Die Produktion der Scholze-Klaviere kann auf eine lange Historie zurückblicken. Spuren der Klavierbauerfamilie Scholze aus dem Schluckenauer Zipfel finden sich noch heute. Unser Autor hat sich auf die Suche nach den Nachkommen der Scholzes begeben.
Seit meiner Kindheit spiele ich Klavier. Als ich ans Konservatorium kam, kaufte mir mein Vater ein älteres Klavier. Es hatte einen bemerkenswert lyrischen Klang, denn es war doch ein Scholze! So fand ich zum ersten Mal heraus, dass die Klaviere dieser Marke von einem besonderen Nimbus umwoben sind. Auf diesem Klavier glänzte die Aufschrift SCHOLZE – GEORGSWALDE. Ich fragte, was Georgswalde bedeutet und erfuhr, dass dies der frühere deutsche Name für Jiříkov ist, einer Kleinstadt im Schluckenauer Zipfel.
Klavierproduktion mit langer Tradition
Es ist erstaunlich, wie sich dort die Klavierherstellung entwickelte. Es gab eine Fabrik der weltberühmten Firma August Förster (hinter der Grenze, in Löbau befindet sich noch ihr Stammbetrieb), des Weiteren waren hier der Tastaturfabrikant Hermann Stamnitz und auch die kleinere Firma Josef Protze tätig, die 1914 die Firma Scholze kaufte. Zuvor hatte ihr Gründer, Franz Scholze, 1891 im nahegelegenen Warnsdorf (Varndorf) eine Fabrik errichtet, die sich erfolgreich entwickelte. Franz Scholze hatte vier Söhne, die er alle als Klavierbauer ausbilden ließ. Im Jahre 1918 übergab er den Betrieb seinen Söhnen. Die beiden älteren Brüder, Adolf und Franz, leiteten die Fabrik in Georgswalde, während die beiden jüngeren, Rudolf und Emil, die Fabrik ihres Vaters in Warnsdorf mit ihrem Geschäftspartner Hermann Swoboda übernahmen.
Die Scholze-Pianos aus Georgswalde haben ihre eigene Marke – kennzeichnend sind die auf einem Gusseisenrahmen ineinander verschlungenen Buchstaben S G – und manchmal finden wir den Ortsnamen Georgswalde dem Namen auf der Klappe hinzugefügt. Der Stammbetrieb hat hingegen auf dem Rahmen die Buchstaben S S W (Scholzes Söhne Warnsdorf) und auch auf der Klappe wird manchmal noch Warnsdorf erwähnt. Wir sehen die Absicht, die Produktionsorte der beiden Betriebe zu unterscheiden, wenn auch nicht immer und um jeden Preis. Was die Konstruktion und Form betrifft, unterscheiden sich die Pianos kaum. Klaviermacher und Stimmer streiten darüber, ob die Klaviere aus Warnsdorf oder aus Georgswalde besser sind.
Beide Betriebe prosperierten, der Georgswalder kaufte in der Stadt noch ein Haus als Repräsentationsverkaufsstelle hinzu. Leider widerstand diese dann aber nicht den Folgen der Weltwirtschaftskrise und im Jahre 1935 geriet sie in Liquidation. Der Stammbetrieb in Warnsdorf kaufte das Geschäft anschließend auf. Nach dem Tod des 60-jährigen Rudolf Scholze im Jahr 1944 leitete Emil Scholze Senior das Unternehmen mit seinem Sohn Emil, dem Geschäftspartner Hermann Swoboda und einer gewissen Elfriede Stropp. Der älteste Bruder Adolf, der aus Georgswalde nach Warnsdorf kam, wirkte dort als Konstrukteur.
Das Ende der heimischen Scholze-Klavierherstellung
Dann kam, was nicht passieren sollte – der Zweite Weltkrieg und seine Folgen. Am 5. Juli 1945 wurde das Unternehmen von einer Übergangsverwaltung übernommen und später in die staatliche Fabrik für Pianos und Orgeln eingegliedert. In Warnsdorf endete schließlich die Klavierproduktion, andere Firmen übernahmen die Herstellung der Pianos. Die neue kommunistische „Volksregierung“ eignete sich schamlos an, was sie wollte. Paradoxerweise blieb die Klaviermarke Scholze erhalten: Die Scholze-Pianos baute man in diversen tschechischen Betrieben unter dem gestohlenen Familiennamen weiter. 1958 ging die gesamte inländische Produktion von Musikinstrumenten in ein Konglomerat von Unternehmen namens Tschechoslowakische Musikinstrumente über. Nach 1991 wurden diese Marken als Warenzeichen in einer komplizierten Privatisierung an die Firma Petrof übertragen, die heute Pianos der Marken Scholze, Rösler, Weinbach und Fibich in China in Lizenz bauen lässt.
Auf der Suche nach Scholze-Spuren
Warum beschäftige ich mich eigentlich mit dieser Geschichte? Ich habe ein Klaviergeschäft mit Reparaturwerkstatt in Prag. Ich bin auch der Vorsitzende des Klavier- und Orgelmacherkreises. Scholzes Klaviere und Flügel gehören oft zu den vielen Instrumenten, die durch meine Hände gehen. Im Jahre 2020 brachte mich das Schicksal schließlich in die Stadt Warnsdorf. Der Musiker Tomáš Flégr war mein Führer durch die Stadt und ihre Umgebung. Da erinnerte ich mich an die Firma Scholze und fragte, ob von ihr noch etwas übrig sei. Unsere Suche in den örtlichen Archiven war nicht erfolgreich, aber die rettende Idee war, den Warnsdorfer Dichter und meinen langjährigen Freund Milan Hrabal zu fragen. Er kannte nicht nur die Stelle, wo sich auf dem Friedhof die Grabstätte der Familie befand, sondern er wusste auch von der ehemaligen und heute noch bestehenden Fabrikhalle. Zudem erinnerte er sich, dass er jemanden kannte, der mit dem jüngsten Sohn der Scholzes – Emil – persönlichen Kontakt hatte. So lernte ich eine interessante Persönlichkeit kennen: Karl Stein. Ich habe ihn in Tetschen (Děčín) besucht, wo er in einem ehemaligen alten Pfarrhaus lebt. Er gab mir nicht nur alte Scholze-Poster und das originale Briefkopfpapier der erwähnten Klavierfirma, sondern auch zwei Fotografien.
Der jüngste Sohn aus der Scholze-Familie: Emil Scholze junior
Ich erfuhr, dass Emil Scholze nach vielen Jahren in der Tschechoslowakei schließlich in die Bundesrepublik Deutschland zog. Um die Scholzegruft kümmerte sich viele Jahre Karl Steins Großmutter Anna Vedral mit ihrer Tochter Kristina. Heute ist das Grab verwahrlost. Mehr wusste Karl über Emil Scholze Junior, den er „Onkel“ nannte, nicht zu sagen.
Ich frage mich, ob das Grab nicht restauriert werden könnte, ob wir, der Klaviermacherkreis, zusammen mit der Stadt Warnsdorf nicht etwas tun könnten. Am besten wäre es, sich mit den Nachkommen der Familie Scholze in Verbindung zu setzen. Werden wir jemanden aus der Familie Scholze finden?
Antwort erbittet der Autor Jakub Zahradník an seine E-Mail-Adresse info@sanson.cz.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der LandesEcho-Printausgabe 08/2022.