum 120. Mal. Wie geht es seinem Firmenimperium in Pilsen eigentlich heute?
Er ist bereits als Jungunternehmer ein Mann, der an Investitionen in Modernisierung und technologischen Fortschritt glaubt: Emil Škoda. 1869 kauft er in Pilsen (Plzeň) sein erstes Werk. Der 30-Jährige gilt als Workaholic und Pedant, der in seiner Maschinenfabrik sogar übernachtet. In der Produktion verlegt er sich auf Stahl, der besonders fest und biegsam ist. In Pilsen baut Škoda ein modernes Stahlwerk mit zwei Öfen auf. 1899 produziert es bereits 7000 Tonnen Stahl und zählt 2800 Mitarbeiter. Als der Firmengründer 1900 stirbt, hinterlässt er ein Unternehmen, das allen historischen Wendepunkten zum Trotz wächst, Weltruf erlangt und bis zu 50.000 Mitarbeiter beschäftigt. In Kriegszeiten als Rüstungsspezialist, Produzent von Schiffskanonen, Waffen und Munition. In Friedenszeiten durch einen radikalen Wechsel auf die Herstellung von Dampf- und elektrischen Lokomotiven sowie Elektromotoren, Turbinen und anderen Schwerindustriegütern. Bis die Samtene Revolution 1989 wieder eine Zäsur setzt.
30 Jahre nach der Privatisierung residieren auf dem weitläufigen Gelände der ehemaligen Škoda-Werke zahlreiche Betriebe, die die Firmengeschichte weiterschreiben.
ŠKODA TRANSPORTATION
Die Konzern-Holding ist das eigentliche Nachfolge-Unternehmen der Škoda-Werke Pilsen. Ganz im Sinne des Firmengründers setzt sie auf Spitzentechnologien und entwickelt Visionen für den Verkehr der Zukunft. Ihr Kerngeschäft sind die Fertigung von Lokomotiven, elektrischen Schienenfahrzeugen und Straßenbahnen. Die Tochter Škoda Electric stellt im Pilsener Stadtteil Doudlevce Traktionsantriebe und Oberleitungsbusse her. Die Škoda-Gruppe vereint noch weitere Töchter und Beteiligungen im In- und Ausland unter ihrem Dach. In der Tschechischen Republik beschäftigt sie über 5.000 Mitarbeiter. Als neue Gesellschaft kam 2019 Škoda Digital hinzu. Ihr Produktportfolio enthält Kontroll- und Managementsysteme zur Verarbeitung großer Datenmengen für die Konzern-Fahrzeuge und deren Auswertung.
Das Grab von Emil Škoda auf dem Nikolaus-Friedhof in Pilsen. Foto: Beate Franck
Škoda Transportation wurde 2018 von der Investment-Gruppe PPF übernommen. Sie gehört Petr Kellner, der mit einem Vermögen von fast 13,7 Milliarden Euro auf Platz eins der Rangliste der reichsten Tschechen steht. Mit dem Pilsener Schienenfahrzeughersteller erwarb er ein „Sahnestückchen“. Die Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2019 wies Škoda Transportation als gesunden Konzern aus. Das Eigenkapital in Höhe von fast 486 Millionen Euro beträgt über 60 Prozent der Bilanzsumme.
Regelmäßig veröffentlicht der Škoda-Konzern Meldungen über Aufträge der Superlative in aller Welt. Zu den neuesten gehören die Lieferung von 26 modernen Straßenbahnen nach Bonn oder von 30 Niederflur-Oberleitungsbussen in die bulgarische Hauptstadt Sofia. Petr Brzezina, Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor, sieht darin eine Bestätigung für die Wettbewerbsfähigkeit von Škoda auch auf den anspruchvollsten Weltmärkten. Doch in den letzten Jahren trübten sich die Umsatzzahlen ein. Seit dem Rekordjahr 2015 mit fast 680 Millionen Euro Umsatz ging es abwärts. Bis 2018 sank er um ein Drittel, im Vorjahr stürzte er noch einmal um 16 Prozent ab. Statt Gewinn verzeichnete die Škoda-Holding ein dickes Minus. Für 2019 sei man von einem betrieblichen Verlust von 14 Millionen Euro ausgegangen, bestätigt ein Sprecher von Škoda Transportation. Es sei jedoch gelungen, diese Summe letztendlich auf 3,4 Millionen Euro zu begrenzen. Die Umsatzverluste der vergangenen Jahre seien hauptsächlich beeinflusst durch einen geringeren Auftragseingang vor Eintritt der PPF. Seitdem habe der Konzern jedoch Aufträge in Rekordhöhe von 2,33 Milliarden Euro erhalten. Als Folge sollen in Pilsen, Ostrau (Ostrava) und Mährisch Schönberg (Šumperk) bis zu 2.500 neue Arbeitsplätze entstehen.
