Ferdinand Hauser und Conrad Winkler haben den Alltag an zwei Tankstellen beiderseits der deutsch-tschechischen Grenze beobachtet. Entstanden ist der dokumentarische Kurzfilm „Die letzte erste Tanke“ („První a poslední pumpa“). Über ihre Eindrücke sprechen sie im LandesEcho-Interview.
Zwei Tankstellen in Mitteleuropa, die nur wenige Meter von der deutsch-tschechischen Grenze trennen, wurden zur Kulisse des zweisprachigen Dokumentarfilms. Auf der deutschen Seite begleitet der Kurzfilm das Leben von Theresa, die im Bayerischen Furth im Wald im Familienbetrieb arbeitet. Im Nachbarland Tschechien gibt der Film Einblicke in den Alltag von Jan, der seit wenigen Wochen an einer Tankstelle in Eisendorf (Železná) arbeitet.
LE: Wie sind Sie auf das Thema gekommen?
FH: Der Tanktourismus war der Aufhänger, weil wir festgestellt haben, dass die Grenze tagtäglich ganz oft überschritten wird und es hier zu Begegnungen zwischen den beiden Ländern kommt. Wir wollten dazu anregen, generell dort hinzusehen, aber auch Leute zu bewegen, einmal weiter ins Land zu fahren.
CW: Die ursprüngliche Idee ging erst einmal von einer tschechischen Tankstelle aus. Dann haben wir relativ bald festgestellt, dass es spannend wäre, beide Seiten zu beobachten, weil die Ausgangssituation so unterschiedlich ist und zu schauen, wo Gemeinsamkeiten und Unterschiede liegen.
LE: Wie sind Sie bei der Recherche vorgegangen?
CW: Wir wollten zwei Tankstellen an der Grenze zeigen. Dafür sind wir in die Region gefahren. An einem Wochenende haben wir 20 Tankstellen abgeklappert. Wir haben Leute angesprochen, ihnen das Exposé vorgelegt und gefragt, ob sie Lust auf das Projekt hätten. Die beiden Tankstellen fanden wir inhaltlich super und da hat sich dann glücklicherweise auch eine Zusammenarbeit ergeben.
LE: Nach welchen Kriterien haben Sie die Tankstellen ausgewählt?
FH: Wir haben recht schnell die Autobahntankstellen ausgeklammert. In Furth waren wir zum Beispiel auch auf der anderen Seite der Grenze, in Obervollmau (Horní Folmava). Wir haben es das „Tal der Tankstellen“ genannt, weil es dort mindestens zehn Tankstellen auf engstem Raum gibt. Aber wir wollten keine Riesentankstellen. Weg von der Autobahn und eher in die kleineren Straßen. Die Tankstelle in Furth liegt fast mitten im Ort und in Eisendorf wirklich nur 50 Meter von der Grenze entfernt.
LE: Was war die größte Überraschung während der Dreharbeiten?
FH: Was mich überrascht hat, war, dass auf der deutschen Seite der Grenze die Tankstellen sehr familiär, also eigentlich alles Familienbetriebe waren. Der Unterschied zwischen diesen Familienbetrieben und den Riesentankstellen auf der tschechischen Seite war teilweise sehr extrem. Da gibt es beispielsweise auch Ketten, die nur im Grenzgebiet vertreten sind. Das fand ich sehr spannend und hätte ich so nicht erwartet.
CW: Für uns war es auch eine Überraschung, dass wir auf der tschechischen Seite ursprünglich einen anderen Protagonisten vorgesehen und auch bis zum ersten Drehtag vor Augen hatten. Beim Drehen am ersten Vormittag stellte sich heraus, dass der ursprüngliche Protagonist kamerascheuer ist als vorher angekündigt. Dann ist aber ein junger Kollege, der erst seit drei Wochen dort arbeitet, eingesprungen. Jan war sehr markant und hat uns sehr fasziniert, auch mich, obwohl ich ihn ja nicht verstanden habe.
LE: Sie bezeichnen die beiden Tankstellen als „Nicht-Orte“. Hatten Sie bei den Dreharbeiten das Gefühl, dass sie auch als „Begegnungsorte“ gesehen werden könnten?
FH: In Furth trifft das auf jeden Fall zu. Da war die Tankstelle wirklich ein Treffpunkt, an dem die Freunde des Besitzers zusammenkamen. Da wird sich in der Tankstelle unterhalten und Kaffee getrunken. Das war eine fast schon familiäre Atmosphäre. In Eisendorf war das eher weniger der Fall. Gelegentlich kannte sich hier auch mal jemand von den Kunden und es gab Interaktionen mit den Angestellten, die über das Verkaufsgespräch hinaus gingen.
CW: Diese Wahrnehmung von Tankstellen als „Nicht-Ort“ ist eigentlich eine sehr gängige. Das kennt man selbst aus der Perspektive des Kunden, dass man sich dort nicht länger als zehn Minuten aufhält. Aber für uns war dann eben auch spannend zu schauen, wo sind diese Orte nicht „Nicht-Orte“.
LE: Im September feierte der Kurzfilm in Halle seine Premiere und wurde auch in Tschechien gezeigt. Wie waren die Reaktionen des Publikums auf den Film?
CW: Manche haben sich gewundert, dass die Grenze selbst nicht gezeigt oder thematisiert wird. Da muss ich aber immer widersprechen, weil ich denke, dass die Tatsache, dass der Film auf beide Seiten der Grenze schaut, die Grenze thematisiert und die Frage stellt: Was bedeutet die Grenze für mich?
Ich kann mir vorstellen, dass manche noch mehr Informationen oder noch mehr dokumentarische Geschichten erwarten, die man so vielleicht im Fernsehen sehen würde. Unser Film konzentriert sich darauf, die Atmosphäre wahrzunehmen und die Leute in den Vordergrund zu stellen. Wir wollen das Thema nicht in einen größeren politischen Kontext stellen, sondern die Geschichte der beiden Protagonisten erzählen, natürlich im Rahmen dieser Grenzthematik.
Das Gespräch führte Lara Kauffmann
Ferdinand Hauser (*1995) (rechts) studiert Übersetzen in Kunst, Literatur und Medien in den Sprachen Deutsch und Tschechisch an der Universität Wien. Vorangegangen waren ein Studium der Slawistik an der Universität Leipzig und der Karlsuniversität Prag sowie mehrere Praktika im kulturpolitischen Bereich in Prag. Außerdem ist er Autor eines Reiseführers für Prag und war Sprecher des deutsch-tschechischen Jugendforums.
Conrad Winkler (*1997) (links) begann bereits während seiner Schulzeit, eigene Filmprojekte zu realisieren und erhielt zahlreiche regionale Preise. Nachdem er ein Freiwilliges Soziales Jahr im Kulturbereich absolvierte, begann er ein Hochschulstudium im Fach Dokumentarfilm und Fernsehpublizistik an der Hochschule für Fernsehen und Film in München.