Eine Initiative von Historikern und Journalisten fordert eine erklärende Tafel an der Statue von Edvard Beneš vor dem Prager Außenministerium. Damit wollen sie an dessen umstrittene Rolle nach dem Zweiten Weltkrieg und während der kommunistischen Machtübernahme erinnern.

Zu den Unterzeichnern der Initiative an den Prager Stadtrat zählen unter anderem der frühere Senatspräsident Petr Pithart, der Historiker Petr Placák und der ehemalige stellvertretende Premier- und Justizminister Jan Kalvoda. Sie werfen dem zweiten Präsidenten der Tschechoslowakei politische Verantwortung für die kommunistische Machtübernahme 1948 sowie für massive Menschenrechtsverletzungen nach dem Krieg vor.

In dem Aufruf heißt es, Beneš habe der kommunistischen Partei als Vorsitzender der provisorischen Exilregierung eine entscheidende Stellung im Staat verschafft. Besonders kritisiert wird seine Rolle im Februar 1948, als er den Rücktritt der nichtkommunistischen Minister annahm – und so den Machtantritt der Kommunisten unter Klement Gottwald ermöglichte. Er sei auch mitverantwortlich für staatlich organisierte Gewaltverbrechen nach dem Krieg. Zehntausende Tschechoslowaken seien gestorben oder in die Sowjetunion deportiert worden, Millionen hätten ihre Heimat und ihr Eigentum verloren. Beneš habe zur „Sowjetisierung“ des Landes beigetragen und zum Unrecht geschwiegen, so der Vorwurf. Eine erklärende Tafel an der Statue vor dem Černín-Palais, dem Sitz des Außenministeriums, soll die historischen Zusammenhänge benennen. 

Vom Staatsgründer zum umstrittenen Präsidenten

Edvard Beneš (1884–1948) war Mitbegründer der Tschechoslowakei und enger Vertrauter von Tomáš Garrigue Masaryk, dem er als Staatsoberhaupt im Amt nachfolgte. Während des Zweiten Weltkriegs führte er die Exilregierung in Großbritannien und kehrte nach Kriegsende an die Staatsspitze zurück. In seiner zweiten Amtszeit (1945–1948) unterzeichnete er zahlreiche umstrittene Dekrete, die heute meist als „Beneš-Dekrete“ bezeichnet werden. Sie regelten unter anderem die Enteignung und Ausbürgerung von Deutschen und bildeten die rechtliche Grundlage für deren Vertreibung aus der Tschechoslowakei. Für viele Gewaltverbrechen, die sich im Zuge der Vertreibung ereigneten, wurde eine nachträgliche Amnestie erlassen.

„Unser Vorschlag basiert auf dem Respekt vor dem historischen Erbe sowie dem Bemühen, zur Bewahrung der Erinnerung und der Werte beizutragen, auf denen unsere Gesellschaft beruht“, heißt es in dem Schreiben. Die Gedenktafel solle nicht nur als Erinnerung an die Vergangenheit dienen, sondern auch als Warnung für gegenwärtige und künftige Generationen.

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