Wie die böhmischen „Rohlíky“ die Herzen der Leipziger eroberten.

 

Rohlíky: Viele leckere tschechische Hörnchen / Foto: Steffen Neumann

Es ist Montagmorgen in Ústí nad Labem und ich bin auf dem Weg zum Bahnhof. Bevor ich in den Zug steige, gehe ich noch über den Markt und kaufe Knoblauch. Der tschechische ist einfach der beste! Der Verkäufer ist wie immer gut gelaunt, heute fragt er mich allerdings verwundert: „Junge Frau, möchten Sie wirklich den ganzen Bund? Das wird aber teuer!“ Ja, ich will den ganzen Bund. Bei meiner Familie und Freunden in Deutschland ist der tschechische Knoblauch sehr gefragt. „Deutschland?“ Sein Gesichtsausdruck verrät mir, dass er grüne Wiesen vor sich sieht, grüner als die böhmischen, ein Paradies, in dem die Sonne irgendwie heller scheint. Ich bezahle und verabschiede mich vom Gemüseverkäufer. „Warten Sie, ich geb´ Ihnen noch eine Pflaume mit auf den Weg, eine besonders schöne“, strahlt er. Ein gutes Kšeft, wie man auf Tschechisch sagt. Noch eine viertel Stunde, bis mein Zug fährt. Da schaffe ich es gerade noch beim Bäcker fünf Hörnchen für meine Mitbewohnerin zu kaufen.

Der Zug nach Leipzig ist recht voll, aber ich reise gern mit der Tschechischen Bahn. Schaffner, die bei Abfahrt des Zuges pfeifen, Bahner mit schicker Mütze und Informationen für Reisende nicht nur durch den Lautsprecher – das hat einfach Stil. Ich steige aus und laufe ein Stück durch die Stadt zur Universität. „’Tschuldigung, wo kann man denn diese Hörnchen kaufen?“, spricht mich eine junge Frau an. Der Beutel hatte nicht mehr in den Rucksack gepasst, deshalb trug ich ihn in der Hand. Ich erkläre ihr, dass es in Leipzig wohl kaum Rohlíky zu kaufen gibt und empfehle ihr einen Ausflug ins schöne Nachbarland.

Eineinhalb Stunden folge ich den Darlegungen des Dozenten von der Karlsuniversität, der uns erklärt, was Topinky sind und womit er sie am liebsten isst. Wir übersetzen eine Bedienungsanleitung für Toaster. Dann nach Hause. Die Straßenbahnhaltestelle ist direkt an der Universität. „Entschuldigung, wo haben Sie die gekauft?“, fragt mich eine junge Frau mit leichtem Akzent. „No, v Česku“, antworte ich ihr. Sie erzählt mir, dass sie nur selten nach Hause fährt und dass ihr die tschechischen Hörnchen ganz schön fehlen. Sie lobt mein gutes Tschechisch und die Aussprache des „r“, aber ein Rohlík von mir lehnt sie dankend ab. Aber jetzt weiß ich Bescheid. Nächstes Mal kaufe ich keine fünf, sondern gleich 50 Hörnchen, stelle mich an die Haltestelle und verkaufe tschechische Hörnchen für 1€. Sicher würde ich damit besser verdienen als mit dem Übersetzen von Bedienungsanleitungen für Toaster.

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