International hagelt es Proteste gegen den Rausschmiss des Chefs der Prager Nationalgalerie.
Tschechiens Präsident Miloš Zeman vergisst nie eine persönliche Kränkung. Seine Kritiker wissen das. Und sie wissen auch, dass Zeman seine Macht nutzt, um bei einer sich bietenden Gelegenheit lustvoll Rache zu nehmen. Sein bislang prominentestes Opfer war der frühere sozialdemokratische Premier Bohuslav Sobotka. Der hatte gemeinsam mit anderen führenden Sozialdemokraten Zeman einst den ersten Anlauf auf die Prager Burg vermasselt. Sie verweigerten Zeman seinerzeit ihre Stimme. Zeman zog sich für zehn Jahre schmollend auf sein Anwesen auf der böhmisch-mährischen Hochebene zurück.
Nach seinem Comeback als Präsident rächte er sich an Sobotka. Als der aus Parlamentswahlen als Premier hervorging, warf ihm der Präsident ohne Ende Knüppel zwischen die Beine, intrigierte gegen den Regierungschef, organisierte einen letztlich von den Medien enthüllten, fehlgeschlagenen innerparteilichen Putsch gegen Sobotka und demütigte ihn in der Folge in der Öffentlichkeit, wann immer es ging. Von Sobotka redet heute niemand mehr. Er hat sich aus der Politik verabschiedet. Zeman dagegen thront weiter uneingeschränkt auf der Burg über der Moldau.
Jetzt hat der Bannstrahl des Präsidenten einen neuen Prominenten erwischt, den weltweit angesehenen Generaldirektor der Tschechischen Nationalgalerie, Jiří Fajt. Er wurde von Kulturminister Antonín Staněk entlassen, zeitgleich mit dem Museumsdirektor aus Olomouc (Olmütz). Der Minister begründete das damit, dass das „Vertrauensverhältnis zerstört“ sei.
Intrige in mehreren Kapiteln
Die kulturpolitische Öffentlichkeit in Tschechien und über dessen Landesgrenzen hinaus sieht jedoch als eigentlichen Strippenzieher der Aktion den Staatspräsidenten Miloš Zeman. Der Grund: Fajt hatte sich einst in grauer Vorzeit bei Zeman höchst unbeliebt gemacht, als er vor dessen erster Wahl zum Präsidenten den Gegenkandidaten Karel Schwarzenberg unterstützte.
Zemans Rache hat mehrere Kapitel: Als Fajt im Sommer 2013 nach einer internationalen Ausschreibung als neuer Generaldirektor der Nationalgalerie ausgesucht worden war, trachtete der Präsident danach, den ein Jahr später geplanten Amtsantritt zu verhindern. Er setzte zu diesem Zweck den damaligen Kulturminister Daniel Herman unter Druck, Fajt nicht in sein Amt einzuführen. Doch Herman weigerte sich, den auch nach Expertenmeinung aus dem Ausland besten Mann, den die Nationalgalerie seit 1989 an ihrer Spitze haben konnte, dem bösen Willen Zemans zu opfern. Er verwies unter anderem auf die sehr lange Verbindung Fajts zur Nationalgalerie. Schon 1988 wirkte er dort als Kurator, seit 1992 als Kurator für mittelalterliche Kunst, seiner Spezialstrecke, zwei Jahre darauf gewann er die Ausschreibung als Direktor der Sammlungen Alter Meister.
Die Zusammenarbeit erfuhr eine Pause, weil Fajt aus Protest gegen die Führung der Nationalgalerie durch den Maler und Aktionskünstler Milan Knižák im Jahr 2000 kündigte und mit seiner Familie nach Deutschland übersiedelte. Knízák firmierte im tschechischen Feuilleton unter der Bezeichnung „kontrovers“, seine Kritiker im tschechischen Kulturbetrieb nannten ihn treffender einen „Speichellecker“ der Herrschenden. Er war der erklärte Liebling von Ex-Präsident Václav Klaus und dessen Nachfolger Miloš Zeman.
Jiří Fajt kehrte 2014 an die Moldau zurück. Er kam, sah und siegte. Nachdem das Ansinnen Zemans gescheitert war, Fajt als Generaldirektor der Nationalgalerie zu verhindern, schlug der Präsident auf andere Weise zu: Er lehnte es kategorisch ab, Fajt zum Professor für Kunstgeschichte zu ernennen. Diesen Titel hatte Fajt an der Prager Karls-Universität erworben.
Zeman warf Fajt vor, bei Verhandlungen über einen Sponsorenvertrag einen Teil des Geldes als Zuschlag zu seinem Gehalt gefordert zu haben, was der Generaldirektor der Nationalgalerie zurückwies und zum Beleg die Höhe seines Gehalts veröffentlichte. Ein Gericht befand, Zeman habe mit der Nichtberufung Fajts seine Kompetenzen überschritten. Doch Zeman ignorierte kurzerhand den Richterspruch und verweigert seine Unterschrift unter die Ernennungsurkunde bis heute.
