Als zwei Soldaten auf dem Heimweg durch das Riesengebirge über den Berggeist Rübezahl spotteten, ahnten sie nicht, dass sich dieser übel rächen würde.
Ein großer Krieg war zu Ende gegangen. Scharenweise suchten die abgedankten Soldaten wieder in ihre Heimat zu kommen. So wanderten auch zwei solcher ausgedienter Krieger, ihr Pfeifchen schmauchend, über das Riesengebirge. Sie waren fröhlich und guter Dinge, denn ihr Heimatort lag nicht mehr fern. Da sie vom steilen Anstieg rechtschaffen müde waren, setzten sie sich unterhalb des Gipfels der Schneekoppe auf den Einladenden Grasteppich, lehnten sich gemütlich an einen besonnten Felsblock und dampften dabei aus ihren Pfeifen, das der bläuliche Rauch sie wie eine Wolke Umgab.
„Haha“, lachte der eine,“ wenn jetzt Rübezahl käme, das wäre ein Spaß!“
„Ja, meinte der andere grinsend“, wir würden ihn hier in seinem eigenen Reich lebendig räuchern wie einen Hering!“
„Uns würde er gar nicht sehen“, trumpfte der erste wieder auf, “der Rauch dampft so um uns her, dass wir ganz eingenebelt sind.“
So lachten sie vergnügt und trieben ihren Scherz um Rübezahl: Doch dieser ließ sich nicht sehen. Als sie ausgeruht hatten, machten sie sich wieder auf die Beine und setzten ihren Weg ungehindert fort, wobei sie über den angeblichen Herrn der Berge, den armseligen Berggeist, weiter spotteten, der ihnen nichts anhaben könne. Indes waren sie unvermerkt schon in seiner Gewalt.
Da sie bei ihrem Gelächter auf den Weg nicht achteten, kamen sie unversehens vom rechten Pfad ab, gerieten unter Gestrüpp und Dornen und fanden sich schließlich in einer sumpfigen Talniederung, wo sie auf Schritt und Tritt bis in die Knie im Schlamm versanken. Zu guter Letzt fingen sie miteinander zu zanken an, einer gab dem anderen die Schuld, dass sie den richtigen Weg verloren hätten. Als sie endlich gar nicht mehr aus und ein wussten, hörten sie von einer Anhöhe in ihrem Rücken eine Stimme, die ihnen zurief, sie sollten umkehren, sonst seien sie verloren.
Die Männer erschraken, denn sie konnten sich nicht denken, wie ein Mensch in diese Einöde komme; trotzdem gehorchten sie dem Zuruf, tappten mühselig durch den Sumpf zurück und gelangten endlich, mit Schmutz und Schlamm bedeckt, wieder auf den richtigen Pfad. Aber nochmals gingen sie in die Irre, fanden aus dem Wald nicht heraus und waren schließlich so müde, dass sie sich kaum weiter schleppen konnten. Zudem war die Nacht hereingebrochen, und sie sahen nicht mehr die Hand vor den Augen. So schlugen sie denn unter einem Haselbusch ihr Nachtlager auf und waren trotz der frischen Nachtluft in ihrer Müdigkeit bald eingeschlafen.
Rübezahl, denn er war´s, der sie in die Irre geleitet, merkte, dass die beiden müden Wanderer entschlummert waren, als er sich leise an sie heranmacht, um für den angetanen Schimpf nach Gebühr Rache zu üben. Zuerst nahm er den beiden Schläfern die Tabakspfeifen weg und stopfte sie mit dürren Kräutern. Dann zog er zwei längliche Wurzeln aus der Erde, und steckte jedem der Maulhelden eine davon in den Mund. Schließlich rieb er die Gesichter der Schlafenden mit Dreck ein. Nachdem der Herr des Gebirges sein Rachewerk vollendete, verschwand er im Wald.
Der Morgen graute. In den Büschen und Zweigen begannen sich die Vögel zu regen, und ihr lautes Jubilieren weckte den einen der beiden Krieger. Er reckte sich, verspürte zugleich einen scharfen, bitteren Geschmack im Mund und wollte einen lästerlichen Fluch ausstoßen. Doch nur ein schnarrendes Gekrächze rang sich von seinen Lippen. Unterdessen erwachte auch der andere und knurrte wie ein Hund vor sich hin: denn auch, ihm hatte die bittere Wurzel den Mund so zusammengezogen, dass es kein Wort hervorbringen konnte. Nun hatte einer den andern im Verdacht, ihm diesen Schabernack angetan zu haben, zugleich bemerkte jeder seine dreckiges Gesicht und glaubte, sein Kumpan habe ihm in Schlaf diesen Possen gespielt. Darüber gerieten beide so in Wut, dass sie heftig aufeinander einschlugen.
Nach einiger Zeit jedoch waren sie wieder in den Gebrauch ihres richtigen Mundwerks gelangt, und einer hielt dem anderen fluchend seine vermeintliche Übeltat vor. Weil ihnen aber daran gelegen war, endlich aus diesem verwünschten Wald zu kommen, vertagten sie die endgültige Austragung dieser verteufelten Sache auf eine spätere Zeit. Sie rafften ihre im Gras liegende Reisebündel auf, steckte die daneben liegende Pfeifen in den Mund, und suchten, in vollen Züge paffend, den Ausgang aus dem Wald zu suchen. Diesmal lächelte ihnen das Glück. Der Wald lichtete sich, und endlich standen sie im Freien, worüber sie nicht wenig erfreut waren. Freilich ein Umstand dämpfte bald ihre Fröhlichkeit. Dem einen wurde entsetzlich übel, dass er sich erbrechen musste, den andern aber kam ein solches Bauchgrimmen an, dass er sich vor Schmerzen auf der Erde wand. Als sich endlich Übelkeit und Schmerz ein wenig gemildert hatten, starrten sie einander ins bleiche Gesicht, und jeder war überzeugt, der andere habe sich mit seiner Pfeife einen üblem Scherz erlaubt. Darüber kamen sie bald wieder in ein hitziges Wortgefecht, das in eine Schlägerei auszuarten drohte.
Während sie eben im Begriff waren, übereinander herzufallen, ritt ein Reiter an ihnen vorüber und lachte aus vollem Halse. Die wütende Kampfhähne hielten inne, und plötzlich ging beiden ein Licht auf. Nun war ihnen klar, wem sie die üblem Vorfälle zu verdanken hatten und dass Rübezahl sich wegen ihrer derben Spöttereien an ihnen gerächt habe. Als sie dann ihre Pfeifen reinigten, fanden sie Weißwurzeln drin, die dafür bekannt sind, dass sie Übelkeit und Leibweh verursachen. Doch waren sie froh, Rübezahls Reich hinter sich zu haben, und setzten ihren Weg einträchtig fort.
Zusammengetragen von Irene Kunc
Dieser Beitrag erschien zuerst in der landesecho-ausgabe 8/2023
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