Es war denkbar knapp vor 25 Jahren. 1991 entschied eine Mehrheit von gerade einmal 18 Stimmen im Deutschen Bundestag darüber, Berlin zur Hauptstadt der Bundesrepublik zu machen. Zuvor hatten sich am Rednerpult über 100 Abgeordnete der Pro- und Contra-Seite abgewechselt.
Der Abstimmung waren sehr hitzige Debatten vorangegangen. Bonn, das 1949 zur provisorischen Bundeshauptstadt erklärt worden war – übrigens mit einer Mehrheit von vier Stimmen, war jahrzehntelang der Sitz der Regierung gewesen und hatte sich als Hauptstadt etabliert. Nach der Wiedervereinigung waren aber schnell Stimmen laut geworden, die aus Berlin, der Stadt, die wie keine andere für die Teilung Deutschlands und Europas durch den Eisernen Vorhang stand, nun ein Symbol für das wiedervereinigte Deutschland machen wollten. Es ging um Arbeitsplätze, Renommee und sehr viel Geld.
Nach einer Marathonsitzung mit über 600 Minuten beantragter Redezeit kam es dann am 21. Juni 1991 zur Abstimmung im Bundestag. Dabei stimmten 338 Abgeordnete für den Antrag „Vollendung der Einheit Deutschlands“, 320 waren dagegen. Damit war Berlin zwar zur Hauptstadt geworden, die Details der Umsetzung und damit der Hauptteil der Arbeit, lagen noch vor den Bundesbeamten.
Auf Amts- und Ministerialebene wurden in der Folgezeit Interessen abgewogen, Pläne erstellt und wieder verworfen. Erst 1994 wurde es mit dem Beschluss des „Berlin/Bonn-Gesetzes“ wirklich ernst. Der Regierungssitz wurde nach Berlin verlegt, Bonn erhielt den offiziellen Titel „Bundesstadt“ und behielt erste Dienstsitze von sechs Ministerien. Den Umzug der anderen Ministerien vom Rhein an die Spree kompensierte man zum Teil durch die Verlegung von 22 Bundesbehörden, etwa des Eisenbahn-Bundesamtes und des Bundesamtes für Naturschutz, nach Bonn. Ebenfalls dort angesiedelt wurden per Gesetzbeschluss die Post, die Telekom und die Postbank. Die acht nach Berlin umziehenden Ministerien behielten einen zweiten Dienstsitz in Bonn.
In Berlin baute man unterdessen neue Unterkünfte für die Bonner Beamten, die nun in die neue Hauptstadt ziehen sollten. Dafür hatte man bereits 1992 im „Hauptstadtvertrag“ den Bund zu einer Mitwirkung bei der hauptstadtbedingten Planung und damit hauptsächlich zur finanziellen Beteiligung daran verpflichtet. Die ursprünglichen Beschlüsse hatten einen Umzug bis 1995 vorgesehen, was sich aber als utopisch herausstellte. Schließlich einigte man sich auf das Jahr 2000 als spätestmögliches Datum. Die Verlegung des Parlaments erfolgte dann weitestgehend im Sommer 1999.
Mit dem Hauptstadtbeschluss wurde Berlin zumindest auf dem Papier wieder zur Hauptstadt Deutschlands. In den Jahren, die der denkwürdigen Abstimmung im Bonner Bundestag folgten, wurde es auch politisch dazu. Die Finanzhauptstadt bleibt aber weiterhin Frankfurt am Main, die Justizhauptstadt bleibt Karlsruhe und Mainz kann sich seit Mai 2008 Weinhauptstadt nennen. Trotz aller Verträge und Föderalismusreformen: Deutschland hat heute mehr Hauptstädte denn je, Berlin trägt sein demokratisch zuerkanntes Krönchen nur am gelassensten.
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