Foto: Prager Burg vom Pulverturm aus gesehen - Bild: Commons/C1815

Zwanzig Minuten dauerte am Dienstag das große militärische Zeremoniell auf der Prager Burg für Chinas Präsidenten Xi Jinping. Xi, nur im Anzug, fror sichtlich im scharfen Wind, der erfolgreich selbst den schweren roten Teppich attackierte und den Donnerhall der 21 Salutschüsse bis weit in Stadtteile auf der anderen Seite der Moldau trug.

Gastgeber Miloš Zeman, klugerweise im Wintermantel, genoss die Prozedur. Er hat zum ersten Mal in seiner Amtszeit als Präsident für 48 Stunden einen richtigen Weltpolitiker bei sich. Westliche Spitzenpolitiker meiden Prag.

Mehr noch: Zeman ist der einzige Europäer, bei dem Xi auf seinem Weg zu einem Besuch in den USA Station macht. Als eine Art Dank dafür, dass Zeman wiederum als einziger Europäer im vergangenen September in Peking an der Militärgedenkparade zum Ende des Zweiten Weltkriegs teilgenommen hatte.

Schon dieser Kotau Zemans hatte in Tschechien die Menschenrechtsaktivisten auf den Plan gerufen. Jetzt legten die in Prag nach: sie bewarfen chinesische Flaggen entlang des Fahrtweges von Xi vom Prager Václav-Havel-Flughafen ins Zentrum mit mit Farbe gefüllten Ostereiern oder ersetzten sie kurzerhand durch Flaggen Tibets. Mit einem großen Plakat, auf dem Václav Havel und der Dalai Lama zu sehen waren, erinnerten sie zudem daran, dass Tschechien China vor nicht allzu langer Zeit noch ganz anders gesehen hatte.

Die Polizei nahm ein Dutzend Menschenrechtsaktivisten fest. Es kam auch vereinzelt zu Scharmützeln zwischen ihnen und bestellten chinesischen Claqueuren. Zemans Sprecher nannte die Menschenrechtler „faschistoide Kleingeister“. Der außenpolitische Berater des Präsidenten meinte, Tschechien sei „zu klein“, um China über Menschenrechte zu belehren: „Darüber kann die EU mit Peking reden.“

Zeman erhofft sich von seiner China-Politik einen erheblichen Aufschwung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Reich der Mitte. Die Rede ist von chinesischen Investitionen im Wert von 1,6 Milliarden Euro. Nicht die ersten in Tschechien. 

Schon 2014 war eine Serie von Kooperationsabkommen unterzeichnet worden. Chinesen investierten seither in tschechische Finanzgruppen, beteiligten sich an einer Großbrauerei, übernahmen den Fußballklub Slavia Prag, stiegen in die tschechische Medienszene ein und kooperieren in der Luftfahrt. Sie interessieren sich dem Vernehmen nach auch für das verfallende Kurbad Gießhübl (Kyselka), wie das LandesEcho in Ausgabe 3/2016 berichtete. Seit September 2015 floriert zudem das Geschäft auf der neuen Fluglinie Prag-Peking. Tschechien rechnet mit einem massiven Anstieg chinesischer Touristen.

Ähnliche Interessen verfolgen auch andere europäische Länder. Xi wurde beispielsweise auch in Großbritannien hofiert, fuhr mit Elisabeth II. in einer  Kutsche durch London. Von den Bemühungen der Amerikaner um Peking ganz zu schweigen. Auch Angela Merkel ist häufig in China.

Der Kurs Zemans kommt allerdings einem völligen Wechsel Tschechiens gleich. Zeman sprach gegenüber einer chinesischen TV-Station von einem „Neuanfang“ in den Beziehungen. Bisher sei man in Prag zu sehr „dem Druck der USA und der EU“ erlegen gewesen. Jetzt sei Tschechien „unabhängig“ und formuliere seine Außenpolitik entsprechend seiner „nationalen Interessen“. Der frühere Finanzminister Miroslav Kalousek bezeichnete Zemans Worte als „niederträchtig und abstoßend“.

Der einstige Außenminister und Havel-Vertraute Karel Schwarzenberg formulierte seinen Widerwillen gegen den neuen Kurs Zemans gegenüber China noch sehr viel drastischer: „Ein solches Maß an – Entschuldigung – Arschkriecherei ist mir noch nicht begegnet“.

Für Dienstagabend war eine große Protestkundgebung gegen die China-Politik Zemans in Prag angekündigt.

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