Zum ersten Mal nahm eine Mannschaft der deutschen Minderheit aus der Tschechischen Republik an der EUROPEADA teil, der Fußball-Europameisterschaft nationaler Minderheiten. Bei dem Turnier belegten die „Deutschen aus Tschechien“ einen Platz im Mittelfeld. Mit Teammanager Ilyas Zivana haben wir über Siege und Niederlagen gesprochen.
LE: Bei der EUROPEADA 2024 hat die Mannschaft der deutschen Minderheit den 14. Platz belegt und landete damit im Mittelfeld. Hattest Du Dir als Teammanager mehr erhofft?
Man erhofft sich natürlich immer mehr, aber ganz realistisch betrachtet ist das ein gutes Ergebnis. Ich hätte mir ursprünglich eine Platzierung in der oberen Teilnehmerhälfte gewünscht, also Platz 12 und aufwärts, das war bei dem Turniermodus aber schnell nicht mehr möglich. Deshalb ist der 14. Platz für mich völlig in Ordnung und für die erste Teilnahme an der EUROPEADA ist das ein sehr gutes Ergebnis.

LE: Bereits nach der Niederlage beim ersten Gruppenspiel gegen die Slowenen aus Österreich war klar, dass die deutsche Minderheit bei diesem Turnier leider nicht über die Gruppenphase hinauskommen wird. Was hat das mit der Motivation des Teams gemacht?
Ja, da ist der Modus unerbittlich. Wenn man nicht Gruppenerster oder der beste Gruppenzweite wird, was bei uns als Dreiergruppe nicht möglich war, dann weiß man recht bald, dass man nicht in ins Viertelfinale kommen kann. Es hatte aber eigentlich gar keinen so großen Einfluss auf die Motivation, weil wir das erste Spiel gegen Koroška hatten, also gegen die Slowenen aus Kärnten, die bei der letzten EUROPEADA bis ins Finale gekommen waren. Es stand lange 1:1 und als sie gemerkt haben, was wir können, sind sie doch ein bisschen nervös geworden, das hat man an der Zweikampfführung gesehen. Wir haben am Ende unglücklich 1:3 verloren, aber wir haben bewiesen, dass wir mit solchen Teams mithalten und mit ein bisschen Glück auch Punkte holen können. Es hat die Mannschaft eigentlich gar nicht so sehr runtergezogen, sondern noch mehr Lust darauf gemacht, beim nächsten Spiel zu zeigen, dass wir auch gewinnen können.

LE: Trotzdem ging dann auch das nächste Spiel in der Gruppenphase für die „Deutschen aus Tschechien“ verloren…
Ja, die Burgenlandkroaten waren dann ein noch stärkerer Gegner. Trotzdem sind wir mit großen Ambitionen in das Spiel reingegangen. Dass wir verloren haben, hatte mehrere Gründe: Die Burgenlandkroaten waren schon zum dritten Mal dabei und kannten sich als Team länger. Sie waren einfach eine eingespielte Mannschaft. Dazu hatten sie einen größeren Kader und konnten flexibel wechseln. Dass sie gewonnen haben, geht schon in Ordnung. Aber wir haben wiederum auch nur 0:2 verloren. Das sollte sich später noch als vorteilhaft erweisen, denn obwohl wir zwar jedes Gruppenspiel verloren haben, haben wir doch nur sehr knapp verloren – im Vergleich zu anderen Mannschaften, die mitunter 24:0 untergegangen sind. Deshalb hatten wir später noch die Chance, um eine relativ hohe Platzierung im Mittelfeld zu spielen. Wir haben also eine gute Leistung gezeigt, auch wenn das Ergebnis das auf den ersten Blick nicht widerspiegelt.
LE: Gegen die Rätoromanen aus der Schweiz beim ersten Platzierungsspiel gelang der Mannschaft dann aber ein phänomenaler Sieg von 8:0. Hattet ihr nach den ersten Niederlagen einen solchen Sieg noch für möglich gehalten?
Ja, haben wir. Einfach, weil wir wussten, dass wir eine sehr schwere Gruppe hatten und in den Platzierungsspielen leichtere Gegner zu erwarten waren.
Dass es so deutlich wird, war vielleicht nicht zwingend abzusehen. Es war genau der Gegner, den wir uns schon in der Gruppenphase gewünscht hätten – gegen den man ein paar Tore schießen kann, gut ins Turnier kommt und für die nächsten Spiele Selbstvertrauen aufbaut. Das war uns in der Gruppenphase nicht vergönnt, sondern erst im Platzierungsspiel. Es war natürlich eines unserer besten Spiele bei der EUROPEADA.

