Frauenquote, Priesterweihe, Gleichberechtigung: Die Rolle der Frau in Gesellschaft und Kirche hat viele Dimensionen. Eine digitale Tagung der Sdružení Ackermann-Gemeinde versuchte, Antworten auf drängende Fragen zu geben.
Bei einer Veranstaltung, bei der die deutsch-tschechische Verständigung im Vordergrund steht, ist die persönliche Begegnung eigentlich unabdinglich. Dass virtuelle Konferenzen dennoch bereichernd sein können, bewies die Sdružení Ackermann-Gemeinde (SAG) am vergangenen Wochenende bei ihrer Tagung zum Thema „Frauen in der heutigen Gesellschaft im deutsch-tschechischen Kontext“.
Als es um die Themensuche zur Konferenz ging, habe man sich an den Todestag der Heiligen Ludmila erinnert, der sich in diesem Jahr zum 1100. Mal jährt, berichtete Daniel Herman, Vorsitzender der SAG. Sie war die erste christliche Herrscherin und Heilige Böhmens, und somit eine bedeutende Persönlichkeit der Kirche und des Weltlichen. Doch auch aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen bieten Anlass genug, sich der Stellung der Frau zuzuwenden. Denn Frauen gehören zu den Verlierern der Corona-Pandemie, wie Elisabeth Maier, Vorsitzende des Bundes der Deutschen katholischen Jugend, feststellte. Sie arbeiten häufiger in Teilzeit und Kurzarbeit und sind zudem die Leidtragenden von Homeschooling und Homeoffice.
Streitfrage Frauenquote
Der Kampf um Frauenrechte sei ein „steiniger Weg gewesen“, berichtete Maier in ihrem Vortrag. Dabei seien die Themen von vor 250 Jahren heute immer noch die gleichen: Es gehe um Repräsentation und Selbstbestimmung. Ersteres erkämpften sich die Frauenbewegungen im vergangenen Jahrhundert zumindest formal durch die Einführung des Wahlrechts für Frauen, das in Deutschland 1918 und in der Tschechoslowakei zwei Jahre darauf eingeführt wurde. In einigen Ländern aber auch erst deutlich später, wie in Liechtenstein, wo Frauen erst 1984 an der Urne ihre Stimmen abgeben konnten.
Geht es um das Thema Repräsentation, wird immer wieder auf Frauen in Spitzenpositionen verwiesen, die als Beispiel dafür dienen, dass Frauen inzwischen der Weg bis nach ganz oben offen stehe. Und in der Tat finden sich einige solcher Beispiele, wie die tschechische Vizepräsidentin der EU-Kommission Věra Jourová. Doch was meist nicht berücksichtigt wird, ist der strukturelle Unterschied zwischen Männern und Frauen. Im tschechischen Parlament etwa sind nur ein Fünftel der Abgeordneten weiblich, in Deutschland knapp ein Drittel. Dass dies ein Problem ist, darin sind sich alle Diskutanten der Konferenz auch einig. Doch wie lässt sich das Problem beheben? Über eine Frauenquote? Da gehen die Meinungen schon wieder auseinander. Daniel Herman etwa möchte, dass Leistung und Qualifikation darüber entscheiden, wer einen Job oder einen Platz im Parlament bekommt. Sein Pendant auf deutscher Seite, Martin Kastler, Vorsitzender der Ackermann-Gemeinde in München, sprach sich wiederum für eine Quote aus.
Ein Beispiel, wie es in der Praxis funktionieren kann, bietet der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds. Dort arbeiten genauso viele Männer wie Frauen, berichtet Petra Ernstberger, Vorsitzende des Fonds. Und noch viel wichtiger: Sie verdienen für gleiche Arbeit auch das gleiche Geld. Denn in vielen Ländern Europas klaffen die Gehälter zwischen den Geschlechtern auseinander. In Deutschland und auch in Tschechien ist diese Lücke laut einer Erhebung von Eurostat aus dem Jahr 2018 besonders groß: In Deutschland verdienen Männer demnach pro geleistete Arbeitsstunde im Durchschnitt 20,9 Prozent mehr als Frauen, in Tschechien sind es 20,1 Prozent. Am größten ist die Lücke in Estland, wo die Arbeit von Männern mit 22,7 Prozent mehr Geld entlohnt wird.
Frauen überwiegen an der Basis, aber nicht an der Spitze der Kirche
Da es sich bei der Ackermann-Gemeinde, um eine katholische Institution handelt, bildete das Thema Frauen in der katholischen Kirche einen Schwerpunkt. Im Gegensatz zur Gesellschaft scheint die Gleichberechtigung dort vor größeren Hindernissen zu stehen. Allen voran die Frage, ob Frauen die Priesterweihe empfangen dürfen. Doch der gesellschaftliche Wandel macht sich in der Kirche bemerkbar. Erst Anfang des Jahres änderte Papst Franziskus das Kirchenrecht. Seitdem ist es Frauen erlaubt, im Gottesdienst aus der Bibel vorzulesen und die Kommunion auszuteilen. Doch mit diesem Schritt passt sich die Kirche lediglich dem an, was ohnehin der Praxis vielerorts entspricht.
Nimmt man diese Realität genauer unter die Lupe, fällt Paradoxes auf, wie Barbara Krause in einer der Diskussionsrunden feststellte: „Je weiter an der Basis man schaut, desto mehr ermöglichen Frauen, dass kirchliches Leben stattfindet.“ Im Gottesdienst sei die Mehrheit derer, die auf den Kirchenbänken sitzen, Frauen. In den entscheidenden Gremien säßen allerdings fast ausschließlich Männer. Frauen müsse daher mehr Raum bei Entscheidungen eingeräumt werden, fand die Politikwissenschaftlerin Krause.
Wie bei der Debatte um Frauenquoten in Politik und Wirtschaft geht es also auch in der Kirche um das Thema Repräsentation. Doch ob deswegen auch Frauen Priesterinnen werden sollten? Das ist ein heißes Eisen, das niemand so wirklich aus dem Feuer holen wollte. Man solle die „Frauenfrage nicht auf die Weihefrage reduzieren“, fand etwa Marie Kolářová. Vielmehr sei wichtig, dass Frauen in hohen kirchlichen Ämtern zur Normalität statt zur Ausnahme würden. Sie selber ist als Kanzlerin des Erzbistums Prag das beste Beispiel. In dieser Funktion traf sie sogar Papst Franziskus, der zwar etwas überrascht aber letztlich sehr erfreut gewesen sei über eine Frau in diesem hohen Amt, berichtete sie mit einem Schmunzeln.
Am Ende der Konferenz stehen große Fragen, auf die man innerhalb von zwei Tagen keine Antwort finden kann, ja auch gar nicht sollte. Vielmehr muss die Rolle der Frau in Gesellschaft und Kirche ständig aufs Neue hinterfragt und definiert werden. Schaut man sich jedoch die Referentinnen und Referenten genauer an, fällt auf: Es sind deutlich mehr Frauen als Männer, die das Programm der Konferenz bestimmten.
Den Abschluss der Konferenz bildete ein Theaterstück über historisch bedeutende Frauen. Foto: SAG