Mitte Dezember fand im Komotauer (Chomutov) Kino „Svět“ die feierliche Premiere des Films „Generation N: Deutschböhme“ statt. Es ist bereits das dritte Filmprojekt von Veronika Kupková und Olga Komarevtseva, in denen sie Menschen mit ihren Schicksalen aus dem Grenzgebiet vorstellen.
Der Film entstand in Zusammenarbeit mit dem Deutsch-Tschechischen Begegnungszentrum Komotau und der „Grünen Schule grenzenlos“ im sächsischen Zethau.
Die mehrheitlich deutschsprachige Bevölkerung Komotaus wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges vertrieben und ihr Vermögen konfisziert. Viele Neubürger aus Mittelböhmen, der Slowakei, Repatrianten und Roma siedelten sich hier an. Heute hat Komotau fast 50 000 Einwohner.
Neues Interesse
Das Interesse an der deutschen Sprache und der Geschichte der Region ist hier erst nach der Öffnung der Grenzen und durch den Strom von deutschen Touristen wieder stark angestiegen. Der Grenzübergang Sv. Šebestián liegt nur 29 Kilometer nördlich von Komotau, bis Chemnitz sind es 102 Kilometer. Es bestehen Städtepartnerschaften zu Annaberg-Buchholz in Sachsen, Bernburg bei Halle und Arenzano in der italienischen Region Ligurien.
Der vor 25 Jahren gegründete Bund der Deutschen, Region Erzgebirge und sein Vorland, hat neben offiziellen Kontakten nach Deutschland und Österreich auch viele persönliche. Es sind vor allem ehemalige Bewohner dieses Heimatkreises und deren Nachfahren. Das dazu gehörende Begegnungszentrum in Komotau hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Spuren der ehemaligen deutschen Bewohner in dieser Region nachzugehen.
Unter der Schirmherrschaft des tschechischen Kulturministers Daniel Herman, mit finanzieller Unterstützung des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds, des Landkreises Mittelsachsen, des Programms „Demokratie leben“, des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und der Landesversammlung der deutschen Vereine in der Tschechischen Republik entstand das Filmprojekt „Generation N: Deutschböhme“.
Die Filmemacherinnen Veronika Kupková und Olga Komarevtseva besuchten in Zusammenarbeit mit Alice Hlaváčková, der Geschäftsführerin des Komotauer Begegnungszentrums, viele Menschen des Grenzgebietes und zeichneten deren Lebensgeschichten auf. Als Amateure haben sie mit großer Professionalität einen Zeitzeugenbericht geschaffen, der mit den Aussagen seiner vier Protagonisten ein wahrhaftiges Bild der Nachkriegszeit vermittelt und erschüttert.
Bei ihrer Arbeit wurden sie von vielen jungen Ehrenamtlichen und einem Profifotografen unterstützt. Das Leitmotiv des Films lautete: „Nichts in dieser Welt verdient so viel Respekt wie ein Mensch, der sein Unglück überwand.“
Vier Schicksale
Die Protagonisten waren Pauli Luft (geb. 1935) gebürtige Komotauerin, die nicht vertrieben wurde, sie war Mathematik- und Sportlehrerin, ebenso der in Wernsdorf (Veneřove) aufgewachsene Milan Král (geb.1936), ein ehemaliger Eishockeyspieler, der jetzt in Klösterle (Klášterec n.O.) lebt. Den in Pressnitz (Přísečnice) geborenen Karl Simeon Schlosser (geb. 1937) verschlug es durch die Vertreibung bis nach Sonneberg in Thüringen, später nach Dresden. Er war 16 Jahre lang Lehrer. Nach vielen, vielen Jahren wollte er sein Heimatdorf besuchen und fand dort nur noch eine Talsperre.
Gertrud Landsmann (geb. 1920), stammte aus Kladrau (Kladruby), lebte nach ihrer Heirat in Sauerbrunn (Bílina). Im Juli 1945 musste sie ohne Hab und Gut ihr Zuhause verlassen. Nur mit Kinderwagen und ihren noch sehr kleinen Söhnen ging sie zu Fuß über den Kamm des Erzgebirges bis nach Freiberg. Zwar hat sie später ihren Heimatort besucht, aber zurückkehren wollte sie nie mehr. Die Erinnerungen waren zu schmerzlich. An der Filmpremiere konnte sie nicht mehr teilnehmen, da sie im August 2016 verstarb. „Dieser Film ist eine großartige Sache, weil es höchste Zeit ist, etwas für die Versöhnung zwischen Tschechen und den Deutschen zu tun“, meinten einstimmig die Beteiligten des Films. „Wir sind dankbar, dass wir mitwirken konnten.“
Diese grenzüberschreitenden Projekte vertiefen nicht nur die tschechisch-deutschen Beziehungen, sondern helfen auch bei der Aufarbeitung der Nachkriegsgeschichte, tragen dem Bedürfnis der sogenannten Enkel- und Urenkelgeneration Rechnung, etwas über ihre Wurzeln und die Wahrheit über die tatsächlichen Ereignisse nach Ende des Zweiten Weltkrieges zu erfahren. Die Aussagen der noch lebenden Zeitzeugen sind dabei zweifelsohne sehr überzeugend. Der überfüllte kleine Kinosaal bei der festlichen Premiere bestätigte das große Interesse an solchen Filmen. Unter dem Publikum befanden sich viele junge Menschen.
Den Film kann man sich nun auch auf der Videoplattform youtube ansehen:
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