Foto: Angela Merkel - Bild: Commons/EPP, CC BY 2.0

Hübsch sah es aus, als Bohuslav Sobotka seinen Gast Angela Merkel am Donnerstag auf einer Sonnenterrasse unweit des Prager Strahov-Klosters zu einer Zwischenmahlzeit einlud. Utopenci ließ er kredenzen, „ersoffene Würstchen“. Die Kanzlerin kann damit etwas anfangen. Derlei hat sie schon zu DDR-Zeiten als Praktikantin in der Prager Wissenschafts-Akademie gern gegessen.

Glaubt man manchen tschechischen Zeitungen, dann waren die utopenci so ziemlich das einzig Schöne, was Merkel abends beim Heimflug rekapitulierte, als sie an die paar Stunden an der Moldau zurückdachte. Die Gehässigkeit der angeblich seriösen „Mladá fronta Dnes“ etwa war kaum zu überbieten: Deren Titelzeile: „Merkel hat es in Tschechien nicht geschafft: keine Quoten“, die an den berühmten Merkel-Satz zur Flüchtlingsfrage erinnern sollte „Wir schaffen das!“, ist zwar auch ein bisschen witzig, geht aber inhaltlich erheblich am Anliegen des Besuchs vorbei.

 

Sobotka sagte am Freitag: „Merkel konnte nicht erwarten, dass sie die Tschechische Republik auf dem Feld der Migration für sich gewinnt. Das war auch nicht das Ziel ihres Besuches.“ Richtig! Merkel war in erster Linie gekommen, um von Sobotka zu hören, mit welchen Vorstellungen Tschechien zum nächsten EU-Gipfel nach Bratislava reisen wird, wo es um die künftige Gestalt der EU nach der Entscheidung der Briten geht, die Union zu verlassen. 

 

Das Thema Flüchtlinge konnte selbstverständlich auf dem Treffen nicht ausgespart werden, weil es derzeit eine – wenngleich die einzige – Belastung des ansonsten sehr guten tschechisch-deutschen Verhältnisses darstellt. Zudem hatte Präsident Miloš Zeman schon vorab angekündigt, dass er der Kanzlerin wegen ihres Flüchtlingskurses die Leviten lesen wolle. Gerne, kann man da nur sagen, lieber von Angesicht zu Angesicht als gemeinsam auf einer Bühne mit ominösen Islam-Feinden, Herr Präsident! Mit Leuten, die in Ermangelung von tatsächlichen Flüchtlingen, geschweige denn Terroristen und Halsabschneidern, per „Theaterspiel“ auf einem Kamel daher kommen, „Allahu akbar“ schreien, eine IS-Fahne schwenken, Platzpatronen in die Luft jagen und unschuldige Touristen verschrecken.

 

Merkel hat diesen Unterschied in den Ansichten erwartet und mit erfreulicher Gelassenheit hingenommen. Sie erinnerte auch daran, dass Deutschland selbst vor gar nicht so langer Zeit auch gegen eine Quotenregelung zur Verteilung der Flüchtlinge gewesen sei. Damals hatten Spanien und Italien am meisten mit dem Problem der Flüchtlinge zu kämpfen. Seinerzeit hat Deutschland seine Interessen geschützt, heute tut das Tschechien. Wo ist also das Problem, verehrte Kollegen der „Mladá fronta Dnes“ oder von „Echo.24″?

 

Wie die Kanzlerin natürlich auch genau weiß, dass es unfair wäre, nur den Tschechen und den anderen Mittelosteuropäern mangelnde Solidarität vorzuwerfen. Die sind zwar gegen eine Quote, sagen das aber wenigstens offen. Westliche Länder haben für die Quote gestimmt, setzen sie aber trotzdem nicht um und sind somit keinen Deut solidarischer als Tschechen, Slowaken, Polen und Ungarn.

 

Nein, es wird langsam Zeit, dass auch einige tschechische Zeitungen – namentlich aus dem Besitz von Herrn Babiš, der mit den Flüchtlingen neben Zeman hierzulande besonders große Probleme zu haben scheint – verbal endlich gegen Deutschland abrüsten. Sie sollten eher in der eigenen Regierung nachfragen, was die sonst noch so für den Bratislava-Gipfel über die künftige EU auf der Pfanne hat. Sobotka hat immerhin schon einen Vorschlag gemacht, den der Bildung einer europäischen Armee. Aber das kann ja noch nicht alles gewesen sein. 

 

Merkel hat darauf verwiesen, dass die Tschechen wirtschaftlich erfolgreich sind, eigentlich kaum Arbeitslosigkeit haben und somit in gewisser Weise vorbildhaft in Europa seien. Also sollen sich Sobotka, Babiš und Co ransetzen und eine Strategie entwerfen, die auch anderen Ländern der Union Wohlstand bringt und die den Abstand zwischen West und Ost beispielsweise bei den Einkommen verkleinert, wie das Sobotka gegenüber Merkel gefordert hat. Oder ist das zuviel verlangt? 

 

„Nein“ zu etwas zu sagen, was andere gern hätten, ist leicht. Selbst etwas zu entwickeln, eigene Visionen zu entwerfen, ist anstrengender. Doch man muss sich dieser Anstrengung irgendwann mal unterziehen, wenn man sich ansonsten immer lauthals darüber beschwert, dass sich Deutschland und die anderen westlichen Staaten für die Mittelosteuropäer nicht interessieren würden. Also, an die Arbeit, liebe Prager Politiker (und Journalisten)!

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