Die Autoren Jan Heinzl und Otokar Simm sowie Kartograph Jan Prášil (von links) präsentieren stolz die neue Karte, Foto: Jan Škvára

Böhmen, Mähren und Schlesien sind reich an deutschen Orts- und Flurnamen. Doch das Wissen darüber verschwindet. Drei Enthusiasten haben nun für das Isergebirge und den Friedländer Zipfel die Namen gesammelt und sie erstmals in einer zweisprachigen Wanderkarte veröffentlicht. Und nicht nur das, die Karte ist auch aktuell. Man kann also mit ihr wandern.

Sagt man Liberec oder Reichenberg? Während sich die Frage bei Karlsbad oder Prag nicht stellt, hat mancher mit dem alten deutschen Namen der nordböhmischen Stadt an der Neiße (tschechisch: Nisa) seine Probleme. Jan Heinzl bedauert das sehr. Denn die deutschen Ortsnamen sind nichts anderes als ein Hinweis „auf den Reichtum dieser Region“. Er meint die über Jahrhunderte überwiegend von Deutschen besiedelten Gebiete in Böhmen und Mähren. Nach 1945 wurden die meisten Deutschen vertrieben. Doch nicht alle. Für den Jan Heinzl zum Beispiel sind sie keine Vergangenheit, sondern Gegenwart. Denn er hat deutsche Vorfahren, die nach 1945 bleiben durften, und ist zweisprachig in Haindorf (Hejnice) aufgewachsen, wo er bis heute lebt.

Doch die Namen sterben aus. Immer weniger wissen sie, immer weniger Menschen gebrauchen sie. Das gilt auch schon für Städte- und Ortsnamen, aber viel mehr für Flurnamen. Deshalb hat Jan Heinzl mit dem Bergsteiger und Heimatkundler Otokar Simm nun eine zweisprachige Wanderkarte des Isergebirges und Teilen des Friedländer Zipfels herausgegeben. Während solche Karten im benachbarten Polen schon mehrfach herausgegeben wurden, ist es die erste zweisprachige Karte in Tschechien überhaupt. „Und dazu noch auf der Basis von aktuellem Kartenmaterial“, betont Heinzl, der im Hauptberuf das geistliche Zentrum Kloster Hejnice im Isergebirge leitet. Bisher gab es zwar schon Karten mit den alten deutschen Namen, aber dabei handelte es sich ausschließlich um Reprinte alter Karten.

Reich an Details

„Mit unserer Karte können sich Wanderer jedoch sicher orientieren und erfahren zugleich die deutschen Namen“, sagt Heinzl. Die Entstehung erfolgte in enger Abstimmung mit dem Klub tschechischer Touristen, weshalb alle markierten Wege enthalten sind. Es ist in der Tat ein wahrer Reichtum, der sich Wanderern beim Aufschlagen der Karte offenbart. Kleinste Bäche, Gipfel, aber auch Wege oder Wegkreuze sind gelb unterlegt zusätzlich mit ihrem deutschen Namen versehen. Manche Namen gibt es sogar überhaupt nur auf Deutsch.

Tschechien zweisprachige Karte Isergebirge web Bild Steffen Neumann

„Was die genaue Namensform angeht haben wir uns vornehmlich an der Isergebirgskarte von Josef Matouschek aus dem Jahr 1927 orientiert“, sagt Heinzl. Weitere Quellen waren Ortslexika und vor allem Zeitzeugen, jene Menschen, die die Namen der Orte noch kennen und aktiv benutzen. Hier ergänzten sich Simm und Heinzl gegenseitig sehr gut, da sie selbst viele Namen nutzen. Simm vor allem im Isergebirge, Heinzl eher im Friedländer Zipfel. Das ist auch ein Grund, warum sich die Karte nicht nur dem Isergebirge widmet, sondern auch einen großen Ausschnitt des Friedländer Zipfels zeigt.

Der Anspruch, aktuelles Kartenmaterial anzubieten hat die Herausgabe der Karte allerdings auch stark verzögert. „Die Idee ist eigentlich schon zehn Jahre alt“, sagt Heinzl. Vorbild waren gerade jene Karten, die in Hirschberg (Jelenia Gora) veröffentlicht wurden. „Da dachten wir, dass es schön wäre, so was auch bei uns zu haben.“ Doch eine aktuelle Karte mit deutschen Ortsnamen ist in Tschechien immer noch eine sensible Angelegenheit. „In den 1990er Jahren hätte die Karte Verstimmungen ausgelöst“, mutmaßt Heinzl. Das hat sich zum Glück geändert. Als mit Jan Prášil ein Kartograph Interesse an der Zusammenarbeit zeigte, kam alles in Rollen. Aber auch dann dauerte es noch einmal drei Jahre, bis die Karte endlich erscheinen konnte.

 

 

 

 

Die Wanderkarte

Sie liegt im Maßstab 1:25000 vor.

Erhältlich ist sie in den Tourist-Infos der Region (Infocentrum) sowie im tschechischen Buchhandel.

Verlag: Kartografie HP, Vertrieb: Eurokart


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Das Wunder von Haindorf

Eingekesselt von den Gipfeln des Isergebirges, liegt das nordböhmische Haindorf (Hejnice) mit seinen 2724 Einwohnern beschaulich an der Mündung des Schwarzbach (Černý potok) in den Liebwerder Bach (Libverdský potok). Einer Legende nach soll hier im 13. Jahrhundert eine Wunderheilung stattgefunden haben. Seitdem ist aus der kleinen Kapelle ein Wallfahrtsort der Marienverehrung geworden, der weit über die Ländergrenzen bekannt ist.

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