Foto: Historische Stuttgarter Straßenbahnen im Depot - Bild: Commons/Hd pano, CC BY-SA 3.0 de

Jeden zweiten Tag werde ich von einer Putzfrau geweckt, die sich lauthals über Gott, die Welt und meinen vermüllten Nachbarn beschwert. „Smradlavec“ (Stinker) höre ich zum zehnten Mal und gebe auf es zu versuchen noch einmal einzuschlafen.

Nachdem ich meine morgendliche Routine abgeschlossen habe, ziehe ich mich an und laufe zur Tram, deren Schienen meine Erfahrungen in Prag durchziehen. Eigentlich komme ich aus der Nähe von der Hauptstadt Baden-Württembergs: Stuttgart. Seit Oktober befinde ich mich aber aufgrund eines studentischen Auslandaufenthaltes in Tschechien. Da ich das Straßenbahn/U-Bahn-Fahren in Stuttgart sehr gut kenne und ich in Prag täglich mit den Trams unterwegs bin, liegt ein Vergleich nahe.

Preise

Angefangen bei den Ticketpreisen gibt es den ersten großen Unterschied. Wenn man Student ist und die öffentlichen Verkehrsmittel in Stuttgart für einen Monat nutzen möchte, muss man schon stolze 47,50€ berappen. Wohnt man etwas außerhalb von Stuttgart, kann der Monatspreis bis über 100€ ansteigen, da es ein Zonensystem gibt. In Prag zahlt man dagegen für einen Monat 260 Kronen, was umgerechnet etwas weniger als 10€ ist, auch hier gibt es außerhalb der Stadt ein Zonensystem, die Preise bleiben jedoch weit unter dem Niveau in Stuttgart.

Abstriche muss man dafür trotzdem keine machen. Im Gegenteil, für weniger als 10€ kann man das komplette Prager Netz des öffentlichen Verkehrs nutzen, welches sich über 22 Stadtbezirke erstreckt. In Zahlen ausgedrückt beträgt das Stadtbahn-Liniennetz in Stuttgart 225 Kilometer und in Prag 540 Kilometer. Zudem sind die Wartezeiten in der tschechischen Hauptstadt geringer, da die Anzahl der Trams je Linie größer ist und zuletzt kann man in den neueren Straßenbahnvarianten ein kostenloses W-Lan-Netz nutzen. Der nächste Pluspunkt für die Prager Trams sind die Nachtbahnen. In Stuttgart muss man nach einer etwas längeren Nacht auf Nachtbusse umsteigen, welche den Nachhauseweg um einiges verlängern. In Prag steigt man dagegen in eine der neun Nachtrams, die einen mitten in der Nacht nach Hause fahren. So ist Prag in Sachen Preis/Leistung der klare Sieger.

Komfort

In Sachen Komfort sind die Stuttgarter Straßen auf dem neusten Stand. Die gelben Bahnen sind modern, besitzen bequeme gepolsterte Sitze aus Stoff und eine Klimaanlage. In Prag gibt es, anders als in Stuttgart, nicht nur eine Modellreihe an Bahnen, sondern mehrere. Es gibt die älteren der Marke Tatra, die über 50 Jahre alt sein können und es gibt die neueren der Marke Škoda, die seit 2006 die Prager Gleise mit Trams befüllen. Dazwischen und danach gibt es auch verschiedene Modellreihen, die bis heute im Prager Straßenbahnnetz aktiv fahren. Bei den älteren Tatra-Bahnen gibt es zumeist wenig Platz und es gibt nur wenige Sitzmöglichkeiten. Außerdem ist es bei den ältesten Modellen sehr schwierig mit einem Kinderwagen einzusteigen, da man eine kleine Treppe bewältigen muss, um in die Bahn zu gelangen. Für Behinderte im Rollstuhl ist es daher ohne Hilfe anderer nicht möglich mitzufahren.

Da sie keine Klimaanlagen besitzen kann es im Sommer sehr warm und verschwitzt werden. Punkten können die alten Tatra-Bahnen jedoch bei der Bequemlichkeit der Sitze, die aus Stoff sind. Die neuen Škoda-Bahnen bieten im Gegensatz zu den Älteren viel Raum und ermöglichen es auch Menschen mit Behinderung durch die Niederflurbauweise mitzufahren. Dank einer Klimaanlage kann man die Fahrt auch im Sommer genießen. Bei der Bequemlichkeit der Sitze können die Škoda-Bahnen aber nicht mit den Tatra-Bahnen und auch nicht mit denen aus Stuttgart mithalten, da sie nicht gepolstert sind und aus hartem Kunststoff bestehen, was das Sitzen bei längeren Fahren sehr unangenehm macht.

So gewinnt die Stuttgarter Straßenbahn in Punkto Komfort.

Ausblick

Da in Prag noch sehr viele Straßenbahnen aus früheren Zeiten fahren und viele Menschen nostalgisch werden, sobald man sie an einem vorbeifahren sieht oder selbst mitfährt, bieten die Prager Trams ein sehr spezielles Feeling, welches man so in Stuttgart nicht erlebt. Zudem kann man in Prag mitten durch die Stadt fahren und sieht viele Sehenswürdigkeiten, malerische Straßen, sowie die zum Teil sehr künstlerischen Altbau-Häuser direkt aus dem Fenster der Tram. Man fährt über die vielen Brücken, überquert die Moldau und ist immer wieder von der Schönheit der Stadt fasziniert. In Stuttgart fährt man dagegen innerhalb der Stadt an den meisten Stellen unter der Erde, was zwar gut für den Verkehr ist, ein Feeling – wie man es vom Tramfahren erwartet – jedoch nicht aufkommen lässt, da man nur in die Tristheit der dunklen Tunnel schaut. Etwas außerhalb der Innenstadt fährt die Straßenbahn jedoch auch meistens oberhalb der Erde und ermöglicht Ausblicke in die Kesselstadt.

So kann sich die Prager Straßenbahn in diesem Punkt, trotz des oftmals sehr unangenehmen süßlichen Schweißgeruchs im Sommer, klar gegenüber der Stuttgarter Bahn durchsetzen.

Siegerstraßenbahn

Mir persönlich gefallen vor allem der niedrige Preis und die geringen Wartezeiten der Prager Straßenbahnen.

Da sich die Prager Tram in den Punkten Preis/Leistung und Feeling durchsetzen konnte und die Stuttgarter U-Bahn/Straßenbahn ausschließlich in Sachen Komfort punkten konnte, heißt der Gewinner meines Straßenbahnvergleichs: Prag.

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