Starten Sie mit einer geballten Ladung Kultur in den November. Zum Beispiel mit einem Besuch der Retrospektive des tschechischen Künstlers Bedřich Dlouhý in der Hauptstadtgalerie oder mit elektronischen Klängen des Künstlers Iannis Xenakis im Centrum für Gegenwartskunst DOX. Für Anhänger klassischer Werke zeigt das Prager Nationaltheater „Die Leiden des jungen Werther“, Verdis „Maskenball“ und Smetanas Oper „Dalibor“. Außerdem eröffnet im Goethe-Institut eine neue Fotoausstellung zum Thema „Brücken“.
„Mein Gusto“ – die Retrospektive von Bedřich Dlouhý
In der Hauptstadtgalerie (Galerie hlavního města Prahy) eröffnet am Freitag, den 1. November, die Retrospektivausstellung „Bedřich Dlouhý – moje gusto“ (auf Deutsch: „Bedřich Dlouhý – mein Gusto“). Die Ausstellungskuratorin Mahulena Nešlehová präsentiert darin zum ersten Mal das Werk eines der Mitbegründer der legendären tschechischen Künstlergruppe Šmidrové. Dabei konzentriert sie sich auf die Zeitspanne von 1956 bis zur Gegenwart.
Die Ausstellung, die sich über mehrere Ausstellungssäle im obersten Stockwerk der Stadtbibliothek in Prag 1 ausdehnt, macht den Besucher mit der facettenreichen Persönlichkeit des heute 87-jährigen tschechischen Malers Bedřich Dlouhý bekannt. Sie enthüllt ihm darin die Welt seiner künstlerischen Imagination, präsentiert originelle Zugänge, Methoden und Experimente, die die Grenzen der zeitgenössischen Bildauffassung gesprengt haben. Viele von den Werken des Künstlers sind der Öffentlichkeit bisher verborgen geblieben, einige von ihnen erleben in der Galerie der Hauptstadt Prag die Ausstellungsprämiere.
Die Kunst von Bedřich Dlouhý zeichnet ein unerschöpfliches Dada-Wesen, wodurch sich die Šmidrovés, die die Maler Dlouhý und Jaroslav Vožniak, die Bildhauer Karel Nepraš und Jan Koblasa und der Komponist Jan Komorous 1957 gründeten. Der geschlossene, nonkonforme künstlerische Herrenverein reagierte in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit seinem absurden Humor auf das Pathos des herrschenden kommunistischen Regimes. Die Autoren präsentierten sich als ein Geheimbund, der etliche Scherzveranstaltungen organisierte. Warum nannten sie sich eben die „šmidras“? „Bei einem Treffen griffen wir Nepraš an, der gegen etwas protestierte, sodass er Strafen für vulgäre Worte forderte. Und jemand von uns sagte: ‚Du bist eigentlich wie ein Polizist, ein sogenannter „šmidra“‘. Und das denke ich mir wirklich nicht aus, denn Nepraš fühlte sich beleidigt und ging weg. Und auf diese Weise entstand der Begriff „šmidra“, erinnerte sich der Maler Bedřich Dlouhý.
Die Šmidra-Gruppe sowie das Werk von Dlouhý zeichnen sich durch eine ernste-unerste bis absurde Kunst aus, eine ironische Reflexion von Pop-Art und Fotorealismus, die ihren Ausdruck in der Technik der Collage und Assemblage gefunden haben. Bei der Letztgenannten handelt es sich um eine künstlerische Technik, wodurch man ein zweidimensionales Bild um eine dritte Dimension erweitert, indem man bestimmte dreidimensionale Objekte und Reliefartefakte anwendet. Diese Technik war in der damaligen Tschechoslowakei während der 50er und 60er Jahre verbreitet.
