Ein Skandal folgt auf den anderen und dennoch zeigte sich Premier Andrej Babiš bislang unantastbar. Die neueste Entwicklung im Fall „Storchennest“ treibt nun wieder die Zivilgesellschaft auf die Straße – diesmal jedoch mit Unterstützung des Parlaments und Senats.
Ein Rücktritt komme für ihn nicht in Frage, sagte Babiš am Freitagmorgen der versammelten Presse vor seiner Abreise zu politischen Gesprächen in Brüssel. Damit reagierte auf das Motto „Jedině demisi“ (Nur den Rücktritt) einer großen Demonstration am Donnerstagabend, die die ganze obere Hälfte des Prager Wenzelsplatzes gefüllt hatte.
Zunächst sollte eine klein angelegte Demonstration direkt vor dem Parlamentsgebäude auf der Prager Kleinseite stattfinden. Die Veranstalter von der Künstlergruppe Auva hatten eigenem Bekunden nach sogar Befürchtungen, dass sich bei Temperaturen um 5 Grad niemand einfinden würde. Auf Facebook zeigte sich jedoch schnell, dass der aktuelle Skandal um den möglicherweise verschleppten Premierssohn viel Brisanz birgt. Die Demonstration musste auf Anweisung der Polizei auf den Wenzelsplatz umziehen und die wohl größte derzeit aktive außerparlamentarische Bewegung „Milion chvilek pro demokracii“ (Eine Million Augenblicke für die Demokratie) musste mit Technik aushelfen.
Es blieb nicht nur bei virtuellen Teilnahmebestätigungen. Die obere Hälfte des Wenzelsplatzes füllte sich ab 19 Uhr mit immer mehr laut nach dem Rücktritt des Premiers rufenden Demonstranten, angefacht von Aufrufen von der kleinen Bühnen vor dem Reiterstandbild des Heiligen Wenzel.
Neben den Veranstaltern und einem Liedermacher wechselten sich Politiker am Mikrofon ab. Allen voran Andrej Babišs ‚Lieblingsfeind‘ Miroslav Kalousek und Jiří Pospíšil von der konservativen Partei TOP 09 sowie Marian Jurečka von der christdemokratischen KDU-ČSL, die sich den Forderungen der Demonstration anschlossen und für die kommende Vertrauensabstimmung im Abgeordnetenhaus eine geschlossene Linie der demokratischen Oppositionsparteien gegen die Regierung ankündigten. Kalousek scherzte zudem, dass er zwar sonst an allem Schuld trage, wie ihm Andrej Babiš gerne vorwirft, aber weder er noch George Soros diese Demonstration bezahlt hätten.
Auch der unabhängige Senator Václav Hampl wurde auf die Bühne gebeten und teilte den Demonstranten mit, dass der Senat am Donnerstagmorgen mit großer Mehrheit beschlossen hat, die weitere Mitwirkung Andrej Babišs an der Regierung bis zur endgültigen Klärung der aktuellen Lage für „inakzeptabel“ zu erklären. Nachdem Babiš und Präsident Miloš Zeman den Senat für quasi überflüssig erklärt hatten, war diese Entscheidung keine große Überraschung.
Unterbrochen wurden die Auftritte und Aufzählungen von Andrej Babišs Verfehlungen von wiederholten Rufen „hanba“ (Schande) und „máme toho dost“ (wir haben genug davon). Die Veranstalter nutzten die Stimmung, um zu weiteren Demonstrationen aufzurufen, besonders am Samstag, dem „Tag des Kampfes für Freiheit und Demokratie“, und den noch nicht genau fest stehenden Termin der Vertrauensabstimmung im Abgeordnetenhaus.