Unser Landesblogger Jannik hat so seine Probleme mit dem Prager Fernsehturm. Hier erklärt er, warum.

Knapp einen Monat wohne ich nun in dem ehemaligen Arbeiterviertel Žižkov, mitten im Herzen der tschechischen Hauptstadt. Ein sehr buntes und lebhaftes Viertel, viele Studenten und Arbeiter tummeln sich neben Familien und dem einen oder anderen verirrten Banker. Zwar riecht es an (fast) jeder Ecke nach Bier oder Hundekot, aber daran gewöhnt man sich schnell. Obwohl nur rund 2,5 Kilometer östlich von der historischen Altstadt beheimatet, ist es hier eine andere Welt, irgendwie ehrlicher und heterogener. Speisekarten auf Englisch sucht man vergeblich, das ganze Viertel stellt ein unkonventionelles, sehr heiteres Gesamtbild dar. Dennoch befindet sich ein großer, trister, nicht stimmiger Fleck im Zentrum des Gesamtbildes. Der Fleck ist 216 Meter hoch und für die Verbreitung von Fernseh- und Hörfunksignalen in der Stadt zuständig: der Prager Fernsehturm.

Ein Design mit vielen Fragezeichen

Täglich sehe ich den Turm beim Verlassen meiner Wohnung und verstehe bis heute nicht, warum das höchste Bauwerk Prags so aussieht wie es aussieht. Die hauseigene Website des „Towerparks“, wie er offiziell heißt, nennt das Design „ungewöhnlich“ und „futuristisch“, ich nenne es grauenhaft. Sozusagen das hässliche Entlein unter den Fernsehtürmen. Mit der gräulich-silbernen Fassade und der nicht zentrierten Spitze besitzt der Turm den Look einer nicht funktionierenden Weltraumrakete, wie sie sich Filmregisseure in den 1950er Jahren vorgestellt haben. Der Turm sieht so aus, wie Dieter Bohlens Stimme klingt: unangenehm auffällig, mit so einer negativ extravaganten Ausstrahlung.

Mit meiner Meinung stehe ich nicht alleine da. Laut einer Umfrage von VirtualTourist.com von 2009 wurde das Bauwerk zum zweithässlichsten Gebäude der Welt gewählt, lediglich das „Mechanische Theater“ im US-Bundesstaat Maryland konnte den Turm „übertrumpfen“.

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Symmetrisch sieht anders aus… Foto: Jannik Marthe

Ein verzichtbarer Kontrast

Auch die Konstruktion ist, vorsichtig ausgedrückt, durchaus speziell. Damit der Turm nicht so massiv wirkt, wurde vom gängigen Baustil wie beispielsweise in Berlin abgewichen. Statt einer einzigen dicken Betonsäule entstanden drei schlankere. Um das Stadtpanorama nicht zu sehr zu stören, wie es in der eigenen Beschreibung heißt. Was nur so mittelmäßig geklappt hat. Die ungewöhnliche Bauform wurde laut dem Architekten dieses Prachtexemplars, Václav Aulický, bewusst als Kontrast zu den historischen Bauwerken der Prager Innenstadt gestaltet. Das ergibt Sinn. Wenn ich einen wunderschönen Garten hätte, würde ich auch die größtmögliche sterile Wellblechhütte genau in der Mitte des Blumenbeetes platzieren, nur für den bewussten Kontrast.

Und dann sind da noch die Babys. Ein Satz, den man nicht unbedingt in Zusammenhang mit einem Fernsehturm erwartet. Zehn riesige Säuglinge klettern an dem Fernsehturm empor, kreiert von dem Künstler und Bildhauer David Černý. Auch wenn die je 120 Kilo schweren „Miminka“ (Babys) sicherlich ein Ausdruck immenser Kreativität darstellen, bleiben sie mir Kunstbanausen ein Rätsel.

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Babys krabbeln den Turm hinauf… Foto: Jannik Marthe

30 Jahre Fernsehturm

Der Fernsehturm feierte in diesem Jahr dennoch schon seinen 30. Geburtstag. Nach der feierlichen Eröffnung 1992 hat er sich mit der Zeit durchgesetzt, wird in sämtlichen (deutschen) Reiseführern als Markenzeichen des Stadtviertels angepriesen. Zudem wurde er in seiner Ausstattung erweitert, mitsamt Sechs-Sterne Hotel und Restaurant in luftiger Höhe. Im Zuge dessen erhielt der Turm ebenso eine Aussichtsplattform, auch wenn die Besucher die 250 Kronen Eintritt wahrscheinlich nur bezahlen, um den Turm nicht von außen sehen zu müssen.

Natürlich ist Geschmack subjektiv und jeder findet, zum Glück, etwas anderes schön oder ästhetisch. Womöglich sehe ich auch als einziger den tristen Turm absolut unplatziert in diesem lebhaften, künstlerischen Viertel. Die Prager Bevölkerung scheint zumindest ihren Frieden mit dem futuristischen Bauwerk gefunden zu haben. Der Fernsehturm in Žižkov ist wohl der Koriander von Prag. Von den einen geliebt, von den anderen gehasst.


Jannik Marthe webHallo an alle Leserinnen und Leser,

ich bin Jannik und werde von Mai bis Juli die Landesecho-Redaktion unterstützen. Schon bei der Fahrt nach Prag war ich von der tschechischen Landschaft und der traumhaften Hauptstadt Prag begeistert. Ich freue mich sehr, hier die nächsten drei Monate verbringen zu dürfen. Ich bin sehr gespannt auf die kulturelle Vielfalt in diesem Land und hoffe, einiges lernen zu können, insbesondere in Bezug auf die deutsche Minderheit. Ich liebe es außerdem, spontane Eindrücke und Impressionen zu erhalten, welche mich hoffentlich auf dieser kulturellen Reise durch Tschechien begleiten werden.

Ich studiere Journalismus in Magdeburg und arbeite für das LandesEcho im Rahmen meines Studiums. Ansonsten interessiere ich mich für alles, was mit Politik und Gesellschaft zu tun hat, und beschäftige mich viel mit Sport und Fotografie. Das LandeEcho ist dabei die perfekte Möglichkeit, meine Interessen in journalistische Formate umzuwandeln.

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