Die drei größten tschechischen Hilfsorganisationen haben die Regierung von Petr Fiala (ODS) am Dienstag dazu aufgerufen, Menschenrechtsverletzungen in Gaza offen zu verurteilen. Sie drängen auf diplomatische Schritte für einen dauerhaften Waffenstillstand, die Freilassung von Geiseln und ein Ende der Blockade.

Internationalen Berichten zufolge sind weite Teile der Bevölkerung im Gazastreifen von Unterernährung und Hunger betroffen. Über 1300 Menschen seien nach Angaben der Vereinten Nationen (UNO) seit Ende Mai bei dem Versuch getötet worden, Hilfslieferungen zu erreichen. Die Organisationen kritisieren, dass das System der unabhängigen Versorgung zusammengebrochen sei, Zivilisten bei militärischen Einsätzen getötet würden und Kinder an Hunger sterben. Israels Blockade, die das Einfuhrverbot von Waren in den Gazastreifen verschärft hat und somit nur eine eingeschränkte Verteilung humanitärer Hilfe gewährt, wird sowohl von der UNO als auch einigen westlichen Regierungen verurteilt. 

Das Tschechische Rote Kreuz (Český červený kříž), Menschen in Not (Člověk v tísni) und Ärzte ohne Grenzen (Lékaři bez hranic) haben Premierminister Petr Fiala deshalb aufgefordert, angesichts der humanitären Katastrophe im Gazastreifen Stellung zu beziehen. „Die Haltung der tschechischen Regierung, die es vermeidet, die Ursachen des oben beschriebenen Leids zu benennen, ist inakzeptabel und unvereinbar mit ihren erklärten Werten“, heißt es in der Presseerklärung des Tschechischen Roten Kreuz.

Appell für humanitären Zugang und Schutz

Die Hilfsorganisationen bewerten die humanitäre Situation im Gazastreifen als kritisch und sehen grundlegende Bestimmungen des humanitären Völkerrechts verletzt. Laut UNO wurden bis zum 30. Juli 2025 über 60.000 Menschen in Gaza getötet, darunter 18.000 Kinder. 92 Prozent der Wohngebäude sind zerstört oder beschädigt. Seit 2023 kamen mehr als 1580 medizinische Kräfte, 495 humanitäre Helfer und 229 Journalisten ums Leben. Laut Ärzte ohne Grenzen leidet jedes vierte betreute Kind an akuter Unterernährung. Die Integrated Food Security Phase Classification (IPC) stuft die Lage als Hungersnot ein.

Das Tschechische Rote Kreuz appelliert deshalb an die Regierung, die Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht eindeutig zu verurteilen und sich gegen Pläne zur Zwangsumsiedlung der Bevölkerung Gazas in Drittländer auszusprechen. Sie sehen die Regierung in der Pflicht, diplomatisch auf die Einhaltung des humanitären Völkerrechts hinzuwirken. Neben einem dauerhaften Waffenstillstand und der Freilassung von Geiseln sei vor allem die Aufhebung der Blockade entscheidend. Nur so könne eine unabhängige, gerechte und von den Vereinten Nationen koordinierte Verteilung von Hilfsgütern sichergestellt werden.

Tschechiens Pro-Israel-Haltung in der Kritik

Tschechien gilt in der EU seit Langem als einer der engsten Verbündeten Israels. Die Regierung lehnt aktuell die Anerkennung Palästinas ab und verweist auf die Notwendigkeit einer verhandelten Zwei-Staaten-Lösung, beteiligt sich aber an humanitärer Hilfe für Gaza. Kritiker bemängeln, dass die Regierung nicht auf israelische Maßnahmen reagiere, die den Friedensprozess erschweren, etwa den Ausbau von israelischen Siedlungen auf palästinensischem Gebiet. Außenminister Jan Lipavský (parteilos) erklärte jedoch kürzlich, dass Tschechien extremistische Rhetorik und eine mögliche Annexion Gazas durch Israel klar ablehnen würde.

Der Krieg im Gazastreifen brach im Oktober 2023 aus, als Israel eine Militäroffensive als Reaktion auf einen Angriff der Terrororganisation Hamas und ihrer Verbündeten startete, bei dem Bewaffnete im Süden Israels 1200 Menschen töteten und weitere 251 als Geiseln nahmen.

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