Ein Poesiomat ist vor der St.-Nikolaus-Kirche in Schüttwa (Šitboř) zu finden. Foto: Karel Cudlín

Sieben sogenannte Poesiomaten stehen verteilt im ehemaligen Sudetenland. Das Projekt erinnert an die Geschichten hinter sieben verlassenen Kirchen und an die ehemalige deutsche Bevölkerung in der Region.

In dem Gebiet des ehemaligen Sudetenlands stehen einige Kirchen, die nach der Vertreibung der Deutschen aus dieser Region zum größten Teil verfielen. Der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds sowie Einzelpersonen und Vereine setzen sich für die Erhaltung der Kirchen ein. Aufmerksamkeit für die Kirchen und die Geschichten dahinter soll nun auch ein neues Projekt bringen. Sogenannte Poesiomaten stehen seit diesem Jahr vor sieben ausgewählten Kirchen. Die aus dem Boden ragenden Rohre sind mit einer Kurbel versehen und erzählen nach Drehen der Kurbel die Geschichten der Kirchen, der Dörfer, in denen sie stehen, oder spielen die Melodie der Kirchenglocken.

Orte mit einzigartigem Charme

Das Projekt entstand in Zusammenarbeit zwischen dem Verein „Piána na ulice“ (dt. Pianos auf die Straßen) des Cafébetreibers Ondřej Kobza, dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds und der Stiftung Nadace PPF sowie mit Einzelpersonen und Vereinen, die an der Erhaltung der Kirchen beteiligt sind. Ondřej Kobza stellt seit 2015 Poesiomaten in ganz Tschechien und im Ausland auf. Seit diese nicht mehr an ein Stromnetz angeschlossen sein müssen, kommen nicht mehr nur Städte als Standorte für die Poesiomaten in Frage: „Und so haben wir mit der Suche nach möglichen Standorten begonnen. Orte mit einer interessanten Geschichte und einzigartigem Charme. Und das ist genau das, was verlassene Kirchen haben“, erläutert Kobza. Seine Idee, Poesiomaten an Kirchen aufzustellen, die nach der Vertreibung der Deutschen allmählich verfielen, fand beim Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds, der sich seit knapp 25 Jahren für die Restaurierung deutscher und jüdischer Kulturdenkmäler in der deutsch-tschechischen Grenzregion einsetzt, direkt Anklang. „Mit der Unterstützung der Poesiomaten wollen wir das Vermächtnis der früheren deutschen Bewohner in den böhmischen Ländern sichtbarer machen, all das Positive hervorheben, was seit 1989 im Bereich der deutsch-tschechischen Zusammenarbeit erreicht wurde, und Deutsche und Tschechen dazu ermutigen, diese Zusammenarbeit zu vertiefen“, erläutert Petra Ernstberger, die deutsche Geschäftsführerin des Zukunftsfonds. Auch die Stiftung Nadace PPF war von der Idee begeistert und unterstützt das Projekt. „Wir verfolgen Ondřejs Aktivitäten schon seit Langem und begrüßen seinen Ansatz zur Belebung des öffentlichen Raums“, teilte Jana Tomas Sedláčková, Mitglied des Vorstands der Stiftung Nadace PPF, in einer Pressemitteilung mit.

Eine Fotoausstellung von Karel Cudlín zeigt Bilder der Poesiomaten. Foto: Madeleine Eisenbarth

Eine Fotoausstellung von Karel Cudlín zeigt Bilder der Poesiomaten. Foto: Madeleine Eisenbarth

Kulturelles Erbe erhalten

Dank der Zusammenarbeit der verschiedenen Parteien stehen nun sieben neue Poesiomaten im Böhmerwald, in den Regionen Tachau (Tachov), Karlsbad (Karlovy Vary), Aussig (Ústí nad Labem) und im Adlergebirge und erzählen unter anderem die Geschichten der Kirchen, die dort stehen. Eine der sieben Kirchen, von der nun ein Poesiomat spricht, ist die St.-Nikolaus-Kirche in Schüttwa (Šitboř). Deren Fundamente wurden, wie Archäologen schätzen, bereits im 13. Jahrhundert angelegt. Nachdem das Dach in den 1970er Jahren einstürzte, sollte die Kirche eigentlich abgerissen werden, was durch das Engagement eines lokalen Vereins und den Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds jedoch verhindert wurde. Von der Rettung der Kirche erzählt nun auch ein Poesiomat vor Ort.

Die Inhalte der neuen Poesiomaten entwickelte der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds in enger Zusammenarbeit mit denjenigen Personen, die an den Restaurierungen der jeweiligen Kirchen beteiligt sind. Das Ziel ist es, Poesie auf eine kreative Art und Weise an die verlassenen Orte zu bringen und gleichzeitig das kulturelle Erbe der Standorte zu erhalten und auf die Geschichte der Orte aufmerksam zu machen.

Fotografisch dokumentiert hat die Restaurierungsarbeiten sowie die neuen sieben Poesiomaten Karel Cudlín. Seine Bilder von den Poesiomaten vor den Kirchen waren bei einer Fotoausstellung auf dem Dach der Prager Lucerna im Rahmen einer Pressekonferenz für das gesamte Projekt zu sehen. Auch in Echt können Besucher, die in der Region des ehemaligen Sudetenlands unterwegs sind, die Poesiomaten bereits seit Anfang des Sommers an ihren Standorten bestaunen und lauschen, was die Rohre ihren über die Vergangenheit des Ortes zu erzählen haben.

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