Aus den einfachsten Materialien Großartiges schaffen und damit Kinderherzen erobern – davon träumt, wer Puppen- und Animationsfilme für die Jüngsten erschafft. Besonders die tschechische Produktion blickt in der Hinsicht bereits auf eine lange Tradition von Animationsfilmen zurück. Es gibt aber auch heutzutage junge Regisseure, die daran anknüpfen.
Anfänge des tschechoslowakischen Animationsfilms
Einer der Ersten auf dem Gebiet des tschechoslowakischen Animationsfilms war der gebürtige Pilsener (Plzeň) Jiří Trnka. Noch im Jahr 1945 gründete er das Filmstudio „Jiří Trnka a Bratři v triku“ (Jiří Trnka und die Brüder im Trick/Hemd) in Prag, wo er nicht nur Puppen- und Zeichentrickfilme für Kinder, sondern auch Antikriegsfilme produzierte. Außerdem wurden hier einige Folgen des tschechischen Sandmännchens gedreht, das Studio beteiligte sich aber auch an der Produktion von „Tom und Jerry“.
Trnka gehört somit nicht nur zu den Begründern des tschechischen animierten Films, sondern wird nicht selten auch als „Walt Disney des Ostens“ bezeichnet. In der Tschechoslowakei begeisterten ganz besonders die Puppenfilme vom Soldaten Schwejk das Publikum, doch bekannt wurde Trnka auch im Ausland. Die Kinder in Deutschland konnten beispielsweise seine Verfilmungen „Prinz Bajaja“ oder „Der Kaiser und die Nachtigall“ sehen.
Großartige und international anerkannte Filme brachte aber auch der Regisseur Karel Zeman, welcher ebenfalls als ein Begründer des tschechischen animierten Kinderfilms gilt, hervor. Er erschuf unter anderem, basierend auf einem Roman von Jules Verne, den Fantasyfilm „Reise in die Urwelt“. Nur kurze Zeit später kürte man diesen auf den Filmfestspielen von Venedig im Jahr 1955 zum besten Kinderfilm. Auch eine weitere Verfilmung mit dem Titel „Die Erfindung des Verderbens“ erhielt den Hauptpreis des Filmfestivals der EXPO 58 in Brüssel. Zeman zeichnete sich vor allem durch die von ihm verwendete Filmtechnik aus, die reale Szenen mit Schauspielern mit Trickfilmsequenzen verband. Nicht umsonst widmet sich heute ein ganzes Museum in der Nähe der Prager Karlsbrücke seiner Person und seinem Werk.
Bisher war nur von männlichen Vertretern die Rede. An dieser Stelle sollte aber auch eine bedeutende Frau im tschechischen Filmgeschäft erwähnt werden, nämlich Hermína Týrlová. Sie leistete noch vor dem Zweiten Weltkrieg wichtige Pionierarbeit im Bereich des Puppenfilms und war vorrangig im südmährischen Zlín tätig. Bereits im Jahr 1942 entstand einer ihrer ersten animierten Puppenfilme, der von einer Ameise namens Ferda („Ferda Mravenec“ nach Motiven von Ondřej Sekora) handelt. Vor allem wegen der Einfachheit und Verständlichkeit der von ihr geschaffenen Trickfilme erfreuten sich diese bei vielen Kindern großer Beliebtheit.
Alles nur Geschichte?
Mit Sicherheit nicht. Bis heute besteht die Film- und Fernsehfakultät der Akademie der Musischen Künste (kurz: FAMU) in Prag. Sie gilt als einer der ältesten und zugleich renommiertesten Filmschulen der Welt und brachte viele talentierte und erfolgreiche Filmemacher wie Věra Chytilová oder Miloš Forman hervor.
Erst vor kurzem wurde auch der tschechische Animationsfilm „Pouštět draka“ („Drachensteigen“) des ehemaligen FAMU-Studenten Martin Smatana auf der Berlinale gezeigt. Bei dem animierten Kurzfilm für Kinder ab vier Jahren handelt es sich um eine rührende Geschichte von einem Großvater und seinem Enkelsohn, die gemeinsam Drachen steigen lassen. Der Großvater wird älter und schwächer und eines Tages fliegt er mit dem Drachen in den Himmel. Auf metaphorische, symbolische, vor allem aber kindgerechte Weise behandelt der junge tschechische Regisseur in seinem Film die Themen Leben und Sterben.
Obwohl der Film von der Berliner Kinderjury nicht zum besten Film dieser Kategorie gekürt wurde, steht die tschechische Animationsfilmszene mit ihren jungen Regisseuren nicht schlecht da: Bald soll ein weiterer tschechischer Film auf den großen Leinwänden der Internationalen Filmfestspiele in Venedig gezeigt werden. In diesem Fall trägt er den Titel „SH_T HAPPENS“, stammt von Michaela Mihályi und David Štumpf und richtet sich eher an ein erwachsenes Publikum.
An Nachwuchs mangelt es der tschechischen Produzentenszene, die sich animierten Filmen widmet, also mit Sicherheit nicht. Neben der Beliebtheit im In- und Ausland verbindet noch etwas anderes die junge mit der alten Generation der tschechischen Animationsfilmkünstler: die Liebe, mit welcher die jeweiligen Filme produziert sind, der kindgerechte, aber dennoch lehrhafte Charakter und nicht zuletzt die tiefgründigen Gedanken, die hinter dem Dargestellten stecken.
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