Foto: St. Wenzel-Kirche in Letohrad - Bild: Wikipedia/Petr1888

Bischofskonferenz orientiert sich am Staat – der will keine Flüchtlinge.

Václav Vacek aus der katholischen Pfarrei im ostböhmischen Letohrad ist sauer auf seine Vorgesetzten. „Vom Flüchtlingsproblem wissen wir schon länger als ein Jahr. Auch über die Hilfe im Rahmen der Kirche reden wir schon lange, wollen unter anderem die Erfahrungen der Caritas nutzen. Wir warten, fragen, suchen, lösen die Probleme an der Basis. Aber unsere Bischöfe schweigen.“ 

 

 

Vaceks Verärgerung hat Gründe: „Wir haben nämlich tolle Leute in unserem Sprengel. Ein Mann aus der Nachbargemeinde ist Unternehmer. Er fragte uns, ob wir uns nicht der humanitären Hilfe in der Ukraine anschließen wollten. Am 1. Januar habe ich dann in der Kirche eine Sammlung angeregt. Am Sonntag darauf kamen 80 000 Kronen zusammen. Wir kauften davon Medikamente und schickten sie in die Ukraine. So oder ähnlich könnten wir auch den Flüchtlingen helfen.“

Vacek ist nicht der einzige Geistliche, der sich am Dienstag in der konservativen Tageszeitung „Lidové noviny“ derart beschwert. Er spricht von einer „Schande“ und von einer „einzigartigen Pleite“. Die katholischen Pfarrer in Tschechien fühlen sich in der Flüchtlingsfrage allein gelassen. Erst recht nach der Bitte des Papstes, jede Pfarrei möge eine Flüchtlingsfamilie aufnehmen,

Die Oberen der tschechischen Katholiken setzen andere Prioritäten. Der Generalsekretär der Bischofskonferenz, Tomáš Holub, sagt: „Vorrang für die Bischöfe haben die Wünsche und Bedürfnisse des Staates.“ 

Doch der tschechische Staat gehört zu den Ländern in Mittel-Osteuropa, die am liebsten gar keine Flüchtlinge aufnehmen würden und sich bislang hartleibig gegen eine Quotenregelung für die Aufteilung der gepeinigten Menschen aus dem Nahen Osten und Nordafrika sperren. Gemeinsam mit der Slowakei plädiert Tschechien für einen Korridor von Ungarn nach Deutschland, um die Flüchtlinge direkt „dorthin zu bringen, wo sie eh hinwollen“. Nach dem Motto: Hauptsache, wir werden selbst nicht von dem Problem behelligt. Tschechien hat sich lediglich bereit erklärt, binnen drei Jahren 1 500 Flüchtlinge aufzunehmen. Die Abneigung des Staates gegen die Flüchtlinge spricht sich bei denen rum. Nicht einmal 100 haben im ersten Halbjahr um Asyl in Tschechien nachgesucht. Ein Zustand, der die katholischen Geistlichen an der Basis bekümmert. Die Bischöfe jedoch offenbar nicht.

Der Referent der Prager Akademie für Pfarreien, Martin Staněk, kritisiert in der „Lidové noviny“ direkt den Prager Erzbischof Dominik Duka: „Ich habe keine Ahnung, ob der Kardinal im Rahmen der Kirche irgendeine Strategie erarbeitet hat. Wir haben jedenfalls keinerlei Instruktionen, wie wir mit dem Aufruf des Papstes umgehen sollen. Es ist unumgänglich, dass die Kirche hörbar wird und an die Moral der tschechischen Gesellschaft appelliert.“

Duka hat seine Sicht der Dinge am Montag im Kirchenradio „Proglas“ verkündet. Und die hörte sich für manchen Beobachter etwas seltsam an. Ja, die Kirche empfange die Bedrängten mit offenen Armen, sagte Duka. Aber: man müsse bei den Flüchtlingen auch „wachsam“ sein. Es bestehe die Gefahr, „dass mit der Welle der Migranten auch Feinde zu uns kommen. Wir wissen schließlich gut, wie junge Menschen und sogar Kinder für Terrorakte missbraucht werden. Wenn Menschen tatsächlich vor Krieg und Todesdrohung flüchten, werden sie sicher begreifen, dass sie ein Dach über dem Kopf bekommen, Essen, Trinken und grundlegende Dinge, aber auch, dass sie in einem fremden Land nicht einfach machen können, was sie wollen.“ Und wörtlich fügte er hinzu: „Das Recht auf Leben und Sicherheit unserer Familien und der Bürger dieses Landes steht über allen anderen Rechten.“

Bemerkenswert auch, wie sich der Prager Erzbischof über das Streben der meisten Flüchtlinge äußerte, nach Deutschland zu gelangen: „Mir scheint, die ständig wiederholte Losung ‚Ungarn no good, Deutschland good‘ ist das Abbild einer organisierten Kampagne.“ Die derzeit ergriffenen „kurzfristigen“ Maßnahmen zeigten das „Versagen der Einwanderungspolitik“ in Deutschland und anderswo.

Und schließlich bediente sich Duka auch noch der zynischen Argumentation des slowakischen Premiers Robert Fico, um den Unwillen des Staates gegenüber der vermehrten Aufnahme von Flüchtlingen zu begründen: „Haben wir je ernsthaft darüber nachgedacht, wie wir in unserem Land mit der Anwesenheit der Roma, der Vietnamesen und anderer Minderheiten klar kommen? Wenn wir fair sind, dann müssen wir zugeben, dass wir gegenüber Ausländern eine vorsichtige Haltung einnehmen. Womöglich auch deshalb erzeugt die Anwesenheit von Migranten auf allen Seiten solche Emotionen.“

Dazu passt die Aussage von Václav Vacek aus dem ostböhmischen Letohrad: „Wir werden unsere Kirchenoberen wohl zwingen müssen, etwas für die Flüchtlinge zu initiieren.“

 

{flike}

 

Werden Sie noch heute LandesECHO-Leser.

Mit einem Abo des LandesECHO sind Sie immer auf dem Laufenden, was sich in den deutsch-tschechischen Beziehungen tut - in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft oder Kultur. Sie unterstützen eine unabhängige, nichtkommerzielle und meinungsfreudige Zeitschrift. Außerdem erfahren Sie mehr über die deutsche Minderheit, ihre Geschichte und ihr Leben in der Tschechischen Republik. Für weitere Informationen klicken Sie hier.