Zwischen den Büchern im Ausstellungsraum des Prager Literaturhauses deutschsprachiger Autoren summen noch die Stimmen der Literaturliebhaber, bevor die Gäste der Buchpräsentation „Ich träume von Prag“ auf ihren Stühlen Platz nehmen.
Neben den Herausgebern der Anthologie, Andrea Fischerová und Marek Nekula, die nicht nur Literaturwissenschaftler sind, sondern auch hin und wieder selbst die Feder zücken, war die in der Schweiz lebende Autorin Katja Fusek geladen.
Die Idee zum Buch hatten die Herausgeber im Rahmen eines Gesprächs über das Verhältnis zwischen der Muttersprache und der Literatursprache von Autoren. Es ergab sich eine lange Liste von Schriftstellerinnen und Schriftstellern mit tschechischem Hintergrund, die in deutschsprachigen Ländern leben und auf Deutsch schreiben.
Diesen Autoren stellten die Herausgeber eine Frage, zu der sie eine Kurzgeschichte
schreiben sollten: Wie träumen Sie von Prag? Als Antwort erhielten Andrea Fischerová und Marek Nekula „Erinnerungsträume“ von neunzehn Autoren, darunter Jiří Gruša, Jan Faktor oder Maxim Biller. Alle haben sie etwas gemeinsam: Prag ist bei ihnen Chiffre. „Prag ist ein Symbol für etwas, das wir nicht alltäglich leben, aber wohin wir immer wieder kommen und wovon wir uns begeistern lassen“, schildert Andrea Fischerová und macht deutlich, dass die im Buch versammelten Autoren eng mit Prag verwoben sind.
Das ist das Bindeglied zwischen den neunzehn sehr unterschiedlichen Texten. „Ich denke, es ist uns gelungen, einen Rhythmus in das Buch hineinzubringen, so dass die Texte aneinander anschließen“, erklärte Herausgeber Marek Nekula. In der Anthologie sind fiktionale Texte genauso vertreten wie autobiografische Erzählungen, oft gibt es keine klare Trennlinie zwischen Fakt und Fiktion.
Das Themenspektrum ist breitgefächert: Es geht um Kafka, um Grenzen und Grenzüberschreitungen und die literarische Bearbeitung geschichtlicher Ereignisse wie zum Beispiel des Prager Frühlings, die – bedingt durch die verschiedenen Generationen, die in der Sammlung vertreten sind – ganz unterschiedlich ausfällt.
Sprachwechsel und Erinnerungen
In der Einführung durch Moderatorin Barbora Šrámková vom Prager Literaturhaus tauchte der Begriff „Migrationsliteratur“ auf und die Frage, ob sich damit die Literatur dieser Autoren im Hinblick auf ihre Multinationalität beschreiben lässt.
Der Sprachwandel, den die Grenzgänger-Literaten durchlebten, würde es nahelegen. „Der Begriff ,Migrationsliteratur‘ ist problematisch“, erklärte Marek Nekula, „man läuft Gefahr, die Autoren auf ihre Biografie zu reduzieren. Es scheint mir, dass dieser Begriff eher abgrenzt und ausschließt, von der breiten Literatur, als zu öffnen“, so der Wissenschaftler.
Auch Katja Fusek teilte diese Ansicht. „Ich empfinde es als diskriminierend, wenn man von meiner Literatur als Migrationsliteratur spricht“, betonte die Schriftstellerin. „Ich bin einfach eine Autorin mit tschechischem Hintergrund, die auf Deutsch schreibt und in der Schweiz lebt“, so die 45-Jährige. Für Katja Fusek ist auch die Identität eng mit der Sprache verbunden. Ihre Beziehung zur deutschen Sprache nennt die Autorin Katja Fusek „distanziert“, obwohl sie schon mit zehn Jahren in die Schweiz zog. „Tschechisch ist für mich die emotionale Sprache“, sagte die Autorin. „Aber ich beherrsche Tschechisch nicht mehr so gut, dass ich schreiben könnte.
Ein Prager Erinnerungstraum konnte auf der Buchpräsentation schließlich noch erlauscht werden, denn der Abend klang mit Katja Fuseks Lesung ihrer Kurzgeschichte aus. Die Zuhörer begegneten der Protagonistin Dagmar an einem heißen Sommertag in Prag, ihrem letzten Tag in Prag, bevor sie als junges Mädchen mit ihren Eltern in die Schweiz zieht. An der spannendsten Stelle hörte die Autorin auf zu lesen. „Das Ende können Sie im Buch nachlesen“, lächelte Katja Fusek und erntete fröhliches Klatschen aus dem Publikum.
Fischerová, Andrea/Nekula, Marek (Hgg.): Ich träume von Prag. ISBN: 978-3-88849-068-2. 388 Seiten, Leinen. 22,80 Euro.
Die Autorin studiert Slawistik und Kunstgeschichte in Freiburg und ist LZ-Praktikantin