Einen selbständigen Ausstellungsteil bildet der dokumentarische Film von 2011 über die „Šmidras“, der im Rahmen des Projekts „Ateliery“ (auf Deutsch „Die Ateliers“) für das Tschechische Fernsehen entstanden ist. Darin wird der unerschöpfliche Erfindergeist sichtbar, der für die Šmidras von Anbeginn an bezeichnend wurde. Eigens für diese Retrospektive ist ein Bildkatalog in der Werkstatt des hochgeschätzten graphischen Typographs und Designers Zdeněk Ziegler (1932) entstanden. Die Ausstellung ist zu sehen bis zum 16. Februar 2020.
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Xenakis elektrische Musik ertönt DOX+
Der französisch-griechische Künstler Iannis Xenakis (1922−2001) war ein Multitalent, das sich im Bereich Musik, Mathematik sowie Architektur betätigte. Der in Rumänien geborene Künstler lebte in Frankreich und zählt heutzutage zu den Pionieren elektronischer Musik.
Seine avantgardistischen Kompositionen, die den Zuschauer in eine rohe, unveränderliche Welt mitreißen, vereinen Mathematik und Architektur, was auf Xenakis Freundschaft zu dem weltberühmten französischen Architekten Le Corbusier zurückzuführen ist.
Unter der Mitarbeit des Centrums für Gegenwartskunst DOX (Centrum současného umění DOX) mit dem Ostrava-Zentrum (Ostravské centrum) ertönen am Dienstag, den 5. November um 19 Uhr im multifunktionellen Saal DOX+ in Prag orchestrale Werke von Xenakis, der zu einem der originellsten Komponisten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zählt.
Unter dem Taktstock des tschechischen Dirigenten Petr Kotík, der sich jahrelang mit der Interpretation von Xenakis-Werken beschäftigt hat, werden Kompositionen ertönen, die das 85-köpfige internationale Ensemble Ostrava New Orchestra „ONO“ mit jungen Musikern aus Deutschland, Ungarn und aus den Vereinigten Staaten aufführen wird. Auf dem Konzert wird sich der deutsche Baritonist Holger Falk vorstellen, der sich auf Xenakis′ anspruchsvolle Werke spezialisiert hat. Die Pauke übernimmt Tamás Schlanger aus Budapest, der bereits während des Studiums mit der berühmten Amadinda Percussion Group aus Ungarn zusammenarbeitete. Als dritter Solist wird am exklusiven Xenakis-Abend in Prag der New Yorker Posaunenvirtuose William Lang auftreten. Den Auftakt zum Programm im Saal DOX+ wird die anspruchsvolle Komposition „Ata“ bilden, die Iannis Xenakis 1987 für das Orchester geschaffen hat.
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Drei Stücke für Opernliebhaber: Werther, der Maskenball und Dalibor in der Staatsoper Prag
Die Staatsoper Prag bietet am 1. und 8. November die Aufführung von „Werther“, das auf Goethes Briefroman „Die Leiden des jungen Werther“ von 1774 basiert. Die aktuelle Darbietung geht auf den französischen Komponisten Jules Massenet (1842-1912) zurück, der zum Zeitpunkt seiner Beschäftigung mit diesem Stück bereits ein erfahrener und geschätzter Opernautor gewesen ist. Sein Musikstil, mit dem er an seinen Lehrer Mignon Ambrois Thomas anknüpfte, zeichnet eine reiche Melodie und farbige Orchestrierung, die er von Richard Wagner lernte.
Die Geschichte des jungen Werther und seiner unglücklichen Liebe zu Charlotte gehört zu den prägenden Werken des Sturm und Drang, die eine emotionale Antwort auf den kühlen Rationalismus der Aufklärung gab. Die bewegende Liebesgeschichte drückte Massenet durch eine suggestive Musik aus. Nun kehrt nach etwa 80 Jahren eines der beliebtesten Spielstücke des französischen Musikkanons ins Nationaltheater Prag zurück. Die Premiere fand 1996 in Het Muziektheater (Nederlandse Opera) in Amsterdam statt. Die Oper erklingt in der französischen Sprache unter dem Taktstock von Petr Kofroň. Als Werther wird der slowakische Bariton Peter Berger zu hören sein, die Rolle von Charlotte übernimmt die tschechische Mezzosopranistin Veronika Hajnová.
