Unser LandesBlogger Jonas Klimm war immer nah dran am Sudetendeutschen Tag, aber nie dabei. Grund genug, sich endlich mal in die Gästeliste eintragen zu lassen.
Ich komme nicht umhin, der Beginn dieses LandesBlogs bedarf eines Geständnisses: Ich bin privilegiert. Privilegiert, über das folgende Thema zu schreiben. Eigentlich. Schließlich ist Augsburg meine Heimatstadt. Und in keiner anderen Stadt wurde der Sudetendeutsche Tag in den letzten zehn Jahren sooft abgehalten – ganze sechsmal. Zuletzt im Jahr 2018. Zudem pflegt Augsburg seit zwanzig Jahren eine enge Städtepartnerschaft mit dem nordböhmischen Reichenberg (Liberec). Ja, Augsburg besitzt sogar eine kleine Stube im Herzen der Stadt, die sich mit der Geschichte Reichenbergs und dem gesamten Sudetenland beschäftigt. Und trotz aller genannter Aspekte habe ich mich erst kurz vor Beginn meines Praktikums in der LandesEcho-Redaktion bewusst mit den engen Verbindungen Augsburgs zu den Sudetendeutschen auseinandergesetzt. Nun aber genug der Selbstkasteiung. Ich mache es wieder gut, ich gehe auf den 71. Sudetendeutschen Tag. Zwar „nur“ in München, aber auch die bayerische Landeshauptstadt sollte hin und wieder mal eine Chance bekommen.
Angekommen am Münchner Gasteig. Foto: Jonas Klimm
Karlspreisträger Daniel Hermann
Bereits in der U-Bahn werde ich von zwei älteren Damen im traditionellen Gewand flankiert, für mich das Zeichen: Ich bin auf dem richtigen Weg. Angekommen am Münchner Gasteig versuche ich mich zu orientieren, als akkreditierter Journalist habe ich die freie Platzwahl. 500 Gäste sind coronabedingt zugelassen zum diesjährigen Sudetendeutschen Tag, über 2500 Sitzplätze gäbe es in diesem fulminanten Konzertsaal. Als der bayerische Ministerpräsident Markus Söder mit Marschmusik den Saal betritt, kommt das erste Mal Stimmung bei den Gästen auf. Danach aber: viele Reden, viele Allgemeinplätze, viel Leerlauf. Erst als der Höhepunkt des Wochenendes ansteht, erwache ich wieder aus meiner Trance: Mit Daniel Herman wird der erste hochrangige tschechische Politiker mit dem prestigeträchtigen Europäischen Karlspreis der Sudetendeutschen Landsmannschaft ausgezeichnet. Ein Brückenschlag, ein Zeichen der deutsch-tschechischen Verständigung. Viel Lob erhält Herman von allen Seiten. Er selbst zeigt sich gerührt, dankt vielmals. Ich nehme ihm seine Ergriffenheit ab.
Karlspreisträger Daniel Herman bei seiner Dankesrede. Foto: Jonas Klimm
Ausgelassene Stimmung beim Volkstumsabend
Nach zweieinhalb Stunden endet der Festakt. Die vielen Reden muss ich erstmal beim nächstgelegenen vietnamesischen Imbiss verarbeiten. Währenddessen werfe ich einen Blick auf das Programm für den Abend: Der traditionelle Sudetendeutsche Volkstumsabend steht an. Na gut, denke ich mir, das wird sicherlich nett. Zurück in der Philharmonie animiert Roland Hammerschmied, Moderator der Veranstaltung und selbst Musiker, die in dem gigantischen Saal verbliebenen Gäste zum Mitmachen. Er kann das, das Publikum erwacht, klatscht im vorgegebenen Takt, die Stimmung ist beinahe ausgelassen. Sieben sudetendeutsche Musikgruppen treten auf, den Anfang macht die ‚Egerländer Familienmusik Hess‘ mit dem „Mooskirchner Hochzeitsmarsch“.
Die ‚Egerländer Familienmusik Hess‘ spielt den „Mooskirchner Hochzeitsmarsch“. Foto: Jonas Klimm
Die folgenden zwei Stunden wechseln zwischen Marschmusik und A cappella, christlichen und weltlichen Liedern, heiterer und melancholischer Stimmung. Ich habe es mir auf meinem Platz gemütlich gemacht, die Zeit verfliegt sprichwörtlich wie im Nu. Mir gefallen die unterschiedlichen Melodien und Geschichten, die die Lieder transportieren. Beim Verlassen des Gasteigs werfe ich noch einen Blick auf die traditionelle Festkleidung der Gäste, bevor diese unter den Regenmänteln verschwindet – bis zum nächsten Sudetendeutschen Tag.