Drei Viertel der Tschechen zahlen regelmäßig bargeldlos. Scheine und Münzen haben nur noch wenige bei sich, vor allem ältere Leute.
Wenn die Schüler des Prager Gymnasiums bei mir um die Ecke in den Pausen in einem kleinen Früh- und Spät-Shop etwas kaufen, bezahlen sie in der Regel locker lässig mit ihrem Mobiltelefon. Die Datenübertragung dabei erfolgt verschlüsselt und gilt als sicher. Die Informationen können nicht so leicht von Dritten abgefangen und ausgelesen werden. Die Sicherheit spielt für meine Gymnasiasten freilich eine eher untergeordnete Rolle. Das Zahlen mit dem Handy ist aus ihrer Sicht „einfach cool“. Und sie geht blitzschnell.
Bargeld in Tschechien immer unbeliebter
Wenn ich in meinem vorgerückten Alter mit meiner Kreditkarte bezahle, werde ich von den umstehenden jungen Leuten immerhin noch akzeptiert. Auch wenn die Karte als Zahlungsmittel bei ihnen als „oldschool“ gilt und ich für die Heranwachsenden damit schon ziemlich „von gestern“ bin. Immerhin krame ich in meinem Geldbeutel nicht lang und breit nach passendem Bargeld. Das würde bei den Pubertierenden womöglich verständnisloses Augenrollen verursachen. Immerhin würde es ihnen der Respekt verbieten, so laut darüber zu murren, dass ich es mitbekäme.
Nicht nur die Jungen, sondern die Tschechen allgemein nehmen zunehmend Abschied vom Bargeld. Drei Viertel bezahlen regelmäßig bargeldlos. Die Nachbarn in Deutschland verfahren dagegen zu 51 Prozent noch nach dem Motto „nur Bares ist Wahres“. Drei Viertel der Tschechen leben nahezu bargeldlos. 58 Prozent haben maximal ein paar Hundert Kronen bei sich, wenn sie aus dem Haus gehen, 25 Prozent nur etwas Kleingeld, drei Prozent gehen gänzlich bargeldlos durch die Welt und acht Prozent ziehen Geld am Automaten nur dann, wenn sie wissen, dass dort, wo sie einkaufen oder einkehren, keine Karten akzeptiert werden.
Die Tschechen gehören damit zu den besonders „fortschrittlichen“ Europäern. Und der Trend verstärkt sich: 71 Prozent der Tschechen sind der Meinung, dass Händler verpflichtet werden sollten, Kartenzahlung zu akzeptieren. Nur ältere Tschechen sehen das Thema völlig anders. Sie sind vorsichtiger und hängen am Bargeld.
Trinkgeld besser in Bar
In den Restaurants und Cafés hat man sich längst darauf eingestellt. Geht es dort ans Bezahlen, fragen die Kellner fast immer, ob man bar oder mit Karte bezahlen möchte. Ich nutze fast ausnahmslos die Karte. Ein Trinkgeld gebe ich dagegen immer extra in bar. Ich könnte das auch auf den Preis draufschlagen und mit der Karte bezahlen. Ich bilde mir aber ein, dass es dem Servierpersonal lieber ist, wenn es ein Trinkgeld bar bekommt, weil das auf diese Weise nicht „in den Büchern“ des Gasthauses auftaucht und womöglich versteuert werden muss. Trinkgeld ist Trinkgeld und sollte denen ungekürzt zugutekommen, die sich diese „Belohnung“ für freundliche und sachkundige Bedienung tatsächlich verdient haben. Ich bin das seit Jahrzehnten so gewöhnt und möchte diese Gewohnheit auch nicht ändern. Übrigens freuen sich auch gestresste Paketboten oder andere Dienstleister, die etwas zu mir nachhause bringen, über ein Trinkgeld. Nicht nur, aber gerade auch in der Vorweihnachtszeit.
Im Grunde ist für mich „meine“ Trinkgeldregelung ein richtiger Grund, weshalb ich gegen ein Ende des Bargelds bin. Das Pro und Contra Bargeld hat längst globale Formen angenommen. Für Bargeld spricht aber auch, dass man in Krisenzeiten – etwa bei einem Strom-Blackout – nicht einfach so an Geldautomaten an sein Geld kommt und somit „zahlungsunfähig“ werden könnte. Mit etwas Bargeld wird man also nicht gänzlich von den Banken abhängig. Bargeld ist außerdem völlig anonym. Keine Institution kann mein Bargeld „überwachen“. Bargeld kann überdies bei einem Angriff auf die Bank nicht einfach vom Konto „verschwinden“. Bargeld ist zudem in jedem Land gesetzliches Zahlungsmittel. Niemand kann es ablehnen, es sei denn, man hat im Vorhinein eine andere Zahlungsmethode vereinbart.
Noch also droht dem Bargeld keine Götterdämmerung. Auch wenn das Bezahlen damit manchen als „uncool“ erscheint.
Dieser beitrag erschien zuerst in der landesecho-ausgabe 12/2024
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