Nur noch wenige Tage bleiben bis zur Wahl des tschechischen Abgeordnetenhauses. Vor allem kleinere Parteien kämpfen um wichtige Stimmen, während die Polarisierung rund um außenpolitische Fragen zunimmt.
Am Ende waren sich dann doch alle einig: Auf die Frage, wohin die erste Auslandsreise als Premierminister gehen soll, kann es hierzulande auch fast nur eine Antwort geben: die Slowakei. Das ist in Tschechien gute Tradition. Daneben gab es wenig, wobei die acht Kandidaten bei der Superdebata am Sonntagabend im Tschechischen Fernsehen auf einen gemeinsamen Nenner kamen.
Acht Spitzenpolitiker und eine -politikerin, deren Parteien laut Umfragepotenzial realistische Chancen auf Mandate haben, stellten sich Rede und Gegenrede. Neben dem amtierenden Regierungschef Petr Fiala von SPOLU waren Karel Havlíček (ANO), Zdeněk Hřib (Piraten), Kateřina Konečná (Stačilo!), Petr Macinka (Motoristé), Tomio Okamura (SPD), Vít Rakušan (STAN) und Róbert Šlachta (Přísaha) vertreten. Es war die erste große TV-Debatte vor den Wahlen zum Abgeordnetenhaus am kommenden Freitag und Samstag, den 3. und 4. Oktober 2025.
Außenpolitik spaltet Parteienlandschaft
Einmal mehr machte die Debatte deutlich, wie schwierig es nach den Wahlen werden könnte, eine regierungsfähige Koalition zu schmieden. Die tschechische Parteienlandschaft ist – zumindest was die außenpolitische Ausrichtung angeht – in zwei Lager gespalten. „Ich möchte ein Land, das sich um seine Sicherheit kümmert und ein fester und verlässlicher Bestandteil der Europäischen Union und der NATO ist“, machte Premierminister Petr Fiala des konservativ-liberalen Bündnisses SPOLU deutlich. Auch der aktuelle Koalitionspartner, die Bürgermeisterpartei STAN, und die im vergangenen Herbst aus der Regierung ausgeschiedenen Piraten stehen auf dieser Seite. In aktuellen Umfragen hat dieses proeuropäische Lager aber keine eigene Mehrheit mehr.
Auf der anderen Seite des politischen Spektrums positionierten sich am Sonntagabend vor allem die EU-Skeptiker. Karel Havlíček von der ANO-Bewegung des ehemaligen Premiers Andrej Babiš kritisierte die Regierung scharf und zeichnete das Bild eines Staates, der das Vertrauen seiner Bürger verloren habe: „Es ist entscheidend, dass die Menschen dem Staat vertrauen – und das geschieht im Moment nicht.“ Tomio Okamura von der rechtsextremen SPD, Kateřina Konečná, die das linksnationale Bündnis Stačilo! (dt. „Es reicht!“) anführt, und Petr Macinka von den Motoristen, einer Anti-Green-Deal-Partei, setzten in ähnlicher Tonlage auf nationale Souveränität und attackierten Brüsseler Vorgaben, insbesondere in der Energie- und Klimapolitik. Konečná, aktuell Europaabgeordnete, ging sogar so weit, die Politik der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als größte Bedrohung für die Tschechische Republik zu bezeichnen. Stačilo! und SPD fordern zudem einen Austritt sowohl aus der Europäischen Union als auch aus der NATO.
Ex-Polizist Robert Šlachta, Gründer der rechtspopulistischen Antikorruptionspartei Přisaha, der sich vor allem eine Zusammenarbeit mit ANO vorstellen kann, schlug zwar deutlich mildere Töne an. Laut aktuellen Umfragen kann sich die Partei aber nur geringe Chancen auf den Einzug in das tschechische Unterhaus ausrechnen.
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Mehr…Mehrere Demos am Wochenende
Doch nicht nur im Fernsehstudio, auch auf den Prager Straßen spitzte sich die Stimmung am vergangenen Wochenende zu. Am Samstag versammelten sich mehrere Tausend Demonstrierende auf der Prager Burg, organisiert von der Bewegung „Stačilo!“, die mit scharfer Kritik an EU-Sanktionen, Migration und steigenden Lebenshaltungskosten auf Stimmenfang ging. Tags darauf protestierten wiederum tausende Gegner populistischer Parteien auf dem Prager Altstädter Ring und forderten eine klare proeuropäische Orientierung Tschechiens. Aufgerufen zur Demonstration hatte der Verein Milion chvilek pro demokraci (dt. Eine Million Momente für die Demokratie).
Diese parallelen Kundgebungen zeigten, wie stark das Land derzeit polarisiert ist – und wie sehr der Wahlkampf über die Frage geführt wird, welchen Kurs Tschechien außenpolitisch einschlagen soll. Eine Zusammenarbeit mit Parteien aus dem jeweils anderen Lager haben die Spitzenvertreter im Tschechischen Fernsehen am Sonntagabend erneut kategorisch ausgeschlossen.
Abschneiden der kleinen Parteien wird entscheidend
Damit rücken in den letzten Tagen vor der Wahl vor allem die kleineren Parteien in den Fokus. Bewegungen wie Přísaha, die Motoristen oder Stačilo! liegen laut Umfragen teils nur knapp über, teils knapp unter der Fünf-Prozent-Hürde und kämpfen um jede Stimme, die den Einzug ins Abgeordnetenhaus sichern könnte. Auch bei etablierten Kräften wie den Piraten oder der Bürgermeisterpartei STAN ist noch offen, wie stark sie tatsächlich abschneiden werden.
Fest steht schon jetzt: Keine der großen Parteien wird allein regieren können. Wer Tschechien in den kommenden vier Jahren führen wird, entscheidet sich deshalb nicht allein zwischen ANO und SPOLU, sondern vor allem daran, welche kleineren Partner es am Wochenende über die entscheidende Schwelle schaffen. Von ihrem Abschneiden hängt ab, ob nach der Wahl in Prag eine stabile Regierung gebildet werden kann – oder ob das Land in eine Phase politischer Unsicherheit rutscht.