Nach unserer erfolgreichen Serie „Sagen aus dem Schönhengster Land“ beginnt nun unsere neue Sagenreihe aus dem Kuhländchen. Zu lesen jeden Monat in der Printausgabe des LandesEcho!
Was ist eigentlich das Kuhländchen und wo können wir es finden?
Das Kuhländchen (Kravařsko), ist eine historische Landschaft in Mähren zwischen den Ausläufern des Sudetengebirges im Nordwesten und dem Gebirgszug Beskiden im Südosten, geprägt von kleinen Flüssen und seit alters her „Mährische Pforte“ genannt. Die Landschaft kann man nicht fest begrenzen, sie hat viele Wiesen, fruchtbare Äcker und grüne Hügel. Weidengebüsch, Eichen und Erlen säumen den jungen Oderfluss und zahlreiche Teiche. Am Horizont prangen malerische Berge. Dieses „Kuhländchen“ war ein Land mit blühender Landwirtschaft und erfolgreicher Viehzucht.
Der Name Kuhländchen
Es heißt, dass sich der Name von der Rinderzucht herleite, die in dem feuchten Wiesengelände die landwirtschaftliche Haupterwerbsquelle darstellte. Eine andere Erklärung bringt diesen Namen mit Krawarn (Kravaře) in Verbindung, dem bei Troppau (Opava) gelegenen ehemaligen Besitz des Adelsgeschlechtes der Krawarze (wörtlich Besitzer von Kühen), dem dieses Gebiet zwischen dem 14. und 15. Jahrhundert gehörte. Der Name Kuhländchen wäre demnach eine Übersetzung, was jedoch von den meisten Heimatforschern bestritten wird.
Die Bewohner des Kuhländchen
Über 700 Jahre seit der Besiedelung des Ländchens unter König Ottokar II. änderte sich nur wenig. Bis zur Aufhebung der Leibeigenschaft im Jahr 1848 sorgte der feudal verfasste Staat für eine dem Boden verhaftete bäuerliche Ordnung, die nur durch Kriege, Seuchen und Religionsverfolgungen etwas durcheinandergewirbelt wurde. Zurückgebliebene Soldaten, Glaubensflüchtlinge, Mägde und Knechte aus Nachbargebieten sowie wandernde Handwerksburschen und durchziehende Händler füllten die Bevölkerungsverluste nach einigen Jahren wieder auf den vorigen Stand auf. Mit der tschechischsprachigen Bevölkerung in Nachbarorten lebte man friedlich zusammen. Austausch von Heiratspartnern kam selbstverständlich vor, soweit die feudale Grundherrschaft dies zuließ.
Mit der Aufhebung der Leibeigenschaft brach eine neue Zeit mit allen Vor- und Nachteilen der damit verbundenen Freiheiten an: Schuldknechtschaft und Bankrotte durch unbedachte Kreditaufnahme, Staatsbankrott, Verarmung, Alkoholismus, Auswanderungswellen nach Amerika, Zuzug tschechischer Arbeitskräfte im Verlauf der Industrialisierung und deren politische Forderungen machten nach dem Ersten Weltkrieg der deutschen Bevölkerung vielerorts zu schaffen.
Das Kuhländchen hatte 1930 etwa 100 000 deutsche Einwohner, mit der Hauptstadt Neutitschein (Nový Jičín) und weiteren größeren Städten: Fulnek, Odrau (Odry), Stauding (Studénka) und Wagstadt (Bílovec). Die deutschsprachige Bevölkerung des Kuhländchens wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs enteignet und zwischen 1945 und 1947 vertrieben.
Kuhländchen-Sagen
Schon 1893 erschien die erste Sagenauflage als ein bescheidenes Heft mit 26 Sagen. Schon im Jahre 1868 hatte der Neutitscheiner Buchdrucker Johann Nepomuk Enders in seinem Werk „Das Kuhländchen“ eine Sammlung von heimatlichen Sagen herausgegeben, die dann um Sagen aus der mährischen Walachei und „Sagen und Märchen aus Nah und Fern“ ergänzt und im selben Jahr als „Sagenbuche“ aufgelegt wurden.
Die Zeit, in der die Großmutter ihren Enkeln heimische Märlein erzählte, ist vielleicht schon vorüber. Aber es wäre schade, wenn sie vergessen werden. So hat 1906 der Bürgerschuldirektor Josef Ullrich diese Sagen zusammengetragen und sie drucken lassen.
Die Neuauflage wurde 2000 von Fridolin E. Scholz überarbeitet und zum Jubiläum – 50 Jahre „Alte Heimat, Verein heimattreuer Kuhländler e.V.“ herausgegeben. Dank dieser Neuauflage und der Freundschaft mit Herrn Scholz haben auch wir das schöne Buch in unserer Bibliothek in Mährisch Trübau (Moravská Třebova) und ich möchte im 75. Jubiläumsjahr nach dem II. Weltkrieg den Leserinnen und Lesern des LandesEcho einige Sagen aus dem Kuhländchen näherbringen.
Der Drache von Dobischwald
In Dobischwald sahen die Leute in mondhellen Nächten öfter, besonders im Advent und in der Fastenzeit, einen Drachen. Er erschien in verschiedenen Gestalten. Der eine sah ihn als geflügelte Schlange, ein anderer in Gestalt einer feurigen Stange von der Länge eines Wiesenbaumes in der Luft fliegen. Auch zieht er als brennende Strohschütte mit grünlichem Kopfe und einem langen, feurigen Schweife langsam dahin. Lässt er sich in grauer Farbe sehen, so hat er eine Menge Ungeziefer an sich, das er auf denjenigen herabschüttelt, welcher ihm zuruft: „Drache schüttle dich!“ Ist er rot von Farbe, so führt er Geld mit sich und lässt es auf den obigen Zuruf herabfallen. Auch stiehlt er an manchen Orten Getreide und Geld und trägt es Leuten zu, die es mit dem Teufel halten. Beim Ausdreschen des Getreides darf man das Seil der Garben nicht über die Ähren herabziehen, sonst nimmt der Drache die Körner.
Dobischwald (Dobešov)
Die Dorfgemeinde Dobischwald liegt 580 m ü. M. auf einem südlichen Ausläufer des Odergebirges. Mitten durch den Ort verläuft die europäische Wasserscheide Oder-Donau. Dobischwald wurde zwischen 1260–1280 vom Lokator Tobias (Dobeš) nach Magdeburger Recht angelegt und mit einem Richter, drei Freihöflern und 21 Bauern besetzt. Die Ansiedler waren freie Bauern, nur dem Landfürsten durch Fuhren und Abgaben verpflichtet.