LE: Die EUROPEADA soll bekanntlich nationale Minderheiten stärken, aber auch die kulturelle Vielfalt und den Dialog untereinander fördern. Geprägt war die EUROPEADA aber auch von vielen Fouls und hitzigen Wortgefechten auf dem Spielfeld. Ist es gelungen, diesen vermeintlichen Gegensatz aufzulösen?
Das sind für mich zwei verschiedene Dimensionen. Wir reden hier einmal über das Sportliche und einmal über den Aspekt der Minderheiten. Dialog und Vielfalt wurden auf jeden Fall gefördert. Das sieht man auch daran, dass dieses Mal noch mehr Mannschaften teilgenommen haben und sich dadurch noch mehr Minderheiten präsentieren konnten. Die EUROPEADA hat über die 16 Jahre ihrer Existenz eine Sogwirkung entwickelt, die immer mehr Minderheiten dazu bewegt, teilzunehmen. Weil sie auf sich aufmerksam machen können, weil es ihre Strukturen stärkt und weil sie mit anderen Minderheiten in Kontakt kommen, die sie sonst nicht treffen würden. Wir haben als deutsche Minderheit in Tschechien ja öfter mal Kontakt mit einigen Minderheiten, zum Beispiel mit den Deutschen in Polen, auch mit den Sorben haben wir schon gemeinsame Projekte gemacht, aber es gibt andere Minderheiten, mit denen man sonst keine Berührungspunkte hat. Diese Minderheiten kann man durch das Medium Fußball im Rahmen der EUROPEADA kennenlernen. Wir sind zum Beispiel mit der deutschen Minderheit aus Dänemark zusammengekommen und haben gesagt, dass es doch schön wäre, mal etwas zusammen zu machen, im sportlichen Sinne oder auch im Jugendbereich.
Eine andere Sache ist der Amateurfußball und die Hitzigkeit dabei. Das ist nicht unbedingt schön und ich hätte mir das bei diesem Turnier auch anders gewünscht, gerade mit dem Hintergrund, den dieses Turnier hat. Aber es ist nicht so, dass die Spiele hitziger sind, weil da nationale Minderheiten aufeinandertreffen, die sich gegenseitig vielleicht nicht besonders mögen. Es ist einfach ein allgemeines Problem im Amateurfußball, dass dort mit übertriebenem Ehrgeiz rangegangen wird und dann unschöne Szenen auf dem Platz entstehen, sowohl im Umgang zwischen den Spielern als auch gegenüber Schiedsrichtern. Das ist eine Sache, die man beim nächsten Turnier etwas genauer im Blick haben sollte.
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Spendenaufruf: Unterstützen Sie die Mannschaft der deutschen Minderheit bei der EUROPEADA!
Zum ersten Mal in ihrer jüngeren Geschichte tritt die deutsche Minderheit aus der Tschechischen Republik bei internationalen Spielen an. Für ihre Teilnahme an der EUROPEADA, der Fußball-Europameisterschaft der nationalen Minderheiten, ist die Mannschaft noch auf der Suche nach finanzieller Unterstützung.
Mehr…LE: Neben den Spielen gab es bei der EUROPEADA auch ein kulturelles Programm, unter anderem einen Kulturtag im dänischen Knivsberg und täglich das EUROPEADA Café. Wie war die Turnierstimmung abseits der Spiele?
Die Stimmung war sehr gut. Man hat auf Seiten aller Mannschaften eine große Neugier gegenüber anderen Minderheiten erlebt. Bei dem Kulturtag hatten wir auch einen Stand und es kamen viele Leute zu uns, die interessiert waren an der deutschen Minderheit aus Tschechien. Viele Minderheiten haben sich auch am Programm beteiligt. Es gab zum Beispiel Gesangs- und Trachtengruppen oder regionaltypisches Essen.

LE: Mit welchem Gefühl ist die Mannschaft der deutschen Minderheit am Ende nach Hause gefahren?
Ich kann das natürlich nur aus meiner Sicht beurteilen, aber ich würde sagen, dass die Mannschaft zufrieden war. Es war eine super Erfahrung. Man muss vielleicht unterscheiden zwischen dem Sportlichen und der Reise in das deutsch-dänische Grenzgebiet an sich, mit den ganzen Erfahrungen und den Kontakten, die man knüpfen konnte, auch mit den Minderheiten, die man kennengelernt hat. Sportlich war es eine Achterbahnfahrt, weil wir mit diesen Niederlagen ins Turnier gestartet sind, dann diesen sehr tollen Sieg hatten und dann zum Abschluss nochmal diese Niederlage, mit der man vielleicht nicht gerechnet hatte. Direkt nach dem Abpfiff war es ein bisschen frustrierend, aber nach ein oder zwei Stunden war das schon wieder vergessen. Man kann schon sagen, dass die Teilnahme an der EUROPEADA ein Riesenerfolg war. Allein schon, dass wir es überhaupt geschafft haben, eine Mannschaft aufzustellen, die sich dann auch noch so achtbar verkauft.
LE: Wie geht es für die Mannschaft der deutschen Minderheit jetzt weiter?
Daran müssen wir jetzt arbeiten. Das ist ein Problem, das vermutlich alle Minderheitenmannschaften haben, dass die EUROPEADA nur alle vier Jahre stattfindet und sich Frage stellt, was dazwischen passiert und wie man die Mannschaft und die Strukturen zusammenhalten kann. Wir sind jetzt innerhalb der Mannschaft so verblieben, dass wir in Zukunft Freundschaftsspiele oder ein Turnier in kleinerem Format ausrichten wollen. Ähnliches habe ich auch bei anderen Minderheiten gehört. Wir wollen in Kontakt bleiben und schauen, dass wir uns vielleicht im nächsten Sommer treffen, wenn sich das einrichten lässt.
Das Gespräch führte Manuel Rommel
Mehr über die EUROPEADA und die Ergebnisse erfahren Sie hier: https://europeada.eu/
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