Foto: Prager Burg - Bild: LE/tra

Tschechien steckt in einer Regierungskrise, die sich am zweitreichsten Mann des Landes entzündet, einem milliardenschweren Unternehmer, der außerdem Vizepremier und Finanzminister ist. Andrej Babiš ist eine Art tschechischer Donald Trump, Politiker und Anti-Politiker zugleich.

Über Politiker spricht Andrej Babiš nur verächtlich – obwohl er selbst einer ist. Sie hätten „nie etwas Anständiges gelernt und hätten damit auch noch Karriere gemacht“. Babiš arbeitete lieber und machte richtig Geld. Das US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“ schätzt sein Vermögen auf 2,7 Milliarden Dollar. 

Auf dem Höhepunkt allgemeiner Unzufriedenheit – 2013 war die damalige Regierung über eine Korruptionsaffäre gestolpert – kandidierte er mit seiner Protestbewegung ANO selbst fürs Parlament und wurde auf Anhieb zur zweitstärksten Kraft, er selbst Finanzminister. Sein Slogan danach lautete: „Wir sind keine Politiker, wir arbeiten hart!“

Glaubt man den tschechischen Ermittlungsorganen und der Anti-Betrugsbehörde der EU, dann malochte Babiš nicht selten für sich selbst. Prager Journalisten errechneten, dass Babiš‘ Firma Agrofert zwischen 2004 und 2013 allein in Tschechien 160 Millionen Euro Fördergelder eingestrichen hat. Häufig genug auf dubiosen Wegen. Babiš räumt einen Interessenkonflikt ein. Aber er fügt stets treuherzig hinzu: „Aber ich nutze ihn nicht aus“. 

Agrofert ist ein für tschechische Verhältnisse Riesenkonzern, zu dem etwa 250 Unternehmen in 18 Ländern zählen. Auch in Deutschland ist Babiš aktiv. In der Lutherstadt Wittenberg beispielsweise ist man des Lobes voll über ihn. 2002 kaufte Babiš das Düngemittelwerk Piesteritz, einen der größten Arbeitgeber der Stadt, für den sich nach der „Wende“ niemand interessiert hatte. In Wittenberg lässt Babiš zudem einen neuen Standort der von ihm gekauften Bäckerei Lieken bauen. In Piesteritz sorgt er sich um seine Leute auch mit dem Bau von Kitas oder eines Ärztehauses.

Dass Wittenberg im Lutherjahr schmucker denn je ist, verdankt die Stadt ebenfalls auch ein bisschen Babiš. Der hat Renaissance-Häuser am Markt sanieren lassen. Was er für all das bezahlt hat, weiß er nicht so genau. Dass Babiš in seiner Heimat nicht eben unumstritten ist, stört die Wittenberger nicht.

Auch die Mitarbeiter in Babiš‘ tschechischen Firmen lassen nichts auf ihren Chef kommen. Löhne und Arbeitsbedingungen sind erstklassig. Was sich für ANO bei Regionalwahlen auszahlte. Die Umfragewerte für ANO vor den offiziell für Ende Oktober anberaumten Parlamentswahlen steigen auch ohne Ende. Derzeit liegen sie bei mehr als 30 Prozent. Die Sozialdemokraten, derzeit führend in der Koalition, sind auf unter die Hälfte gerutscht. 

Premier Sobotka könnte eigentlich mit Babiš hochzufrieden sein. Mit ihm als Finanzminister hat Tschechien die EU-weit niedrigste Arbeitslosenrate, ist die Staatsverschuldung massiv gesenkt worden und beginnen die Löhne spürbar zu steigen. Doch die Wähler schreiben die Erfolge allein Babiš zu.

Sobotka hat im Laufe der Legislaturperiode verschiedentlich versucht, seinem Juniorpartner die Flügel zu stutzen. Immer wieder verlangte er Auskunft darüber, wie es sein Vize in der Regierung zu seinem Vermögen gebracht habe. Babiš ‚ Antworten waren in der Regel ausweichend. 

Ende 2016 verabschiedete das Parlament auf Druck der Sozialdemokraten ein Gesetz gegen Interessenkonflikte von Politikern, im Grunde eine „Lex Babiš „. Das Gesetz soll aktive Minister und gleichzeitige Unternehmer von öffentlichen Aufträgen ausschließen. Babiš sprach von „Verrat“ seiner Koalitionspartner. Immerhin übergab er inzwischen sein Vermögen an einen Treuhandfonds. Das Sagen dort hat trotzdem weiter nur er allein – über seine Lebensgefährtin, die dort im Vorstand sitzt.

Zuletzt ging der Streit zwischen Sobotka und Babiš um steuerfreie Schuldscheine, die Babiš Ende 2012 seinem eigenen Unternehmen abgekauft hatte. Dies geschah kurz vor einer Gesetzesänderung, die dieses „Steuer-Schlupfloch“ schließen sollte. Kritiker sehen darin einen Missbrauch des Systems. Babiš selbst sieht das anders: „Niemand zahlt mehr Steuern als nötig, oder?“

Am Ende wartete der Premier nicht mal eine Erklärung Babiš‘ zu der Causa ab und trat am Dienstag zurück – und mit ihm automatisch die komplette Regierung. Babiš allein entlassen wollte er nicht, weil der damit vor den Wahlen zum „Märtyrer“ werden könnte. 

Der weitere Gang der Dinge liegt bei Präsident Zeman. Der hat in seiner Entscheidung völlig freie Hand. Zeman könnte theoretisch auch Sobotka, den er überhaupt nicht mag, ausbooten und Babiš, mit dem er sich blendend versteht, zum neuen Premier ernennen. Er könnte dazu auf Babiš‘ persönliche Popularitätswerte verweisen. Die sind die höchsten aller Politiker in ganz Tschechien. Dann wäre Babiš tatsächlich der „tschechische Trump“.

{flike}

Werden Sie noch heute LandesECHO-Leser.

Mit einem Abo des LandesECHO sind Sie immer auf dem Laufenden, was sich in den deutsch-tschechischen Beziehungen tut - in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft oder Kultur. Sie unterstützen eine unabhängige, nichtkommerzielle und meinungsfreudige Zeitschrift. Außerdem erfahren Sie mehr über die deutsche Minderheit, ihre Geschichte und ihr Leben in der Tschechischen Republik. Für weitere Informationen klicken Sie hier.