Es gibt Angenehmeres, als vor dem eigenen Haus von einer Meute wissbegieriger Journalisten erwartet zu werden, die einen wegen einer womöglichen Strafsache einvernehmen wollen. Als der langjährige tschechische EU-Abgeordnete für die Kommunistische Partei (KSČM), Miloslav Ransdorf, am Wochenende aus Zürich kommend aus seinem Auto stieg, hatte er denn auch nur einen harschen Satz für die wartenden Fernsehleute: „Hauen Sie ab hier!“
Ransdorf (62) war mit drei slowakischen Staatsbürgern am vergangenen Donnerstag in einer Bank in Zürich festgenommen worden. Erst am Samstag früh durfte er die U-Haft verlassen. Vor der hatte ihn in der Schweiz auch nicht seine ansonsten europaweit geltende Immunität als EU-Parlamentarier geschützt. So weit ist alles unstrittig. Unklar ist dagegen bis heute, weshalb man Ransdorf und die drei Slowaken – zwei von denen sind wegen Steuer- und Betrugsdelikten vorbestraft – vorsorglich einlochte.
Die Schweizer Variante geht so: Die vier Männer hätten eine Vollmacht von einem gewissen V.H. sowie ihre Ausweise vorgelegt und die horrende Summe von 350 Millionen Euro abheben wollen. Da irgend eine Angabe auf der Vollmacht mit denen auf einem der Ausweise nicht übereinstimmte, witterten die Banker Lunte, holten die Polizei und ließen die Männer abführen. Seither ermittelt die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft gegen die vier wegen des Verdachts eines Vermögensdelikts. Bis zum Ende der Ermittlungen gelten sie als „Beschuldigte“, wie die Sprecherin der Oberstaatsanwaltschaft, Corinne Bouvard, am Dienstag Vormittag auf Anfrage mitteilte.
Gefallen für einen Landsmann
Die Variante von Ransdorf ließ auf sich warten. Erst am Dienstag Vormittag erklärte er den Vorgang der KSČM-Parteiführung, die vorab nicht sonderlich amüsiert war, dass da einer ihrer Spitzenleute auf internationalem Parkett für Negativschlagzeilen gesorgt hatte. Nach einem Bericht des Hörfunksenders „Radiožurnál“ behauptete Ransdorf vor dem Gremium – im Gegensatz zur Aussage der Schweizer Staatsanwaltschaft – dass er nicht mehr als „beschuldigt“ gelte. Die kommunistischen Parteioberen wiederholten bei der Anhörung die Aussage, dass Ransdorf „nicht im Parteiauftrag“ gehandelt habe. Was wohl dem Verdacht den Wind aus den Segeln nehmen sollte, bei der Summe handle es sich um bislang verstecktes Vermögen der früheren Staatspartei KSČ.
Ransdorf hat bislang jede unlautere Absicht oder gar ein verbrecherisches Vorgehen energisch zurückgewiesen. Er sei lediglich um einen „Gefallen“ gebeten worden: danach gehöre das Konto auf besagter Zürcher Bank einem Tschechen, der behindert sei und nicht in die Schweiz reisen könne. Der Tscheche sei Erbe eines 2005 verstorbenen Schweizers. Er bekomme zwar regelmäßig die Kontoauszüge geschickt, darüber hinaus sei jedoch keine Kommunikation mit der Bank möglich. Er, so Ransdorf, habe dem tschechischen Landsmann, den er persönlich nicht kenne, einfach einen „guten Dienst“ erweisen wollen. Einer der drei beteiligten Slowaken sei eine Art „Manager“ des Erben und habe Ransdorf auf die Geschichte angesprochen. Ausgestattet mit einer Vollmacht habe er dann einen direkteren Kommunikations-Draht zwischen dem Erben und Kontoinhaber einerseits und der Bank andererseits aufbauen wollen – vermutlich zu dem Zweck, dass der tschechische Erbe nicht nur an die Kontoauszüge, sondern auch an das Geld kommt. Es sei ausdrücklich nicht beabsichtigt gewesen, Geld von dem Konto abzuheben, betonte Ransdorf. Er habe für seine guten Dienste auch „keine Gegenleistung“ erwartet.
Brodelnde Gerüchteküche
Nach der Festnahme der vier Bankbesucher blühen in Tschechien und der Slowakei die Spekulationen. Zum einen über den verstorbenen Kontoinhaber. Dabei reichen die Mutmaßungen von einem „früheren hohen Nazi“ über einem „reichen Juden“ bis hin zu einem Menschen, der über „sehr viele Patente“ verfügt haben und in der „Rüstungsindustrie“ tätig gewesen sein soll. An diesen Spekulationen beteiligen sich nicht nur diverse Zeitungen, sondern beispielsweise auch der in der Causa mitteilungsfreudige slowakische Innenminister Robert Kalinak. Hilfreich waren die Spekulationen bislang nicht, weil sie jeweils ohne jeden Beleg blieben.
Was immer die Ermittlungen ergeben werden: sie werfen kein gutes Licht auf Ransdorf, der einst im Prognostischen Institut in Prag Tür an Tür mit den späteren Präsidenten Václav Klaus und Miloš Zeman saß, an der Uni in Leipzig Vorlesungen über Karl Marx hielt und nach 1989 ein Zugpferd der KSČM wurde. Wegen seiner Intelligenz – Ransdorf spricht angeblich 17 Sprachen – war er von der Parteiführung nach Straßburg weggelobt worden und vor den letzten Wahlen, als man seiner auch in Straßburg überdrüssig geworden war, auf einen ungünstigen Listenplatz gesetzt worden. Ransdorf verteidigte aber zum Missvergnügen seiner Parteibosse über ausreichend Erststimmen sein Mandat. Auffällig wurde er aber vor allem durch zwei selbstverschuldete Verkehrsunfälle und eine Privatinsolvenz. Vor Jahren griff er zudem einen holländischen TV-Mann körperlich an. Der hatte ihm vorgeworfen, sich nur für das nette Tagegeld von 300 Euro in die Anwesenheitsliste des EU-Parlaments eingetragen zu haben und dann gegangen zu sein. Seither wird Ransdorf in den sozialen Medien als „Pechvogel“ verspottet.
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