Die deutsche Minderheit vergewissert sich in der Deutschen Botschaft Prag ihrer Identität und erinnert an den Sommer 1989.
Das hatte die Deutsche Botschaft in Prag lange nicht erlebt. Zwei Zigaretten entzündete die Sängerin Renata Drössler zu zwei ihrer Lieder zum Auftakt ihrer Frühjahrstournee. „Dafür musste extra ein Sicherheitsbeamter anwesend sein. Und auch sonst war das ein denkwürdiger Auftritt“, sagte Markus Klinger, der Leiter des Kulturreferats der Deutschen Botschaft. Lautstarke Konzerte und Fußballspiele gab es schon im Garten des Palais Lobkowicz, aber eine rauchende und leidenschaftliche Diva im historischen Kuppelsaal war ein Novum.
Das Konzert war nicht nur ein gelungener Abschluss des Treffens der deutschen Minderheit. Der Auftritt der mehrsprachigen Sängerin war bewusst gewählt. In fünf Sprachen sang sie sich durch ihr Programm und lebte so vor, worüber die Minderheit bei ihrem zweijährigen Treffen den Tag über reflektiert hatte. Es ging um nicht weniger als „Identität und Freiheit – Deutsche in Mitteleuropa 30 Jahre nach Mauerfall und Samtener Revolution“. Die Mehrsprachigkeit und Vielheit in der Identität der Deutschen in Tschechien ist ein prägendes Merkmal, worauf auch der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Bernd Fabritius einging. „Sie bekennen sich zur tschechischen Gesellschaft. Sie genießen ein ganz erhebliches Ansehen. Das wird auch von offizieller Seite in der Tschechischen Republik so gesehen“, wandte sich Fabritius an die deutsche Minderheit und fügte hinzu: „Dass die Minderheitenkonferenz im Außenministerium stattfinden kann, ist nicht selbstverständlich. Das ist Ihr Verdienst und damit gebührt Ihnen großer Dank.“
Der Dank ist berechtigt. Denn das Ansehen der deutschen Minderheit fördert unmittelbar auch eine positiven Haltung der tschechischen Bevölkerung gegenüber Deutschland, so der Bundesbeauftragte weiter. „In dem zusammenwachsenden Europa sind Sie die Brücke zwischen Deutschland und Tschechien. Sie tragen so sehr glaubwürdig zum europäischen Einigungsprozess bei“, sagt Fabritius wenige Wochen vor den Europawahlen.
Seit 2013 finden die Treffen immer im Wechsel zu der ebenfalls zweijährigen Minderheitenkonferenz in der Botschaft statt und sind zu einer guten Tradition geworden. Wie wichtig so eine Zusammenkunft für die deutsche Minderheit ist, unterstrich ihr Präsident Martin Dzingel: „Unsere Projektarbeit findet ja in den Regionen statt, weshalb ein Treffen für uns von sehr großer Bedeutung ist.“ Rund 100 Vertreter aus den Verbänden der Landesversammlung wie auch vom Kulturverband sind der Einladung gefolgt. Sie wurden an die historischen Ereignisse erinnert, die sich vor 30 Jahren genau an dem Ort der Botschaft ereigneten und in die friedliche Revolution in Ostdeutschland wie auch die Samtene Revolution in der Tschechoslowakei mündeten. Von jenem Balkon, der sich an den großen Kuppelsaal anschließt, sprach der damaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher zu fast 4000 Verzweifelten, die unter schwierigen Bedingungen auf dem Botschaftsgelände ausharrten, die erlösenden Worte: „Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise möglich geworden ist.“ Der letzte Teil des Satzes ging im frenetischen Jubel unter.
„An diese Ereignisse möchte die Botschaft in diesem Jahr mit einem großen Fest am Nachmittag und Abend des 28. September erinnern“, lud Botschafter Christoph Israng ein. Viele Flüchtlinge aber auch Fluchthelfer von damals werden anwesend sein. Erinnert wird übrigens auch auf dem Bahnhof Prag-Lieben (Libeň), von wo damals die Botschaftsflüchtlinge ihre Zugreise über die DDR in die Bundesrepublik antraten.
Was alles durch die Samtene Revolution auch für die deutsche Minderheit möglich wurde, präsentierten ihre Vertreter in mehreren Referaten. Dazu gehörten übrigens auch die Freunde von der karpatendeutschen Minderheit in der Slowakei unter Leitung ihres Vorsitzenden Ondrej Pöss und des Leiters der Karpatendeutschen Stiftung Ján König.
Am Ende des Tages gab es auch einen Abschied. Dieter Fuchsenthaler vom Kulturreferat der Botschaft, der die letzten vier Jahre eng mit der deutschen Minderheit zusammengearbeitet hat, verabschiedete sich in den Ruhestand. Aber zum Abschied gehört auch Wiedersehen, zum Beispiel mit Renata Drössler, die Ende April in Eger (Cheb) und Reichenberg (Liberec) sowie Mitte Mai in Mährisch Schönberg (Šumperk) und Troppau (Opava) auftreten wird. Und der Bundesbeauftragte Bernd Fabritius, der in seiner erst kurzen Amtszeit schon dreimal die deutsche Minderheit in Tschechien besuchte, versprach: „Ich will noch sehr häufig mehr als dreimal kommen.“
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