Das tschechische Innenministerium stellte den aktuellen Bericht über die Entwicklung der extremistischen Szenen vor. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine überschattete in diesem Bereich alle anderen Themen. Das Innenministerium beobachte dem Bericht zufolge kremlfreundliche Einstellungen, die zur existenziellen Bedrohung für die demokratische Rechtsstaatlichkeit werden könne.
Das tschechische Innenministerium stellte für das zweite Halbjahr 2022 einen umfassenden Bericht zu den Tendenzen der extremistischen Szenen in der Republik vor. „In der Tschechischen Republik hat sich eine Gruppe unzufriedener Bürger als relevante politische Kraft etabliert, die der Regierung und dem demokratischen System misstrauen und mit der außenpolitischen Ausrichtung des Staates nicht einverstanden sind“, so das tschechische Innenministerium. Als „Alternative“ greifen diese Gruppen häufig auf Verschwörungserzählungen zurück, in deren Zentrum Fremdenfeindlichkeit oder nationalistische Ideologien stehen. Die größten Bedrohungen gehen dem tschechischen Innenministerium zufolge von rechtsextremen Gruppierungen und Parteien sowie von rechtsextremen Internet-Foren aus.
Rechtsextreme Kremlfreunde
„Einige rechtsextreme Gruppierungen sind zu einem verlässlichen Bestandteil der kremlfreundlichen fünften Kolonne geworden“, heißt es in dem aktuellen Bericht des Innenministeriums. Dazu zählt es die „Dělnická strana sociální spravedlnosti“ (dt. Arbeiterpartei für soziale Gerechtigkeit, DSSS) und die „Národní demokracie“ (dt. Nationaldemokratie, ND). Der Krieg in der Ukraine überschatte hier die sonstigen Kernthemen wie Corona, Migration und die Minderheitenpolitik. So verbreiteten sie Verschwörungserzählungen über die NATO, den Westen und die Ukraine und appellierten an eine historische Solidarität mit dem vermeintlichen Bruderland Russland. Die „Dělnická mládež“ (dt. Arbeiterjungend, die Jugendorganisation der DSSS) verbreitete in diesem Kontext klar antisemitische Verschwörungserzählungen. Sie behaupte, dass der Krieg eine von Zion geleitete Kampagne sei und rufe dazu auf, ein System des Nationalsozialismus zu errichten.
Ein besonderes Augenmerk legt der Bericht auf rechtsextreme Internetforen. Vor allem nach dem rechtsterroristischen Anschlag in Preßburg (Bratislava) und der Verurteilung eines jungen Mannes in Brünn (Brno) für die Vorbereitung eines Terroranschlags scheint die Gefahr dieser digitalen Gemeinschaften in den Fokus der Ermittler zu rücken. „Online ist eine neue extremistische Subkultur entstanden, mit ihrer eigenen Sprache, Ideologie und Werten“, so der Bericht. Dort würden rechtsextreme Manifeste und Anleitungen für Anschläge verbreitet werden. Das Kernelement der Ideologie nimmt hier der Antisemitismus ein, der vor allem mit rassistischen und LGBT-feindlichen Elementen verbunden wird.
Orthodoxe Kommunisten verschwinden
Die Bedeutung der orthodoxen Kommunisten schwindet dem Bericht zu Folge. Die „Komunistická strana Čech a Moravy“ (dt. Kommunistische Partei Böhmens und Mährens, KSČM) verliere an Bedeutung, wie auch daran erkennbar sei, dass sie nicht mehr im Parlament vertreten ist. Hierfür sei vor allem das Verschwinden der alten Generation verantwortlich. Sie verbreite ebenfalls kremlfreundliche Erzählungen, sie rief gemeinsam mit rechtsextremen Gruppierungen zu pro-russischen Demonstrationen auf. Anders verhielt sich die anarchistische und antifaschistische Szene, die das Kreml-Regime als faschistisch bezeichnete.
Einen besonderen Schwerpunkt legt der Bericht zudem auf die Tätigkeiten der im tschechischen Abgeordnetenhaus vertretenen „Bewegung für Freiheit und direkte Demokratie“ (SPD). Das Innenministerium verortet die Partei in der fremdenfeindlich-populistischen Szene. Sie verbreite Kreml-Propaganda und das russische Narrativ von der angeblichen Entnazifizierung der Ukraine. Der Vorsitzende Tomio Okamura habe erklärt, dass er nicht wisse, wer den Krieg in der Ukraine tatsächlich begonnen hätte. Ein weiteres Parteimitglied wurde wegen der Leugnung eines Völkermordes verurteilt. Dieser hatte die Existenz des KZ Lety öffentlich angezweifelt. Die SPD wurde bei den letzten Wahlen mit 9,6 Prozent ins Parlament gewählt und verfügt über 20 Abgeordnete. Auch der „Volný blok“ legte seinen Fokus auf die Ukraine, lobte Putin und dankte der russischen Armee für ihr rücksichtsvollen Vorgehen.
Den vollständigen Bericht des Innenministeriums finden Sie hier.