Am 2. November wird auf der Bühne des Nationaltheaters die amerikanische Sopranistin Jennifer Rowley gastieren. Sie stellt sich dem Prager Publikum in der Rolle von Amélie in Giuseppe Verdis „Maskenball“ („Un Ballo in maschera“) vor. „Ich verliebte mich in den Teil von Amélie schon beim ersten Anhören dieses Stückes bereits vor vielen Jahren. Diese wunderbare Rolle sang ich auf unterschiedlichen Wettbewerben, bevor ich meine professionelle Karriere startete. Und nun ist mein Traum in Erfüllung gegangen!“, äußerte sich enthusiastisch Jennifer Rowley im Gespräch für das Magazin des Nationaltheaters. Wie sie weiterhin zugab, sehe sie die Rolle der Amélie zwar kompliziert, aber höchst interessant an. An Verdis Musik bewundere sie den häufigen Belcanto und den dramatischen Gesang. „Daher empfinde ich es als eine große Ehre, dass ich mit eben dieser Rolle in diesem schönen Theater und Stadt debütiere“, bekannte sich die Operndiva.
Die Dreiaktoper von Giuseppe Verdi (1813-1901) nach dem Libretto von Antonio Somma aus dem Jahr 1859 behandelt ein historisches Ereignis aus der Geschichte Schwedens: die Ermordung von Gustav III. während eines Maskenballs in Stockholm 1792. In Prag wurde das Opernwerk in deutscher Übersetzung im Ständetheater (Stavovské divadlo) 1866 uraufgeführt. Die aktuelle Inszenierung studierte der Musikdirektor des Nationaltheaters in Prag, der Dirigent Jaroslav Kyzlink, ein.
Am Mittwoch, den 6. November, zeigt die Staatsoper Prag die Oper „Dalibor“ von Bedřich Smetana. Die Prämiere fand 1868 im Neustädter Theater in Prag (Novoměstské divadlo v Praze) statt. Den Anlass dazu gab die Grundsteinlegung für den Bau des tschechischen Nationaltheaters.
Das romantische Drama über den Ritter Dalibor, der den Tod seines besten Freundes rächen möchte, bezieht sich auf eine historische Begebenheit. In der jüngsten Inszenierung in der tschechischen Sprache mit tschechischer und englischer Betitelung werden Peter Berger als Dalibor und Jakub Kettner als Budivoj auftreten. Das Orchester der Staatsoper Prag wird Jaroslav Kyzlink leiten. Die Oper wurde seit seiner Premiere in Prag regelmäßig gespielt und erlebte bereits 1100 Aufführungen. Die Prager Oper feierte mit dem Titel Erfolge im Ausland, darunter in Wien, Berlin, Moskau und Edinburgh.
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Wo Menschen Brücken treffen
Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des Mauerfalls eröffnet am kommenden Montag, den 4. November, im Goethe-Institut eine Ausstellung des Fotografen Bernd Blumrich. Das Thema: Brücken.
Brücken regen die Fantasie des Menschen an, so wie kaum ein anderes technisches Bauwerk. Für den Fotografen Bernd Blumrich sind die Brücken die Statik der Menschlichkeit. Täglich werden Brücken gebaut, betreten, überquert oder auch eingerissen. Wenn eine Brücke ihre Funktion nicht mehr erfüllen kann, verbleibt sie als Mahnmal und erinnert durch ihr bloßes Dasein an die ihr einst zugedachte Bedeutung. Eben darin liegt jedoch auch die Chance, ihr wieder neue Bedeutung zukommen zu lassen.
Es werden insgesamt 15 großformatige Fotos ausgestellt. Der Eintritt ist frei.
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