Aus einer Telefonzelle wird eine Bücherbox, hier am General-Kutlvašr-Platz in Prag-Nusle, Foto: Stephanie Bergwinkl

Tschechien hatte eines der dichtesten Netze an öffentlichen Telefonzellen in ganz Mitteleuropa. Nun sollen die Fernsprechzellen ganz abgeschafft werden. Allerdings werden nicht alle Telefone aus dem Stadtbild verschwinden. Sie werden neu weitergenutzt.

In Tschechien wird es bald keine Telefonzellen mehr geben. Die Prager Telekommunikationsbehörde ČTÚ hat beschlossen, die öffentlichen Telefone ab 2021 nicht mehr zu subventionieren.

Die Telefongesellschaft O2 Tschechien plant die Telefonzellen danach abzubauen, da ein kostendeckender Betrieb nicht mehr möglich sei. Das liege zum einen daran, dass die Zahl der Telefongespräche in öffentlichen Zellen immer weiter abnehme, wie eine Sprecherin von O2 mitteilte. Mittlerweile besitzen laut der tschechischen Statistikbehörde ČSÚ knapp 97 Prozent der Bürger über 16 Jahren ein eigenes Mobiltelefon. Andererseits treibe häufiger Vandalismus die Instandhaltungskosten in die Höhe.

Alte Telefonzelle Levín Steffen Neumann web

In Tschechien Telefonzellen zu finden ist heute schon schwer. Diese steht in dem Flecken Lewin (Levín). Bald verschwinden sie ganz. Foto: Steffen Neumann

Mit der Entscheidung geht eine lange Geschichte zu Ende. Der erste Münzfernsprecher wurde 1911 in Prag aufgestellt, noch zu Zeiten der Habsburger-Monarchie. Eine Hochzeit erlebte die Telefonzelle während des Sozialismus.

Derzeit betreibt O2 Tschechien als Nachfolger der früheren staatlichen Post noch rund 1150 Telefonzellen. In kleinen Gemeinden mit bis zu 200 Einwohnern stellen diese eine Mindestversorgung dar. Die meisten sind in schlichtem grau-blau mit dem O2-Logo gehalten. Bis zum Jahr 2000 gab es laut offizieller Angabe noch rund 30 000 öffentliche Telefonzellen.

Alternative Nutzung der Telefonzellen

Doch gibt es schon Initiativen, die sich dafür einsetzten, dass die Telefonzellen nicht ganz aus dem Stadtbild verschwinden. Eines davon ist das gemeinnützige Projekt „KnihoBudka“, das bereits im Sommer 2013 mit der Unterstützung des „Think Big“-Programms von Telefónica O2 gegründet wurde. „Unser Ziel war es, aus sieben stillgelegten Telefonzellen kleine Bibliotheken zu machen, die wir im öffentlichen Raum in Prag und Umgebung platzieren werden“, so die Gründer des Projekts. Die erste „KnihoBudka“ wurde 2014 im IKEM-Krankenhaus in Prag eröffnet, drei Jahre später gab es bereits über 30 Büchertauschzellen.

Derzeit arbeiten die Gründer des Projekts daran, weitere Stände in ganz Tschechien zu platzieren. Die Bücherzelle funktioniert so, indem Menschen ein Buch, das sie nicht mehr wollen, nicht wegwerfen, sondern in eine der Zellen bringen und gegen ein neues Buch tauschen. Es kann auch nur ein Buch hingebracht werden und keines getauscht werden. Das ganze Projekt ist kostenlos und mittlerweile gibt es über 70 „KnihoBudkas“ in der Tschechischen Republik. Auf der Webseite des Projekts finden Sie die genauen Standorte der Buchschrank-Telefonzellen.

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