Ein Rauswurf mit Folgen
Jetzt nun das dritte und vorerst letzte Kapitel: Das hat vorrangig mit dem derzeitigen Kulturminister, dem Sozialdemokraten Antonín Staněk, zu tun. Dessen Posten stand bei einer aktuellen Regierungsumbildung Spitz auf Knopf. Um bei Präsident Zeman bessere Karten zu haben, entschied er sich für die Entlassung unter anderem von Fajt.
Er beschuldigte Fajt, unzulässig Geld für seine Arbeit als Kurator verlangt zu haben, was jedoch eine völlig normale Forderung ist, geht doch die Arbeit als Kurator über die des Chefs der Galerie hinaus. Bei der durchschnittlichen tschechischen Bevölkerung zieht solch ein finanzielles „Argument“. Dort spielt der Neid auf den vermeintlichen „Reichtum“ anderer eine große Rolle.
Minister Staněk hat seit der Entlassung Fajts auch massive Proteste am Hals, nicht nur in Tschechien. Die einheimische Kunst- und Kulturszenerie spricht dem Minister jegliche Kompetenz ab: Er wisse das Wirken Fajts nicht annähernd zu schätzen. Etwa die Tatsache, dass sich die Besucherzahlen in der Nationalgalerie unter dem Wirken des entlassenen Generaldirektors verdreifacht hätten. Kinder, Jugendliche und Studenten bis 26 Jahre können seither die Galerie bei freiem Eintritt besuchen. Fajt konnte die größte tschechische Bank als Partner gewinnen. Vor allem aber hat Fajt der Nationalgalerie mit einer Vielzahl hoch beachteter Ausstellungen zu einem bisher nicht da gewesenen Ruhm verholfen. Etwa die über Kaiser Karl IV. Oder mit Ausstellungen von Ai Weiwei, Henri Rousseau oder von berühmten Tschechen wie František Kupka oder Josef Koudelka. Fajt kuratierte zudem eine Ausstellungsserie zum 100. Gründungsjubiläum der Tschechoslowakei und zum Andenken an die Invasion sowjetischer Truppen im August 1968.
Derzeit ist im Palais Salm eine Schau zu sehen, in der Kunstwerke aus der Berliner Privatsammlung Hoffmann in einen Dialog mit tschechischer Gegenwartskunst treten. Für Prag dürfte das eine Sensation sein, zahlreiche Besucher kamen seit der Eröffnung Anfang Dezember 2018. An dieser Exposition hat Fajt gemeinsam mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden gearbeitet, die die Sammlung von Erika Hoffmann geschenkt bekamen.
Die Nationalgalerie initiiert außerdem gerade einen internationalen Architektenwettbewerb für die Rekonstruktion des Prager Messepalasts, wo die zeitgenössische Kunst ihren Platz hat. Vor Kurzem hat Fajt eine Partnerschaft der Prager Nationalgalerie mit dem berühmten Centre Pompidou in Paris besiegelt. Außerdem hat er am tschechischen Pavillon auf der Biennale in Venedig federführend mitgearbeitet, die letzten Samstag eröffnet wurde.
Verwunderung auch in Dresden
Der Aufschrei nach Fajts Entlassung ist international. Es gibt nicht nur Proteste vor dem Prager Kulturministerium auf der malerischen Prager Kleinseite, bei denen die Beurlaubung des Kulturministers verlangt wird. Vertreter von 38 ausländischen Museen und Galerien haben in einem Schreiben an den tschechischen Premier Andrej Babiš ihre „Verwunderung und Verblüffung“ über die Abberufung Fajts zum Ausdruck gebracht.
Sie erklärten, dass sie schon lange freundschaftliche Beziehungen zu Fajt haben und mit ihm intensiv zusammenarbeiten. Dies habe zum Austausch von Experten, zur Planung gemeinsamer Projekte, zum gegenseitigen Respekt und zur Entwicklung von Kontakten geführt, heißt es in dem Brief. Unterzeichnet haben das Schreiben unter anderem die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Marion Ackermann, die Leiterin der Tate Britain, der Direktor des British Museum, die Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums in Wien, der Leiter des Metropolitan Museum of Art in New York oder auch der Direktor des Centre Pompidou in Paris.
Fajt selbst hat sich nach seiner Abberufung frustriert in seinen Zweitwohnsitz Berlin zurückgezogen. Er müsse das alles erst einmal verkraften, sagte er der Sächsischen Zeitung. Und fügte hinzu: „Meine Entlassung ist ein Akt der Vergeltung und Einschüchterung, nicht nur gegen mich, sondern gegen die Meinungsfreiheit und Demokratie in der Tschechischen Republik.“
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Sorgen um Tschechien
Noch einmal also Miloš Zeman auf der Prager Burg. Einer winzigen Mehrheit nur verdankt das politische Urgestein von der Moldau seine zweite Amtszeit als tschechischer Präsident. Aber Mehrheit ist Mehrheit.