Für diese Wandertour ging unsere Wanderbloggerin an ihre eigenen Grenzen, aber nicht nur an die physischen.
Es stand die Erkundung der letzten Wildnis im Bayerischen Wald an. Zwei Freunde aus München verabredeten sich mit mir zu dieser Expedition am Bahnhof von Ludwigsthal. Dazu verließ ich Pilsen (Plzeň) mit allerlei Ausrüstung mit dem Zug um 6 Uhr früh und kam in Markt Eisenstein-Elisenthal (Železná Ruda-Alžbětín) an. Dieser Bahnhof ist ein Durchgangsbahnhof und ermöglicht die Überschreitung der deutsch-tschechischen Grenze zu Fuß, direkt am Bahnsteig.
Schon beim Aussteigen aus dem tschechischen Zug konnte ich die Gleise auf der deutschen Seite erkennen. Ich schirmte die Augen gegen die bereits jetzt heiße Sonne ab und betrachtete die Szenerie. An der Mauer des Bahnhofsgebäudes prangen die Staatszeichen der beiden Länder und eine rote Linie auf dem Boden zeigt auf, wo die Grenze verläuft. Mitten durch das Bahnhofsgebäude.
Etwas unsicher blickte ich zurück nach Tschechien. Sollte ich es wagen, für einen Tag eine Wanderung in Deutschland zu unternehmen? Würde die Schönheit des Bayerischen Waldes mit der des Böhmerwaldes mithalten können? Würde man mich noch verstehen, nach so vielen Monaten Tschechischsprechen?
Mutig nahm ich Anlauf und lief schnell über die rote Linie. Niemand hielt mich an. Unbemerkt nahm ich den Zug der deutschen Bahn nach Ludwigsthal. Doch schon der Akzent der Schaffnerin brachte mich aus dem Konzept. Verstand ich überhaupt noch Deutsch?
Zum Glück kamen meine Freunde pünktlich am Bahnhof in Ludwigsthal an und ich war erleichtert, denn wir sprechen untereinander immer Englisch und es war auch diesmal so. Wir begaben uns auf unsere Erkundungstour und ich vergaß meine Sorgen.
In Ludwigsthal begingen wir den Pfad durch das Wildtiergehege, in dem der seltene Auerochse, das Przewalski-Pferd und Wölfe zu beobachten sind. Sie schenkten uns kaum Beachtung und räkelten sich lieber in der Sonne. Es wurde dann auch immer heißer und wir bekamen schnell Hunger.
So steuerten wir schleunigst die Ortschaft Zwieslerwaldhaus an, wo wir uns eine vegetarische Verstärkung gönnten sowie ein kühles Bier und Johannisbeerschorle. Mittlerweile fühlte ich mich sicherer in den deutschen Gefilden und konnte auch mit der Bedienung kommunizieren.
Der Weg führte uns weiter zum Schwellhäusl. Diese Einkehrmöglichkeit ist weit bekannt, auch in Tschechien und jeder Wanderer gönnt sich hier gerne eine Rast, wobei man das Bier aus einem Felsen plätschern sehen kann. Auch ich hielt dort an, aber nur, um mir vom ausschenkenden Wirt einen echten Stempel in mein Wandertagebuch abdrucken zu lassen.
Die Mittagssonne brannte und wir tauchten wieder in den kühlen Wald ab. Es folgten noch ein paar Höhenmeter, bis wir die Aussicht vom Hochfels inmitten eines Urwaldgebietes genießen konnten. Der Große Arber grüßte von gegenüber.
Wir liefen die letzten Meter ins Tal und zum Bahnhof von Bayerisch Eisenstein/Železná Ruda-Alžbětín. Meine Freunde waren sich unsicher, ob sie es ohne Pässe wagen konnten, die rote Linie zu überqueren. Doch ich überzeugte sie und zusammen liefen wir hin und her, immer und immer wieder. Und ich fragte mich, ob man überhaupt Grenzen braucht.
Streckendaten:
Startpunkt: Bhf. Ludwigsthal
Distanz: 15km
Höhenmeter: 556m
Laufzeit: 5 Stunden
Wegpunkte: Haus der Wildnis, Zwieslerwaldhaus, Schwellhäusl, Hochfels, Bayerisch Eisenstein/ Železná Ruda-Alžbětín
Anreise: mit dem Zug aus Pilsen bis Železná Ruda-Alžbětín, mit dem Zug weiter bis Ludwigsthal
WanderBloggerin JANA HEENEN:
Das Leben ist eine Reise, auch für mich. Mein Name ist Jana, ich komme aus der Nähe von Krefeld in Westdeutschland und arbeite seit einiger Zeit in Pilsen (Plzeň) für den deutsch-tschechischen Jugendaustausch. Um Tschechien und seine Landschaft(en) kennenzulernen, begebe ich mich so oft wie möglich auf Wandertouren, beobachte die Natur, fotografiere, notiere und bewerte die Ausflugsziele. Gern ziehe ich mit anderen Naturfreunden los, um von ihnen zu lernen und mich mit ihnen über das Leben zu unterhalten. Wenn man geht, dann kann man besser nachdenken und kommt zu neuen Ideen! Ich möchte Sie nun gern daran teilhaben lassen und stelle dafür regelmäßig meine Wanderungen vor.
Sie sind herzlich eingeladen, Vorschläge zu machen, was es in Tschechien noch zu entdecken gibt! Diese können Sie gern an redaktion@landesecho.cz senden. Ich freue mich!
Unsere Wanderbloggerin geht auf die Jagd nach kleinen, blauen und vergänglichen Perlen.