Deutsche und Tschechen lassen nicht locker. Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen demonstrierten sie unter dem Motto „Samstage für Nachbarschaft“ für eine schnelle Grenzöffnung. Inzwischen sind es schon Hunderte Menschen, die sich an insgesamt zwölf Orten trafen.
Es ist eine der wenigen Möglichkeiten für René Schönfelder und Eliška Vengleřová Zeit miteinander zu verbringen. Die beiden sind ein Paar, doch seit über zwei Monaten durch die deutsch-tschechische Grenze getrennt. Am Samstag haben sie einen Ausflug ins Erzgebirge unternommen, um sich an einem grenzüberschreitenden Wanderweg bei Oelsen ganz legal für einige Stunden zu treffen. Sie aus Aussig (Ústí nad Labem) kommend, er aus Dresden.
„Eigentlich leben wir zusammen in meiner Dresdner Wohnung und Eliška pendelt zum Arbeiten rüber“, sagt er. Als die tschechische Regierung die Grenze am 13. März schloss, gab es für sie auf einmal kein Zurück mehr. „Ich musste erstmal einige Pakete mit Anziehsachen und Medizin nach Ústí schicken, weil Eliška alles bei mir hatte“, schildert Schönfelder. Damals dachten sie, es wäre nur ein Abschied für wenige Wochen. „Anfangs wurde ja noch gesagt, dass das nur bis Ostern ist“, sagt Vengleřová. Doch inzwischen ist ihrer beider Geduld aufgebraucht. Zwar gab es punktuelle Grenzlockerungen. „Aber da wir nicht verheiratet sind, treffen wir auf keine der Ausnahmen zu“, ist Vengleřová verzweifelt.
An diesem Tag sind sie nicht allein an ihrem Treffpunkt. Mit ihnen haben sich über 100 Menschen der Initiative „Samstage für Nachbarschaft“ versammelt, um für eine schnelle Öffnung der Grenze zu mobilisieren. Nicht alle kannten sich vorher. Die meisten äußern sogar Verständnis, dass die Grenze anfangs geschlossen wurde, so auch Pavel aus Ústí. „Was mich ärgert ist, dass bei uns fast alles gelockert wird, aber für die Öffnung der Grenze gibt es nicht einmal einen Termin. Deswegen bin ich hier“, sagt er.
Zusammengebracht wurden die Teilnehmer über die Facebook-Gruppe „Samstage für Nachbarschaft“. Vor zwei Wochen kam ein erstes Treffen mit Picknick an der Grenze zustande. Schon da waren es über 100 an sechs verschiedenen Orten entlang der sächsisch-tschechischen Grenze. An diesem Samstag sind es schon mehrere Hundert an zehn Orten entlang der gesamten deutsch-tschechischen Grenze. Auch je ein Ort an der polnisch-tschechischen und der österreichisch-tschechischen Grenze sind dabei.
Die weißen Grenzsteine dienen als Tische für Selbstgebackenes, Sekt, Schinken, Brot und Schnaps. Eine Europafahne sowie eine tschechische und deutsche Flagge sind aufgehängt. Auch wenn der schmale Grenzpfad schnell zu eng wird, bemühen alle sich, an die Hygiene- und Abstandsregeln zu halten. Das honoriert auch die tschechische Polizei, die immerhin mit vier Fahrzeugen präsent ist. Sie hält sich meist im Hintergrund. Ein Zivilbeamter weist zwischenzeitlich nur noch mal darauf hin, dass die Grenze nicht überschritten werden darf.
Biene Maja verbindet
Als dann alle in der jeweils eigenen Sprache Karel Gotts Hit Biene Maja anstimmen, rutschen bei den Tschechen die Masken doch etwas runter. Es singt sich einfach nicht so gut mit Mundschutz. Die Stimmung ist heiter. Und doch, die Unzufriedenheit groß. Während anderswo in Europa, wo die Zahl der Infizierten aktuell sogar noch höher ist als in Tschechien und Sachsen, die Grenzen wieder öffnen, bleibt diese zu. Allerdings nicht von deutscher Seite, die die Grenze nicht kontrolliert, sondern von tschechischer. Der Wunsch von Innenminister Horst Seehofer, die Grenze zu öffnen, blieb bislang ungehört. „Mit Deutschland gibt es keine Verhandlungen“, sagte Ministerpräsident Andrej Babiš diese Woche knapp der tschechischen Zeitung „Blesk“, während die Öffnung der Grenzen zu Österreich und der Slowakei Mitte Juni bereits beschlossene Sache ist. Da auch Deutschland und Österreich bis dahin ihre Kontrollen einstellen wollen, wäre es theoretisch möglich, von Deutschland über Österreich nach Tschechien zu reisen.
Für Mitorganisator Jan Kvapil ist das ein völlig absurdes Gedankenspiel und nicht im Sinn der Nachbarschaft. „Wir geben keine Ruhe. Wenn sich die Grenze nicht öffnet, sind wir in zwei Wochen wieder da“, kündigt er an.