Foto: Stimmung im Volksfestzelt - Bild: Patrik Schumacher

Seit gut zehn Monaten lebe ich in Prag und musste feststellen, dass ich einige Dinge an Deutschland vermisse, welche ich erst seit meinem Aufenthalt in Tschechien zu schätzen weiß. Denn normalerweise studiere ich in Regensburg und aufgewachsen bin ich der Nähe von Stuttgart.

In gesellschaftlicher Hinsicht sind mir zwei markante Sachen aufgefallen, die ich in Prag misse. Die weltbekannte deutsche Pünktlichkeit, die einem erst auffällt, sobald man das erste Mal in Tschechien auf jemanden länger als fünf Minuten wartet. So ist es nicht unüblich, dass ein Professor in Tschechien fünf oder gar zwanzig Minuten zu spät kommt oder man sich mit jemandem treffen will und man bei seinem Erscheinen schon das erste Getränk ausgetrunken hat. In Deutschland muss man sich bei fünf Minuten Verspätung erst einmal aufrichtig entschuldigen.

Gesellschaftlich fehlt mir auch die doch große Toleranz in Deutschland gegenüber Muslimen. Zwar erfährt man auch negative Aspekte, aber im Vergleich zu Tschechien nur minimal. Egal wo man sich in Tschechien befindet, hört man immer wieder mal ein abschätziges Wort gegenüber Muslimen. Auch die nach rechts positionierte Politik von Präsident Miloš Zeman veranschaulicht die innere politische Haltung gegenüber dem „Fremden“.

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Kulturell vermisse ich die vielen Volks- und Bierfeste in Deutschland, auf denen von morgens bis abends Schlager zu hören ist, die Zelte spätestens um 12 Uhr Mittag randvoll gefüllt sind und jeder auf den Bänken oder Tischen zur Musik mit einem Bierkrug in der Hand mitschaukelt.

Bei der Esskultur bin ich mit den tschechischen Begebenheiten vollkommen zufrieden und weine dem Schwäbischen Zwiebelrostbraten nur mit einem Auge hinterher. Jedoch vermisse ich die Vielfalt an Brotsorten, wie Roggenvollkornbrot oder eine einfache Laugen-Brezel, welche man in Prag nur sehr selten zu Gesicht bekommt. Außerdem ist die Dönerbuden-Industrie in Deutschland den Tschechen um Welten voraus, was sich in Geschmack und Qualität widerspiegelt.

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Da ich großer Fußball-Fan bin, zieht es mich des Öfteren in eines der Stadien der Prager Fußballclubs. Leider bin ich über die Zuschauerzahlen etwas enttäuscht, da ich noch kein Stadion trotz Top-Spiel ausverkauft erlebt habe, bis auf das tschechische „El Clásico“: Slavia Prag gegen Sparta Prag. In Deutschland bin ich es gewöhnt, dass die Stadien in den meisten Fällen ausverkauft sind, auch wenn die Spiele vermeintlich unattraktiv erscheinen. Auch die Auswärtsfahrten-Kultur, die in Deutschland sehr ausgeprägt ist, gibt es in Tschechien nur vereinzelt. So war es nicht unüblich, dass gerade einmal zehn Leute ihrem Team zu einem Auswärtsspiel folgten, um es anzufeuern.

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Im nächsten Landesblog, der nächsten Freitag erscheint, gibt es die Fortsetzung, in der ich erläutere: Warum ich Deutschland nicht vermisse.

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