Foto: Kirchenfenster zu Ehren Engelmar Unzeitigs - Bild: Markus Bauer

„Engel von Dachau“, „Märtyrer der Nächstenliebe“, „Maximilian Kolbe der Deutschen“ – so wird Engelmar Unzeitig von Zeitgenossen beschrieben. Doch wer war dieser Mann, der Anfang dieses Jahres von Papst Franziskus zum Märtyrer erklärt worden ist und am 24. September selig gesprochen wird?

Geboren wurde er am 1. März 1911 als Hubert Unzeitig in Greifendorf (Hradec nad Svitavou) bei   Zwittau   (Svitavy)   im   Schönhengstgau. Nach der Volksschule ging er mit 14 Jahren im Rahmen des so genannten „Wechsels“ für ein Jahr lang als Knecht zu einem tschechischen Bauern in Vřesice nahe Blánsko (Blanz), vor allem   um   sein   Tschechisch   zu   verbessern.   Mit 17 entschloss er sich, Priester zu werden und ging nach Reimlingen bei Augsburg, wo er beim Orden der Mariannhiller Missionare (Ordenskürzel:  CMM)   das   Abitur   nachholte. Im Jahre 1934 absolvierte er das Noviziat und erhielt den Ordensnamen Engelmar. Anschließend verbrachte er vier Jahre beim Theologiestudium   in   Würzburg.   Dort   wurde Engelmar Unzeitig am 6. August 1939 zum Priester geweiht. Kurz darauf, am 15. August 1939, feierte er in Greifendorf seine Primizmesse. Es sollte sein letzter Aufenthalt in der Heimat gewesen sein.

Böhmerwald statt Afrika

Seine Pläne, als Missionar nach Afrika zu gehen, wurden durch den Krieg vereitelt. Nach einer Station in Riedegg bei Linz kam er zum 1. Oktober 1940 nach Glöckelberg (Zvonková) im Böhmerwald, wo er mit der Pfarrseelsorge und dem Religionsunterricht betraut wurde. Doch Pater Engelmar erregte mit seinem Wirken bald Anstoß. Zwei Spitzel hielten den neuen Pfarrer für staatsgefährdend und zeigten ihn bei der Gestapo an. Daraufhin wurde er am 21. April 1941 verhaftet; die Vorwürfe lauteten „heimtückische Äußerungen“ bei Predigten und im Unterricht sowie „Verteidigung der Juden“. Unzeitig kam nach Linz in Untersuchungshaft und von dort ins Konzentrationslager Dachau.

In Dachau wurde er im so genannten Priesterblock interniert, in dem über 3000 Geistliche gefangen waren, zum Beispiel auch der spätere   Erzbischof   und   Kardinal   von   Prag   Josef   Beran.   Wie die   anderen   KZ-Häftlinge musste Unzeitig in SS-Betrieben Schwerstarbeit leisten, und das bei völlig unzureichender Verpflegung. Damalige Leidensgenossen beschreiben   Unzeitig   als   still,   unauffällig, fleißig und bescheiden; oft gab er von seiner Essensration anderen Gefangenen etwas ab. Viel hat Pater Engelmar auch für russische Häftlinge getan und ist ihnen seelsorglich beigestanden. Doch der Höhepunkt seiner   Nächstenliebe   folgte   gegen   Kriegsende:   Als im Lager eine Typhusepidemie ausbrach, meldete sich Unzeitig freiwillig zur Pflege der Erkrankten. Dabei infizierte er sich selbst und starb am 2. März 1945. Seine Asche konnte aus dem KZ geschmuggelt werden und wurde in Würzburg beigesetzt. Die Kraft für sein unermüdliches Wirken nahm Unzeitig aus dem christlichen Glauben; wie er im letzten Brief an seine Schwester schreibt: „Liebe verdoppelt die Kräfte, sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh.“

Freilich war auch ein angehender Seliger vor den Fehleinschätzungen seiner Zeit nicht gefeit. So hatte Unzeitig nach den Erinnerungen mehrerer Zeitzeugen den Einmarsch Hitlers in das Sudetenland   1938   zunächst   begrüßt.   Als er dann aber das wahre Gesicht der Nationalsozialisten erkannte, wurde er zu   einem   entschiedenen   Gegner   des Regimes, was er am Ende mit dem Leben bezahlte.

Aus   Greifendorf   und   Glöckelberg wurde die deutsche Bevölkerung nach dem Krieg vertrieben; Glöckelberg am Eisernen Vorhang wurde nicht wieder besiedelt.   Unzeitig   geriet   in   Vergessenheit. Dies änderte sich 2007, als die Zwittauer Pfarrei, die auch für Greifendorf zuständig ist, zwei Holzstatuen erstellen ließ, von denen eine in der Greifendorfer Kirche aufgestellt wurde und die andere in der Mariannhiller Kirche in Würzburg. Auch laut dem 33-jährigen Zwittauer Tomáš Randula ist das bis dato eher geringe Interesse an Unzeitig in den letzten Jahren gestiegen, hauptsächlich unter kirchlich Engagierten. „Und zur Seligsprechung werden wir nun mit zwei Bussen aus dem Schönhengstgau nach Würzburg fahren“, so der junge Mann weiter.

Gedenken in Glas

Auch   in  Glöckelberg   wird   das   Andenken   an   Unzeitig   heute   in   Ehren   gehalten. Dort hatten ehemalige Glöckelberger   gemeinsam   mit   tschechischen Bürgern der Region bereits 1990 begonnen, die Kirche St. Nepomuk zu renovieren.   Dabei   wurde   ein   neues   Glasfenster eingesetzt, auf dem Pater Engelmar abgebildet ist. Anlässlich der Seligsprechung wird in Würzburg auch die Ausstellung „Zeugen für Menschlichkeit. Christlicher sudetendeutscher   Widerstand   1938   –   1945“   erstmals präsentiert. Die von der Ackermann-Gemeinde,   Sdružení   Ackermann-Gemeinde   und   Česká   křesťanská   akademie   erstellte Wanderausstellung stellt neben Unzeitig neun weitere Biographien vor und soll zukünftig in Tschechien und Deutschland auf Tour gehen.

Nach   dem   bekannten   Zwittauer   Oskar Schindler erhält damit mit Engelmar Unzeitig ein weiterer Schönhengstgauer die Anerkennung, die seine mutigen Taten verdienen.

Weitere Informationen über Engelmar Unzeitig finden Sie auf: www.engelmarunzeitig.de , www.gloeckelberg.at und www.farnost-svitavy.cz

Dieser Artikel erschien im LandesEcho 9/2016.

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