Trotz Corona ist Generaldirektor Brzezina in einer Stellungnahme zuversichtlich: „Bei Škoda haben wir schon jetzt Aufträge für minimal drei Jahre im Voraus gesichert. Ich bin also sicher, dass wir trotz aller Schwierigkeiten, mit denen wir konfrontiert sind, diese komplizierte Zeit bewältigen.“ Das Jahr 2020 stehe für die Škoda-Gruppe im Zeichen der Erhöhung der Produktionskapazitäten und massiver Investitionen an sämtlichen Standorten.
DOOSAN ŠKODA POWER
Schlicht „Turbina“ heißt in Pilsen immer noch die einstige Škoda-Sparte für Energie und Kraftwerke. Seit 2009 gehört sie zu südkoreanischen Doosan-Gruppe und beschäftigt 1100 Mitarbeiter. Doosan Škoda Power ist ein weltweit führender Hersteller und Lieferant von Anlagen für Kraftwerke aller Energiebereiche, insbesondere für Dampfturbinengeneratoren im Leistungsbereich von drei bis 1.200 MW. Turbinen aus Pilsen gehen in die ganze Welt, nach Südamerika, Indonesien, Arabien oder Japan. Biomasse-Anlagen sind vor allem in Skandinavien gefragt. Der Export macht über 90 Prozent des Geschäfts aus.
Kanonen vom Kaliber 24 cm auf einem Kriegsschiff von 1902. Foto: Archiv Škoda Transportation
Nach Medienanalysen erwirtschaftete Doosan Škoda Power die höchsten Umsätze in den Jahren 2010 bis 2014, als die Investitionswelle in der tschechischen Energiewirtschaft ihren Höhepunkt erreichte. Seit 2016 zeigen die Bilanzen ein Auf und Ab bei Umsatz wie Gewinn. 2019 erwies sich für Doosan mit einem neuen Umsatzhoch von über 208 Millionen Euro als stark. Dabei gelang es, den Gewinn, der im sehr schwachen Jahr davor auf unter zehn Millionen Euro eingebrochen war, wieder auf fast 22,2 Millionen hochzufahren.
Innovation im Sinne von Emil Škoda wird auch bei „Turbina“ großgeschrieben. Erst im April hat Doosan ein Projekt bekannt gegeben, mit dem man Neuland betritt: Der Hersteller wird zwei Industrieturbinen an das Volkswagen-Werk in Wolfsburg liefern. „Für Doosan Škoda Power ist dieses Projekt die erste Realisation im Segment der Automobilproduktion“, heißt es in der Mitteilung.
Die Transportsparte ist heute die größte aus dem ehemaligen Škoda-Konzern. Sie ist unter anderem für ihre Tram-Produktion bekannt. Foto: Škoda Transportation
PILSEN STEEL
Ausgerechnet die Stahl-Sparte, die Gründervater Emil Škoda 1866 selbst zur Keimzelle seines Erfolgs machte, ist bis auf Weiteres Geschichte. Mit dem Verkauf von Hüttenwerk und Eisenschmiede nahm Anfang dieses Jahres ein Drama ein Ende, das sich über zwölf Monate hingezogen hatte. Im Januar 2019 hatte das Landgericht Pilsen das Insolvenzverfahren über Pilsen Steel eröffnet. Die Stahl-Sparte von Škoda hatte nach der Privatisierung zwei Mal den Besitzer gewechselt. Seit 2010 gehörte sie einer Luxemburger Gruppe, deren Anteile wiederum eine Moskauer Bank hielt. Zum Zeitpunkt der Insolvenz war Pilsen Steel bilanziell überschuldet. Die Produktion stand bereits still, die damals 700 Mitarbeiter waren freigestellt. Wegen Problemen mit den russischen Gläubiger-Banken gelang es dem Insolvenzverwalter erst Ende 2019, in dem Stahlproduzenten Max Aicher aus Freilassing einen Käufer zu finden. Über den Verkaufspreis wurde Stillschweigen vereinbart. 475 Mitarbeiter erhielten daraufhin im Januar 2020 die Kündigung. Etwa 50 sollten weiter beschäftigt werden. Nach Angaben einer Sprecherin von Max Aicher ist der Eigentumsübergang noch nicht endgültig vollzogen. Verlässliche Planungen, ob Pilsen Steel den Betrieb wieder aufnehme, seien wegen der Corona-Krise derzeit nicht möglich.