Der Verein „Dialog mit Böhmen“ wurde 2005 in der ehemaligen thüringischen Residenzstadt Greiz gegründet und setzt sich für einen grenzüberschreitenden Dialog zwischen Thüringen, Sachsen und Böhmen ein.

Der Verein „Dialog mit Böhmen“ – ein über die Jahre gewachsener Partner

„Alle fuhren nach Bayern, niemanden interessierten die benachbarten tschechischen Regionen der ehemaligen DDR wie hier bei uns etwa im böhmischen Egerland“, beschreibt prononciert Karel Halla die Ausgangssituation der 1990er Jahre. Der am Standort Eger (Cheb) tätige Leiter des Staatsarchivs Pilsen erinnert sich noch sehr gut an die Zeit der ersten Kontakte nordwärts, ins thüringische Vogtland: „Der Verein ‚Dialog mit Böhmen‘ aus Greiz kam als Erster mit der Idee, die gemeinsamen Parallelen des Zusammenlebens an der böhmisch-thüringischen bzw. böhmisch-sächsischen Grenze aufzuzeigen.“

In Greiz, der einst als Perle des Vogtlands gerühmten vormals fürstlichen Residenzstadt, deren reiche Textilindustrie mit der deutschen Einheit zusammengebrochen war, hatten sich historisch und politisch Interessierte gefunden, die weit mehr wissen wollten zur jüngeren Geschichte des Nachbarn, des Sudetenlandes, zu Vertreibung und tschechischem Neubeginn. Das waren eine Buchhändlerin, ein Archivrat, eine Unternehmer- und Landfrau, ein Museologe, ein Hobbyfotograf und weitere. Im Jahr 2005 gründeten sie einen eigenen Verein – Dialog mit Böhmen – dessen Name Programm ist. Gründungsvorsitzender Ulrich Jugel knüpfte überaus rege Fäden und stellte Kontakte her: zum Europäischen Comenium Cheb, zur Euregio Egrensis sowie regionalen Körperschaften und Personen wie Karel Štěpán Odstrčil aus Franzensbad, Ondřej Matějka aus Prag oder Prof. Miloš Řezník von der Technischen Universität Chemnitz. Karel Halla zieht Bilanz: „Der Verein Dialog mit Böhmen mit Herrn Jugel an der Spitze half in außerordentlich hohem Maße, das Türchen zum Kennenlernen des kulturellen Erbes zu öffnen und einen grenzüberschreitenden Dialog zwischen den Bürgern zu beginnen, die in dieser Region wohnen. Und nicht zuletzt trug er zur Einbindung von kulturwissenschaftlichen Institutionen in der Region bei, die den Dialog begleiten.“Mehr als 60 Personen nahmen an der Schienenkreuzfahrt teil - Foto: Frank Barteld

Und die Greizer hatten das Glück des Tüchtigen! Denn im Dreiländereck von Böhmen-Sachsen-Thüringen beflügelte der Schwung aus den Tagen der EXPO 2000 das eigene Schaffen. Verschiedene grenzüberschreitende Projekte, voran das gemeinsame Nahverkehrssystem, hatten zwangsläufig das Kennenlernen der Bewohner auf beiden Seiten ungemein befördert. Dabei schärfte sich auch der Blick zurück in die bis ins Jahr 1945 reichende gemeinsame Geschichte. Einen energischen Schub brachte die Verbindung zur Organisation „Antikomplex“ aus Prag, deren Ausstellung „Das wiederentdeckte Erzgebirge“ bereits im Winter 2006/07 in Greiz gezeigt werden konnte. Dem folgte die Exposition „Das verschwundene Sudetenland“. Weiter ging es förmlich Schlag auf Schlag: mit historisch-topografischen Exkursionen, etwa zu devastierten Orten im nahen Egerland, ruinösen oder auch restaurierten Schlössern und Herrenhäusern, zu Stätten des sowjet-gelenkten Uranerzbergbaus beidseits des Erzgebirgskammes sowie zum altehrwürdigen Kloster Tepl bei Marienbad… Freilich wurden dabei die urigen Brauereien nicht vergessen.

Bald schon avancierte der kleine Greizer Verein zum Organisator und Veranstalter von Tagungen und Seminaren, teils mit den bewährten Exkursionen verbunden. Tagungsstätte: das Obere Schloss zu Greiz, in dessen Torhaus der „Böhmendialog“ sein Büro einrichtete. Diese große Programmnummer konnten die Greizer Freunde Tschechiens jedoch nur mit starken Partnern wie der Thüringer Landeszentrale für Politische Bildung stemmen. Den größten Teil ermöglichte aber eine Förderung über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung mit dem stärksten ideellen und natürlich finanziellen Zugewinn von 2007 bis 2013 im Programm „Hallo Nachbar“. Dies war ein weiterer großer Glücksfall, der sich so wohl nicht wiederholen wird. Denn eine solch fulminante Veranstaltung wie im August 2013, als man mit ca. 60 Teilnehmern per Sonderzug drei Tage auf Schienenkreuzfahrt im Karlsbader Bezirk unterwegs war, erscheint heute unter weitgehend veränderten Bedingungen schon als abenteuerliche Idee.

Sind nun die besten Jahre des Vereins vorüber? Noch immer läuft die „große“ Projektarbeit, wo Vereinsnestor Jugel beim Kulturweg der Vögte (LE 8/2018) verantwortlich zeichnet. Doch künftig bleibt es bei den Mühen und – natürlich – Freuden der Ebene, heißt: abwechslungsreiches Jahresprogramm mit kleinen, aber feinen Veranstaltungen samt Treffen mit tschechischen Bekannten. Die traditionellen Tagesexkursionen hinüber nach Böhmen gibt es weiterhin. Stefan Herold zum Beispiel kennt dort noch so manchen Geheimtipp. Neben „Organisationsmotor“ Antje Dunse gehen Christian Espig und Clemens Uhlig, die jüngeren Leute im Verein, es ebenso gelassen wie zuversichtlich an. Beider Vorteil ist die berufliche Tätigkeit auf regionalgeschichtlichem Gebiet, auf Schloss Voigtsberg/Oelsnitz und in Plauen. Mit ihren Kenntnissen samt zahlreicher Verbindungen können sie das Vereinsleben ordentlich befeuern.

Und, liebe Freunde in der Tschechischen Republik, es gilt weiterhin das Motto „Hallo Nachbar/Ahoj sousede“ – meldet Euch bei Interesse an einem Kennenlernen bei „unseren Greizern“. Mehr Informationen findet Ihr außerdem unter www.boehmendialog.eu!


 

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