Unsere WanderBloggerin macht sich auf die Suche nach dem letzten Wolf im Böhmerwald.

Aus den Erfahrungen meiner letzten Touren lerne ich und schaute ich mir deshalb für die heutige Wanderung genau an, wie die Strecke verlief. Ich musste auf alles vorbereitet sein.

Die Wiesen des Nationalparks Böhmerwald - Foto: Jana HeenenUnd siehe da, fúr meine geplante Trasse im Böhmerwald war Vorbereitung nötig. Zum einen sollte es echt viel regnen und zum anderen sprang mir ein Punkt auf der Strecke mit dem Namen Vlčí kámen (Wolfsstein) ins Auge. Dort stand nur folgende Bemerkung: „letzter Wolf“. Mehr war dazu nicht zu finden und ich überlegte fieberhaft, wie ich mit dieser Information umgehen sollte.

Was war damit gemeint, der letzte Wolf? Wurde dort der letzte Wolf gesehen? Lebte dort der letzte Wolf im Böhmerwald? Es konnte alles bedeuten. Für beides rüstete ich mich aber aus. Gegen den Regen nahm ich mein Regenzeug mit sowie Ersatzsocken und für den Wolf kaufte ich ein Hühnchenbaguette am Bahnhof. Wenn es ihn geben sollte und ich ihn treffen sollte, wollte ich ihm wenigstens eine kulinarische Alternative bieten – damit er mich nicht auffraß.

Ich machte mich auf nach Lipka (Freiung), ein kleines Dörfchen mitten im Böhmerwald. Als ich dort eintraf, brach der Regen dann tatsächlich über alles herein, aber es war auch nötig nach der langen Trockenheit. Schnell stapfte ich den Bukovec hoch, einen windigen Berg, der eine tolle Sitzgelegenheit für einen weiten Blick übers Land bietet (Alpská vyhlídka). Mir war es vergönnt, genau zur richtigen Zeit dort anzukommen, als die Sonne durch die Wolken brach und ich bis zum Špičák schauen konnte. Die Alpen waren aber an diesem Tag nicht zu erahnen.

Der Weg führte weiter zur Světlá hora, auf der der Wolf schließlich wartete. Je näher ich dem Im Böhmerwald - Foto: Jana Heenenbeschriebenen Platz kam, desto ruhiger wurde es im Wald. Der Nebel waberte zwischen den Bäumen und ich erblickte überall abgerissene Äste auf dem Boden. Als hätte hier jemand wild gespielt. War das etwa der Wolf gewesen?

Mit klopfendem Herzen ging ich die letzten Meter, bis ich eine kleine steinerne Höhle entdeckte. Ich horchte in den leisen Wald, kein Wind ging mehr. Vor der Höhle befand sich ein Unterstand, der zum Rasten einlud. Ein Rastplatz an so einer Stelle? Sollte der Wolf etwa ganz harmlos sein?

Ich nahm Platz und wartete. Ich musste wissen, ob es den letzten Wolf tatsächlich noch gab. Ich zog das Baguette aus dem Rucksack.Und dann kam der Wolf hinter seiner Höhle hervor. Er beobachtete mich und das Baguette und hob witternd die Nase. Dann sagte er: „Ich bin Veganer, ich esse dein Baguette nicht.“ Verdutzt betrachtete ich ihn.

Alpska vyhlidka - Foto: Jana Heenen„Der Klimawandel ist so weit fortgeschritten, da ist es besser, wenn wir kein Fleisch mehr essen. Hast du nicht was anderes dabei?“ Ohne zu zögern zog ich meine Ingwerwürfel und Apfelringe heraus und bot ihm beides an. Er schlug sofort zu und freute sich sichtlich über diese Nahrung.

Ich stand erleichtert auf und ließ ihn in Ruhe fressen. Als ich mich langsam entfernte, rief er mir hinterher: „Danke für deinen Besuch! Es kommen nicht mehr viele hierher. Hängen alle in der Stadt herum.“

Gedankenverloren legte ich den Rest der Strecke bis Kubová Huť (Kubohütten) zurück. Der Regen hatte komplett aufgehört und ich freute mich über meinen heutigen Mut, mich auf diese Tour zu begeben. Solltet ihr auch dem letzten Wolf einen Besuch abstatten wollen, dann nehmt genug Grünzeug mit!

Streckendaten:

Distanz: 15 km
Laufzeit: 4,5 Stunden
Höhenmeter: 375m
Ausgangspunkt: Bahnhof Lipka
Wegpunkte: Pod Kamennou, Bukovec, Vlčí kámen, Obří hora, Kubová Huť
Anreise: Zug


WanderBloggerin Jana Heenen - Foto: Archiv Jana HeenenWanderBloggerin JANA HEENEN:

Das Leben ist eine Reise, auch für mich. Mein Name ist Jana, ich komme aus der Nähe von Krefeld in Westdeutschland und arbeite seit einiger Zeit in Pilsen (Plzeň) für den deutsch-tschechischen Jugendaustausch. Um Tschechien und seine Landschaft(en) kennenzulernen, begebe ich mich so oft wie möglich auf Wandertouren, beobachte die Natur, fotografiere, notiere und bewerte die Ausflugsziele. Gern ziehe ich mit anderen Naturfreunden los, um von ihnen zu lernen und mich mit ihnen über das Leben zu unterhalten. Wenn man geht, dann kann man besser nachdenken und kommt zu neuen Ideen! Ich möchte Sie nun gern daran teilhaben lassen und stelle dafür regelmäßig meine Wanderungen vor.

Sie sind herzlich eingeladen, Vorschläge zu machen, was es in Tschechien noch zu entdecken gibt! Diese können Sie gern an redaktion@landesecho.cz senden. Ich freue mich!

 

 


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